Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Weltende
Welt|ende,Sammelbegriff für in der Geschichte des menschl. Denkens entstandende Vorstellungen über die zeitl. Begrenzung der Welt, ihren (endgültigen) Untergang (Weltuntergang) bzw. Übergang in eine neue (vollendete) Welt sowie über das zykl. Vergehen und Neuentstehen von Welten. Vorstellungen von einem Ende der Welt finden sich v. a. in der Religionsgeschichte, bilden darüber hinaus (bes. in Krisenzeiten) ein allgemeines kulturgeschichtl. Phänomen und knüpfen z. T. an hypothet. Aussagen der Naturwissenschaften an (Wärmetod des Weltalls). Sie wurzeln bes. in Erfahrungen nachhaltiger Gefährdung des gegenwärtigen Bestandes der Welt (z. B. der fortschreitenden Zerstörung ihrer natürl. Grundlagen) und/oder in der Hoffnung, dass die als unerträglich erlebte Gegenwart (z. B. wegen ihres sittl. Verfalls) ein Ende haben müsse. In zahlr. Religionen verbindet sich mit der Aussicht auf die Zerstörung der alten die Erwartung einer neuen Welt (Apokalyptik). Religiöse Vorstellungen vom Ende der Welt lassen sich dabei als Schöpfungsmythen in Gegenrichtung lesen: Der Himmel stürzt ein, das Licht der Sonne bleibt aus, die Erde versinkt im Meer. Analog dem Werden und Vergehen in der Natur werden entweder entsprechend einem zykl. Geschichtsverständnis mehrere aufeinander folgende Welten angenommen, die jeweils verschiedene Perioden bis zu ihrem Untergang durchlaufen (Weltperioden), oder, entsprechend einem linearen Zeitverständnis, der Untergang der alten, infolge der Sünde des Menschen verdorbenen Welt und das Nachfolgen einer neuen, von Gott vollendeten Welt, die frei ist von Leiden und geprägt durch die nun herrschende ewige Gerechtigkeit Gottes (Gericht Gottes).
In der abendländ. Geschichte wechseln Phasen der Erwartung des nahen Weltuntergangs (z. B. im MA.) mit Phasen, in denen die Weltuntergangsstimmung kaum greifbar ist. In religiösen Weltuntergangs- und Weltgerichtserwartungen spiegeln sich dabei soziale, polit. und kulturelle Krisen. Radikale christl. Seher und Enthusiasten bezogen in solchen Situationen die entsprechenden bibl. Texte auf ihre unmittelbare Gegenwart, z. B. die Täufer im 16. Jh. und die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten sowie die Zeugen Jehovas im 19. Jh. Seit Ende des 19. Jh. haben religiöse apokalypt. Motive und Vorstellungen immer stärker auch säkularisierte Formen angenommen und stellen sich seither (bes. in der westl. Welt) v. a. als Fortschrittspessimismus und/oder kulturkrit. Krisenstimmungen dar. Weltuntergang wird hier nicht als Eingriff einer jenseitigen Macht in den Weltlauf begriffen, sondern als beobachtbarer Prozess. Zeitgeschichtl. Erfahrungen wie der Erste und der Zweite Weltkrieg, die atomare Rüstung in den 50er- und in den 80er-Jahren des 20. Jh. sowie ökolog. Katastrophen geben dabei Anlass für globale Untergangsszenarien, denen allerdings, im Ggs. zu religiösen apokalypt. Vorstellungen, die Hoffnung auf die neue Welt fehlt. Weltuntergang wird auch nicht mehr nur als Schicksal, sondern als dem Menschen zurechenbare Tat ins Auge gefasst. Die Thematisierung des W., die (Endzeitstimmungen verarbeitend) bes. auch in der Kunst zu beobachten ist, dient als Warnung vor den Folgen des Fortschritts. Am Ende des 20. Jh. begegnet Weltuntergang jedoch auch als ein viele Menschen faszinierendes Thema der Unterhaltungsindustrie, die den mit ihm zugleich empfundenen »Nervenkitzel« (Thrill) in Filmen, Videospielen und Sciencefictionromanen vermarktet. So treten z. B. extraterrestr. Wesen oder Ufos als Retter oder Zerstörer der Welt in Erscheinung. Endzeitorientiert auf religiöser Seite sind heute bes. jene aus dem Christentum hervorgegangenen Gemeinschaften, die bibl. Prophezeiungen direkt auf aktuelle weltpolit. Ereignisse beziehen, aber auch Führer anderer religiöser Gemeinschaften (z. B. der Aum-Sekte), die aufgrund angebl. besonderer Offenbarungen beanspruchen, Kenntnis über das Ende der Welt zu haben sowie über die einzige Rettungsmöglichkeit, diesem zu entgehen. Als Projektionsfläche für Weltuntergangsängste dient dabei v. a. die bevorstehende Jahrtausendwende. (Chiliasmus)
▣ Literatur:
H. Gaspar Endzeitfieber. Apokalyptiker, Untergangspropheten, Endzeitsekten, hg. v. u. F. Valentin. Freiburg im Breisgau 1997.
