Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zivilgesellschaft
Zivilgesellschaft(Bürgergesellschaft), auf A. Ferguson (»A history of civil society«, 1767) zurückgeführter Begriff der politisch-sozialen Sprache, der bei A. Smith und in der schott. Moralphilosophie des 18. Jh., später als »bürgerl. Gesellschaft« bei G. W. F. Hegel, K. Marx und anderen Theoretikern die Diskussion um das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von polit. Macht und gesellschaftl. Entwicklung im 19. Jh. bestimmt hat. Die mit dem heutigen Begriffsgebrauch verbundene Vorstellung der Z. als Assoziation selbstständiger, politisch und sozial engagierter Bürger knüpft an diese älteren Zusammenhänge an. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch Ansätze entwickelt, die darauf zielen, das Feld gesellschaftl. Handelns in seiner Eigenständigkeit einerseits gegenüber Politik und Staat (konservatives, aber auch staatssozialist. Denken), andererseits gegenüber Wirtschaft und individuellem Interessenegoismus (liberale Tradition) abzusetzen und die Eigenaktivitäten und Zusammenschlüsse der Bürger als eigenständige polit. und soziale Kräfte in den Mittelpunkt der Diskussion um die Weiterentwicklung des westlich-liberalen Gesellschaftsmodells zu rücken. Hierbei haben die Bürgerrechtsbewegungen in Mittel- und Osteuropa, die das Konzept der Z. in den 1980er-Jahren sowohl als Gegenentwurf zum Staatssozialismus als auch als Grundlage der sich an dessen Überwindung anschließenden Transformationsprozesse entwickelten, den wichtigsten Anteil. In W-Europa traten seit den 1970er-Jahren die »neuen sozialen Bewegungen« (alternative, ökolog., Frauen-, Friedensbewegung) mit neuartigen Äußerungsformen und hoher Öffentlichkeitswirksamkeit (z. B. Bürgerinitiativen) im Protest gegen die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse und polit. Strukturen und der Forderung nach Selbstbestimmung und Basisdemokratie hervor. Weitere Impulse ergaben sich zum einen aus der polit. Kulturforschung (»civic culture«), die seit den 1950er-Jahren Akzeptanz und Integrationsleistungen in westl. Demokratien untersucht, zum anderen aus den Debatten um die aus den USA kommende Sozialphilosophie des Kommunitarismus.
Literatur:
A. Klein Z. u. Demokratie, hg. v. u. a. Opladen 1994.
Z. im Transformationsprozeß. Länderstudien zu Mittelost- u. Südeuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika u. Nahost, hg. v. H.-J. Lauth u. a. Mainz 1997.
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