Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zunft
Zunft[mhd. »Regel«], im Hoch-MA. in allen europ. Städten entstandene Organisationsform von Handwerkern, Handel Treibenden (Gilden) u. a. Gruppen zur Ausübung des gemeinsamen Gewerbes und Regelung der wirtsch. Verhältnisse v. a. im Interesse der Produzenten.Geschichte: Die Z. entstanden im 11./12. Jh. (früheste Urkunden) in den Städten, nachdem sich ein freier Handwerkerstand herausgebildet hatte (Handwerk). Im MA. waren auch fast alle nichthandwerkl. Berufstätigkeiten (Notare, Musikanten, Krämer, selbst Bettler und Dirnen) in Z. organisiert. Die Zugehörigkeit zur Z. war v. a. an den freien Stand und die sog. ehrliche Geburt gebunden. Die äußere Organisation der Z., die von der Obrigkeit (Stadt, Landesherr, Kaiser) mit Monopolrecht ausgestattet war (es bestand Z.-Zwang), beruhte auf der Gliederung in Meister, Gesellen und Lehrlinge; i. d. R. war eine bestimmte Ausbildung für Lehrlinge und Gesellen vorgeschrieben: Lehrzeit, Gesellenzeit und Wanderzeit (als Wanderzwang erst seit dem 16. Jh.). Das Meisterstück als Nachweis der Kenntnisse und Fähigkeiten wurde erst im 15. Jh. allg. eingeführt. Entscheidungen wurden von den Meisterversammlungen (sog. Morgensprachen) getroffen, denn nur die Meister waren Vollgenossen der Z.; an der Spitze standen zunächst landesherrl. Beamte, später die gewählten Z.-Meister (Aldermann). Reiche Z. hatten eigene Häuser (Z.-Häuser), andere zumindest eigene Stuben für ihre regelmäßigen Zusammenkünfte. Die Z.-Ordnungen (Z.-Statuten, Schragen) wurden von der Stadtobrigkeit, seit dem 15./16. Jh. auch vom Landesherrn (unter Vereinheitlichung) bestätigt oder erlassen und regelten u. a. Zugang zum Handwerk, Betriebsgröße, Arbeitszeit, Wettbewerb (Qualitätsvorschriften) und Rohstoffbezug. - Nach dem Vorbild der Z. waren die Gesellen seit dem 14. Jh. vielfach in Gesellenbruderschaften (Schächte) zusammengeschlossen. In sozialer Hinsicht unterstützten die Z. auch die Gesellen (u. a. durch Einrichtung von Herbergen) und waren Träger von Kranken- und Sterbekassen. - Seit dem 14. Jh. strebten die Z. in den Z.-Kämpfen nach Beteiligung am Stadtregiment, das oft in den Händen patriz. Familien lag. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) begann die Krise des Z.-Wesens. Die alten Rechte der Z. wurden zu privatrechtl. Privilegien der Z.-Meister, der Z.-Zwang zum Mittel, Unzünftige vom Gewerbe auszuschließen. 1731 wurde eine Reichshandwerksordnung erlassen (»Reichsbeschluss« gegen die Missbräuche im Handwerk); ab dem 18. Jh. wurde die Gewerbefreiheit eingeführt, so 1791 in Frankreich, 1810/11 in Preußen, 1859 in Österreich, endgültig in Dtl. 1869. - In den Innungen blieb der Gedanke des berufl. Zusammenschlusses lebendig.Brauchtum: Die Meister traten im Zunfthaus bei geöffneter Z.-Lade zusammen; diese war oft in Form eines dem Zunftheiligen geweihten Klappaltars gearbeitet und enthielt die Namen der Zunftmitglieder (»Zünnftigen«). Die Gesellen pflegten eigene Bräuche; die Lehrlinge wurden unter feierl. Zeremonien losgesprochen, die mitunter in derben Scherzen endeten. Einzelne Bräuche haben sich bis heute erhalten, z. B. das »Gautschen« der Drucker, in München der Schäfflertanz und Metzgersprung (mit heute eher folklorist. Charakter). 1968 entstand eine Vereinigung »Europ. Gesellenzünfte«, die v. a. die Wandertradition fortführt.
▣ Literatur:
B. Schwineköper. Gilden u. Zünfte. Kaufmänn. u. gewerbl. Genossenschaften im frühen u. hohen Mittelalter, hg. v. Sigmaringen 1985.
⃟ Georges, D.: 1810/11-1993: Handwerk u. Interessenpolitik. Von der Z. zur modernen Verbandsorganisation. Frankfurt am Main u. a. 1993.
⃟ Moos, A. von: Zünfte u. Regiment. Zürich 1995.
▣ Literatur:
B. Schwineköper. Gilden u. Zünfte. Kaufmänn. u. gewerbl. Genossenschaften im frühen u. hohen Mittelalter, hg. v. Sigmaringen 1985.
⃟ Georges, D.: 1810/11-1993: Handwerk u. Interessenpolitik. Von der Z. zur modernen Verbandsorganisation. Frankfurt am Main u. a. 1993.
⃟ Moos, A. von: Zünfte u. Regiment. Zürich 1995.