⃟ Zeitenwende - Zeitenende, hg. v. W. Sommer. Stuttgart 1997.
⃟ Thompson, D.: Das Ende der Zeiten. Apokalyptik u. Jahrtausendwende. A. d. Engl. Hildesheim 1997.
In der abendländ. Geschichte wechseln Phasen der Erwartung des nahen Weltuntergangs (z. B. im MA.) mit Phasen, in denen die Weltuntergangsstimmung kaum greifbar ist. In religiösen Weltuntergangs- und Weltgerichtserwartungen spiegeln sich dabei soziale, polit. und kulturelle Krisen. Radikale christl. Seher und Enthusiasten bezogen in solchen Situationen die entsprechenden bibl. Texte auf ihre unmittelbare Gegenwart, z. B. die Täufer im 16. Jh. und die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten sowie die Zeugen Jehovas im 19. Jh. Seit Ende des 19. Jh. haben religiöse apokalypt. Motive und Vorstellungen immer stärker auch säkularisierte Formen angenommen und stellen sich seither (bes. in der westl. Welt) v. a. als Fortschrittspessimismus und/oder kulturkrit. Krisenstimmungen dar. Weltuntergang wird hier nicht als Eingriff einer jenseitigen Macht in den Weltlauf begriffen, sondern als beobachtbarer Prozess. Zeitgeschichtl. Erfahrungen wie der Erste und der Zweite Weltkrieg, die atomare Rüstung in den 50er- und in den 80er-Jahren des 20. Jh. sowie ökolog. Katastrophen geben dabei Anlass für globale Untergangsszenarien, denen allerdings, im Ggs. zu religiösen apokalypt. Vorstellungen, die Hoffnung auf die neue Welt fehlt. Weltuntergang wird auch nicht mehr nur als Schicksal, sondern als dem Menschen zurechenbare Tat ins Auge gefasst. Die Thematisierung des W., die (Endzeitstimmungen verarbeitend) bes. auch in der Kunst zu beobachten ist, dient als Warnung vor den Folgen des Fortschritts. Am Ende des 20. Jh. begegnet Weltuntergang jedoch auch als ein viele Menschen faszinierendes Thema der Unterhaltungsindustrie, die den mit ihm zugleich empfundenen »Nervenkitzel« (Thrill) in Filmen, Videospielen und Sciencefictionromanen vermarktet. So treten z. B. extraterrestr. Wesen oder Ufos als Retter oder Zerstörer der Welt in Erscheinung. Endzeitorientiert auf religiöser Seite sind heute bes. jene aus dem Christentum hervorgegangenen Gemeinschaften, die bibl. Prophezeiungen direkt auf aktuelle weltpolit. Ereignisse beziehen, aber auch Führer anderer religiöser Gemeinschaften (z. B. der Aum-Sekte), die aufgrund angebl. besonderer Offenbarungen beanspruchen, Kenntnis über das Ende der Welt zu haben sowie über die einzige Rettungsmöglichkeit, diesem zu entgehen. Als Projektionsfläche für Weltuntergangsängste dient dabei v. a. die bevorstehende Jahrtausendwende. (Chiliasmus)
▣ Literatur:
H. Gaspar Endzeitfieber. Apokalyptiker, Untergangspropheten, Endzeitsekten, hg. v. u. F. Valentin. Freiburg im Breisgau 1997.
⃟ Zeitenwende - Zeitenende, hg. v. W. Sommer. Stuttgart 1997.
⃟ Thompson, D.: Das Ende der Zeiten. Apokalyptik u. Jahrtausendwende. A. d. Engl. Hildesheim 1997.