Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zelle
Zelle[lat.],
1) Biologie: kleinste eigenständig lebensfähige und daher über einen eigenen Energie- und Stoffwechsel verfügende Grundeinheit aller Lebewesen von den Einzellern bis zum Menschen. Man unterscheidet prinzipiell zwei Zelltypen: die Protozyten der Prokaryonten (Bakterien und Cyanobakterien) und die Euzyten der Eukaryonten (alle übrigen Organismen). Die Größe der Protozyten liegt zw. 0,2 μm und 10 μm. Ihr Protoplasma ist von einer Zellmembran begrenzt und von einer Zellwand umgeben. Stets fehlen Zellkern (Nucleus), Mitochondrien, Plastiden, endoplasmat. Retikulum, Golgi-Apparat und Lysosomen, die die Euzyten besitzen. Die DNS liegt in einem besonderen, Nucleoid genannten Bereich der Z. - Euzyten enthalten einen Zellkern und sind meist größer als Protozyten (8 μm Durchmesser beim menschl. roten Blutkörperchen, über 1 m Länge bei Nerven-Z., mehrere Meter Länge bei pflanzl. Milchröhren; mittlerer Durchmesser der Euzyten 10-100 μm). Sie sind ebenfalls von einer Zellmembran umgeben und enthalten in ihrem Protoplasma i. d. R. eine große Anzahl von Organellen sowie Strukturelemente. Im Einzelnen zeigen sich auch Unterschiede zwischen tier. und pflanzl. Zelle.Tierische Zelle: Die Z. der Tiere sind nur von der dünnen Zellmembran begrenzt, die das Zytoplasma umschließt. Neben oft im Zellplasma eingeschlossenen Reservestoffen (z. B. Fetttröpfchen) und Fibrillen (in Muskelzellen) liegen im Zytoplasma v. a. die versch. Zellorganellen: Der Zellkern nimmt meist eine zentrale Lage ein. Befindet sich der Kern nicht in Teilung, so sind die Chromosomen als aufgelockertes Netzwerk erkennbar. Gegen das Zellplasma wird der Kern durch eine Doppelmembran abgegrenzt. Diese Kernmembran (Kernhülle) enthält Poren, durch die vermutlich die genet. Information über die Boten-RNS aus dem Kern zu den Ribosomen in der Z. gelangt. Außerdem findet man in jedem Interphasekern wenigstens ein Kernkörperchen (Nebenkern, Nucleolus). In enger Beziehung zum Zellkern bzw. zur (doppelten) Kernmembran steht das endoplasmat. Retikulum (ER) mit den Ribosomen, das als System feinster Kanälchen v. a. den intrazellulären Transport synthetisierter Produkte bewirkt. Vermutlich eng verknüpft mit dem endoplasmat. Retikulum ist der Golgi-Apparat, ein Membransystem im Zellplasma, das v. a. den Sekretionsleistungen der Z. dient. Die Mitochondrien liefern die Energie für den Zellstoffwechsel.Pflanzliche Zelle: Der augenfälligste Unterschied zur tier. Z. ist das Vorhandensein einer aus vier Schichten bestehenden Zellwand (statt nur einer Zellmembran), die bei der ausgewachsenen Z. ein starres Gebilde darstellt und für das osmot. System der Pflanzen-Z. mit seinem beträchtl. Binnendruck ein Stabilisierungselement darstellt. Als weitere Besonderheit besitzt die differenzierte Pflanzen-Z. eine große, mit Zellsaft gefüllte Zellvakuole, die das Zytoplasma, d. h. den Protoplasten, an die Wand drückt. Dieser wird von zwei Zellmembranen begrenzt, zur Tertiärwand hin vom Plasmalemma, zur Vakuole hin vom Tonoplasten. Im Protoplasten findet man die gleichen Strukturen bzw. Organellen wie in der tier. Z., außerdem noch die Plastiden in Form von Chloro-, Chromo- und Leukoplasten. - Die Wiss., die sich speziell mit der Z. befasst, ist die Zytologie.
Literatur:
Kleinig, H.u. Sitte, P.: Zellbiologie. Ein Lehrbuch. Stuttgart 31992.
Molekulare Zellbiologie, Beiträge v. H. Lodish u. a. Aus dem Amerikan. Berlin u. a. 21996.
2) Elektrochemie: Kurz-Bez. für elektrochem. Elemente, z. B. für die Brennstoffzelle, galvanische Elemente und das Element des Akkumulators.
3) Mikroelektronik: integrierte Elementarschaltung mit etwa zehn Bauelementen.
4) Politik und Soziologie: in Analogie zum biolog. Begriff Z. in der 2. Hälfte des 19. Jh. in der russ. sozialist. Arbeiterbewegung aufgekommene Bez. für die kleinste, nahe der Basis angelagerte Funktionseinheit, die im Unterschied zur Clique ihre Aufgabenstellung und Zusammensetzung nicht von sich aus bestimmt, sondern durch die Anordnung in einer hierarchisch gegliederten Struktur von oben nach unten erfährt. In gleicher Bedeutung steht der Begriff in anderen polit. Zusammenhängen, etwa im »Block-Z.-System« der NSDAP oder für Studentengruppen marxistisch-leninist. Richtung (»Rote Zellen«; 1969 bis Mitte der 70er-Jahre). Die sich auf anarchist. Traditionen berufenden »Revolutionären Z.«, die in der Bundesrep. Dtl. seit den 1970er-Jahren zeitweise als Ergänzung zur Rote-Armee-Fraktion auftraten, lehnten demgegenüber die Einbindung der Z. in eine hierarch. Struktur ab, übernahmen aber die auch mit dem Begriff der Z. verbundenen Vorstellungen des Konspirativen und des aktiven Kampfes gegen eine als feindlich verstandene Umwelt.
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