Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zeuge
Zeuge,Recht: Person, die in einem Verfahren über eigene Wahrnehmungen aussagen soll (Beweis-Z.) oder zum Abschluss von Rechtsgeschäften (z. B. Testamentserrichtung) zugezogen wird (Instruments-Z., Solennitäts-Z.). Ein sachverständiger Z. soll über Tatsachen und Zustände aussagen, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde notwendig war. Den Beweis durch Z. enthalten alle Verfahrensordnungen. Z. kann nicht sein, wer Partei, Beteiligter oder Beschuldigter ist; die Z.-Eigenschaft ist nicht an die Geschäftsfähigkeit geknüpft, so können auch Kinder als Z. vernommen werden.Im Zivilprozess setzt die Erhebung des Z.-Beweises einen Beweisantritt durch eine Partei voraus (§ 373 ZPO), d. h. die ladungsfähige Bezeichnung des Z. für bestimmt bezeichnete Tatsachen. Die Vernehmung eines Z. bedarf stets der Anordnung des Gerichts. Für den Z. entstehen durch die Anordnung des Gerichts und ordnungsgemäße Ladung (§ 377 ZPO) bestimmte staatsbürgerl. Pflichten. Er hat die Pflicht zum Erscheinen am Terminsort und zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Aussage, die notfalls durch Haft erzwungen werden kann. Bei unentschuldigtem Ausbleiben sind ihm die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen und Ordnungsmittel (Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft) gegen ihn zu verhängen; es kann auch die Vorführung angeordnet werden. Personen des öffentl. Dienstes benötigen für eine Aussage über Umstände, auf die sich ihre Amtsverschwiegenheit bezieht, einer Genehmigung der vorgesetzten Behörde (§ 376 ZPO). Ein Zeugnisverweigerungsrecht (Aussageverweigerungsrecht) besteht nur ausnahmsweise. Persönlich gilt es für Verlobte, (auch geschiedene) Eheleute, nähere Verwandte und Verschwägerte, die die Aussage grundsätzlich unbeschränkt ablehnen können, ferner für Angehörige bestimmter Berufe (v. a. Geistliche, Journalisten, Angehörige von Rechtsberatungsberufen, Ärzte), die die Aussage nur in Bezug auf ihr Berufsgeheimnis verweigern dürfen, falls sie nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden. Sachlich besteht für jeden Z. ein Auskunftsverweigerungsrecht insoweit, als die Aussage sich für ihn oder seine Angehörigen finanziell nachteilig oder ehrschädigend auswirken, ein Strafverfahren auslösen könnte oder sie ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis preisgeben würde (§ 383 f. ZPO). Die gesamte Aussage des Z. ist zu protokollieren, dem Z. vorzulesen und von ihm zu genehmigen. Der Z. hat gegen den Staat einen Anspruch auf Entschädigung für das Zeitversäumnis (v. a. Verdienstausfall), für Fahrtkosten und besonderen Aufwand.Im Strafprozess (§§ 48-71, 219-224, 238-248, 251-253, 257 StPO) bestehen hinsichtlich der Pflicht zum Erscheinen, zur Aussage und zur Aussageverweigerung parallele Bestimmungen. Bei gefährdeten Z. können die Angaben zur Person oder der Wohnort ggf. geheim gehalten werden. Soweit in der Hauptverhandlung Umstände aus dem persönl. Lebensbereich eines Z. zur Sprache kommen, deren öffentl. Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, kann (und muss auf Antrag des Z.) die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Das Z.-Schutzgesetz vom 30. 4. 1998 ermöglicht es des Weiteren, die Vernehmung gefährdeter Z. durch Videoaufzeichnung außerhalb der Hauptverhandlung und Übertragung schonender zu gestalten (§§ 58 a, 168 e, 247 a, 255 a StPO).
Ähnl. Regelungen gelten in Österreich (z. B. §§ 320 ff. ZPO) und in der Schweiz.
Literatur:
Arntzen, F.: Psychologie der Zeugenaussage. München 31993.
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