Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zivilprozess
Zivilprozess,das gesetzlich geordnete Gerichtsverfahren zur Feststellung und Verwirklichung privater Rechte. Das Z.-Recht beruht auf dem Gerichtsverfassungs-Ges. (GVG) i. d. F. v. 9. 5. 1975, das die Gerichtsbarkeit, den Aufbau und den Geschäftsgang der ordentl. Gerichte behandelt, und der Z.-Ordnung (ZPO) i. d. F. v. 12. 9. 1950, die den Gang des Verfahrens einschl. der Zwangsvollstreckung regelt. Der Z. wird unterteilt in das Erkenntnisverfahren und das davon unabhängige Vollstreckungsverfahren (die Zwangsvollstreckung). Die wichtigsten Grundsätze des Z. sind 1) Mündlichkeit, 2) Unmittelbarkeit, 3) Öffentlichkeit, 4) die Dispositionsmaxime, 5) die Verhandlungsmaxime (Ggs.: Amtsgrundsatz), 6) Wahrheitspflicht, 7) freie richterl. Beweiswürdigung, d. h., das Gericht entscheidet nach freier Überzeugung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Beweisergebnisses, ob eine tatsächl. Parteibehauptung bewiesen ist oder nicht (§ 286 ZPO).Gang des Verfahrens: Der Z. beginnt mit der Klageerhebung (Klage) beim zuständigen Gericht erster Instanz. Über örtl. und sachl. Zuständigkeit Gerichtsstand. Die Klageschrift wird von Amts wegen dem Beklagten zugestellt, sobald der Kläger den Kostenvorschuss gezahlt oder Prozesskostenhilfe erhalten hat. Das Gericht soll den Rechtsstreit in einem einzigen, umfassend vorbereiteten »Haupttermin« erledigen. Zu dessen Vorbereitung bestimmt es entweder einen »frühen ersten Termin«, in dem unstreitige Sachen schnell abgeschlossen und streitige vorerörtert werden können, oder es ordnet ein »schriftl. Vorverfahren« an. Zur Vorbereitung des frühen ersten Termins fordert es den Beklagten auf, unverzüglich oder innerhalb einer bestimmten Frist seine Verteidigungsmittel in einer Klageerwiderungsschrift vorzubringen. Wird der Prozess im frühen ersten Termin nicht erledigt, hat das Gericht alle Anordnungen zu treffen, die zur Vorbereitung des Haupttermins noch erforderlich sind. In bestimmten Fällen besteht anwaltl. Vertretungspflicht (Anwaltszwang). Beim Ausbleiben einer Partei findet das Versäumnisverfahren statt oder das Gericht entscheidet auf Antrag nach Lage der Akten; beim Ausbleiben beider Parteien ruht das Verfahren. Nach streitiger Verhandlung wird meist über streitige wesentl. Tatsachen Beweis erhoben, z. B. durch Vernehmung von Zeugen. Danach ist der Sach- und Streitstand mit den Parteien erneut zu erörtern, sodann entscheidet das Gericht den Rechtsstreit durch ein Urteil. Die Parteien können stattdessen den Streit durch Prozessvergleich (Vergleich), Anerkenntnis oder Klagerücknahme beenden. Meist ist gegen erstinstanzl. Urteile der Amts- und Landger. Berufung, gegen Urteile der Oberlandesger. Revision zulässig. Für einzelne Verfahrensarten gelten, auch hinsichtlich der Grundsätze, besondere Bestimmungen, z. B. in Ehesachen, im Mahnverfahren, im Urkunden- und im Wechselprozess. - Mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Urteile erlangen Rechtskraft. Aus ihnen und den für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen findet die Zwangsvollstreckung statt. - Im österr. Z. herrschen im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie im dt. Z. In der Schweiz ist der Z. bes. durch kantonale Prozessordnungen geregelt.
Literatur:
Baumgärtel, G.: Einführung in das Zivilprozeßrecht, fortgef. v. H. Prütting. Neuwied u. a. 81994.
Kropholler, J.: Europ. Zivilprozeßrecht. Heidelberg 51996.
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