Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft,die Gesamtheit der wirtsch. Beziehungen und Verflechtungen der Staaten untereinander, die durch Außenhandel sowie die Bewegungen von Arbeitskräften und Kapital zw. Volkswirtschaften entstanden sind. Die Entwicklung der W. ist in zunehmendem Maße mit der Entwicklung des Welthandels verknüpft, wobei unter Welthandel die Gesamtheit der zwischenstaatl. Handelsbeziehungen verstanden wird.Der Welthandel konnte seit dem Zweiten Weltkrieg sehr hohe Wachstumsraten verzeichnen; seit 1950 hat sich das Welthandelsvolumen mehr als verachtzigfacht. Allein die Weltexporte stiegen von (1950) 61 Mrd. US-$ über (1974) 769 Mrd. US-$ auf (1998) 5 375 Mrd. US-$. Allerdings schwankten die Wachstumsraten seit 1970 sehr stark, was v. a. mit der konjunkturellen Entwicklung der W. und besonderen Ereignissen (z. B. starke Erhöhungen des Erdölpreises 1973/74 und 1979/80) zusammenhängt. Ein Großteil des Welthandels entfällt auf den Außenhandel der westl. Industrieländer und konzentriert sich auf die »Triade« (Westeuropa, Asien sowie Nordamerika), wobei der Handel zw. diesen Gruppen bzw. Regionen wiederum den Löwenanteil auf sich vereinigt. Der Handel zw. den Entwicklungsländern (Süd-Süd-Handel) ist demgegenüber gering, hat aber zw. den so genannten Schwellenländern Südostasiens und Lateinamerikas in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die wachsende Bedeutung des Welthandels ist in der letzten Zeit schlagwortartig auch als Globalisierung bezeichnet worden, womit Entwicklungen wie der Abbau von Einfuhrbeschränkungen und beschlossene Zollsenkungen (Uruguay-Runde des GATT), die zunehmende Niedriglohnkonkurrenz aus Osteuropa und Entwicklungsländern und die wachsende technolog. Wettbewerbsfähigkeit Südostasiens herausgestrichen werden sollen. Daneben wird die W. aber weiterhin belastet von Erscheinungen bzw. Folgeproblemen wie der Schuldenkrise, dem Transformationsprozess der mittel- und osteurop. Staaten, Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit in den westl. Ind.staaten sowie der gravierenden Armut.Anders als der bisherige Handel hat sich der moderne Welthandel erst im Laufe des 19. Jh. entwickelt. Angestoßen wurde der Welthandel durch die Industrialisierung und die damit verbundene Überschussproduktion bei gleichzeitig erheblich gestiegenem Rohstoffbedarf sowie durch die Einführung moderner Verkehrsmittel (Eisenbahn, Dampfschiff), die einen kostengünstigen, regelmäßigen, weiträumigen und sicheren Massenguttransport erlaubten. Begünstigt wurde die Entwicklung auch durch das starke Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung in Europa. Das Bevölkerungswachstum führte zu einer umfangreichen Auswanderung in die überseeischen Kolonialgebiete und die USA und bewirkte gleichzeitig eine erhebl. Expansion der W. Daneben spielen aber auch Elemente der Geld- und Wirtschaftsordnung eine große Rolle, indem sich der Freihandel ausbreitete, der Goldstandard eingeführt wurde, das Ausmaß der internat. Kapitalbewegungen sowie die Zahl der zwischenstaatl. Handelsverträge zunahmen. Im 19. Jh. wurde der Welthandel von Großbritannien, i. Allg. der Bank of England, dem brit. Pfund und London mit seinem internat. Bank- und Versicherungswesen dominiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zur Überwindung von Protektionismus und Autarkiestreben internat. Organisationen wie IWF und Weltbank sowie das GATT (Vorläufer der Welthandelsorganisation) geschaffen. Problematisch blieb allerdings die Eingliederung der Entwicklungsländer (EL) in die W. Vor dem Hintergrund der extremen strukturellen Unterschiede zw. Ländern und Ländergruppen erhoben die EL seit Anfang der 1970er-Jahre auf internat. Ebene (UN, UNCTAD u. a.) die Forderung nach einer Neuordnung der W. Wesentl. Elemente dieser Neuen W.-Ordnung sind: 1) wirtsch. Souveränität und Anerkennung der EL als gleichberechtigte Partner (Selbstbestimmung, Verfügungsgewalt über die Rohstoffe, Verstaatlichung ausländ. Besitzes); 2) Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln (Diversifizierung der Agrarproduktion, Finanzhilfen für ländl. Entwicklung); 3) Vereinbarung von Rohstoffabkommen zur Exporterlösstabilisierung (u. a. durch Schaffung von Bufferstocks), Förderung der Weiterverarbeitung der eigenen Rohstoffe, Billigung von Rohstoffkartellen; 4) Erhöhung des Anteils der EL an der Weltind.produktion bes. durch Direktinvestitionen, Kooperationen, Öffnung der Märkte für industrielle Halb- und Fertigwaren aus EL; 5) Erleichterungen im Außenhandel durch Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen, Schaffung von Präferenzsystemen für EL, Kontrolle der Tätigkeit multinat. Unternehmen, Verbesserung der Kooperation der EL untereinander; 6) Verbesserung des Technologietransfers durch Entwicklung angepasster Technologien, Ausbau von Forschung und Entwicklung in EL, Patent- und Lizenzerwerb durch EL zu Vorzugsbedingungen; 7) höhere Beteiligung der EL in den Bereichen Transport, Versicherungswesen und Tourismus; 8) Neuordnung des Weltwährungssystems durch stärkere Mitbestimmung der EL beim Internat. Währungsfonds, besserer Zugang zu den Kapitalmärkten, Maßnahmen zur Bewältigung der Schuldenkrise; 9) Verbesserung der Entwicklungshilfe durch Erhöhung der Finanzmittel internat. Entwicklungsorganisationen, höherer Beitrag der Ind.staaten und effizienterer Einsatz der Finanzmittel.
Literatur:
Cameron, R.: Gesch. der W. 2 Bde. A. d. Amerikan. Stuttgart 1991-92.
Koch, E.: Internat. Wirtschaftsbeziehungen. 2 Bde. München 21997-98.
Reich, R. B.: Die neue W. Das Ende der nat. Ökonomien. A. d. Engl. Frankfurt am Main 4.-5. Tsd. 1997.
Glastetter, W.: Außenwirtschaftspolitik. München 31998.
Volz, G.: Die Organisationen der W. München u. a. 1998.
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