Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Wolle
Wolle,die aus dem Haarvlies von Schafen gewonnenen, v. a. aus Wollhaaren (Unterhaar) bestehenden spinnbaren Fasern, die als Rohstoffe für Textilien verwendet werden; i. w. S. auch Bez. für die von anderen Säugetieren, insbesondere Angora- und Kaschmirziegen, Kamelen (Kamel, Alpaka, Vikunja) und Angorakaninchen, gewonnenen spinnfähigen tier. Haare, die im Ggs. zu der (meist einfach W. genannten) Schaf-W. mit einem ihre Herkunft kennzeichnenden Vorsatz versehen und häufig auch als »Haar« bezeichnet werden (z. B. Angora-W., Kamelhaar). - Die Haare der Schaf-W. zeichnen sich durch eine mehr oder weniger starke Kräuselung aus, durch die hohe Bauschkraft und große Wärmehaltigkeit bedingt sind. Allg. sind feine W. auch stärker gekräuselt. Nach der Feinheit werden folgende Hauptgruppen unterschieden: Merino-W. (bes. fein und sehr stark gekräuselt), Crossbred-W. (mittelfein, mittellang, normal gekräuselt), Cheviot-W. (grob, lang, wenig gekräuselt). Nach der Art der Gewinnung unterscheidet man: Schur-W. (von lebenden Schafen geschoren), Haut- oder Schlacht-W. (vom Fell geschlachteter Tiere), Gerber-W. (Schwitz-W. bzw. Schwöde-W.; bei der Lederherstellung anfallende W.; sie ist durch die Vorbehandlung in Griff, Festigkeit, Glanz und Geschmeidigkeit geschädigt), Sterblings-W. (von verendeten Tieren; Haare geringer Qualität, im Durchmesser ungleichmäßig). Feine, meist kurze und stark filzende W. werden vorwiegend zu Streichgarnen, mittelgrobe und grobe W. v. a. zu Kammgarnen verarbeitet; sie werden entsprechend als Streich- bzw. Kamm-W. bezeichnet. Bes. grobe und lange W. werden Teppich-W. genannt.Aufgrund der zahlr. in der W. enthaltenen hydrophilen Säureamidgruppen sind die Fasern hygroskopisch; sie nehmen aus der Luft Feuchtigkeit auf und geben sie in trockener Umgebung wieder ab. Eine weitere wichtige Eigenschaft der W. ist ihre Elastizität und damit ihre Fähigkeit, sich von Deformationsbeanspruchung zu erholen. Unterschiedlich reagiert W. auf die Einwirkung von heißem Wasser bzw. Wasserdampf: Während sie bei kurzzeitiger Einwirkung von heißem Wasser stark (bis über 30 %) schrumpft, kann sie bei längerer Einwirkung von Wasserdampf unter Dehnung bleibend (formbeständig) gestreckt werden. Diese Reaktion wird bei Ausrüstung von Wollstoffen zur Verhinderung des Einlaufens ausgenutzt, wobei gleichzeitig Glanz und Griff der Stoffe verbessert werden. Große Bedeutung besitzt das durch die schuppige Oberflächenstruktur der W. bedingte Filzvermögen, das die Grundlage für die Herstellung von Filz und Tuch durch Walken bildet; gleichzeitig ist das Filzvermögen jedoch auch die Ursache für das v. a. bei unsachgemäßem Waschen auftretende Verfilzen und Schrumpfen von Wolltextilien.Die durch Scheren der Schafe gewonnene Roh-W. enthält neben den Wollhaaren v. a. Wollfett und Wollschweiß, durch die die Wollhaare zum zusammenhängenden Vlies verklebt sind. Bei der Verarbeitung werden die Vliese zunächst zerteilt und nach Feinheit sortiert. Danach werden die Vliesteile maschinell aufgelockert (»geöffnet«) und anschließend meist in mehreren hintereinander geschalteten Bottichen schonend (um ein Verfilzen zu vermeiden) mit Wasser unter Zusatz von schwachen Alkalien oder unter Zugabe von synthet. Detergenzien gewaschen und dabei entfettet. Um ein zu weit gehendes Entfetten zu vermeiden, wird die W. meist am Ende der Wäsche mit Schmälzmitteln behandelt. Nach dem Trocknen leitet man sie der Spinnerei zu.
▣ Literatur:
Dannenfeldt, G.: Die Wollfaser. Chem., physikal. u. bekleidungsphysiolog. Eigenschaften. Köln 1989.
▣ Literatur:
Dannenfeldt, G.: Die Wollfaser. Chem., physikal. u. bekleidungsphysiolog. Eigenschaften. Köln 1989.