Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Wein
Wein[aus lat. vinum], Getränk, das durch alkohol. Gärung aus frischem Traubenmost oder eingemaischten W.-Trauben gewonnen wird, häufig, nach abgeschlossenem Gärprozess, unter Zugabe (4-10 %) von vorher zurückbehaltenem, unvergorenem, steril gemachtem Most (Süßreserve). W. bildet die Grundlage für die Produktion von Schaum-W., W.-Brand, Kräuter-W. (z. B. Wermut-W.) sowie von W.-Essig. - 1 Liter W. enthält: 730-900 g Wasser; in leichten W. 67-75 g, in mittleren 75-90 g, in schweren 90-120 g (entsprechend 11-15 Vol.-%) Äthylalkohol; schwerere W. (mit mehr als 15 % Alkohol) wie Sherry, Port-W., Madeira oder Wermut-W. werden gespritet, d. h., es wird Alkohol zugesetzt. Der Zuckergehalt der Trauben, das Ausgangsmostgewicht (Oechslegrad), bestimmt den Alkoholgehalt des Weins. Als Nebenprodukt der alkohol. Gärung bildet sich stets der dreiwertige Alkohol (Glycerin; etwa ein Zehntel der Alkoholmenge); an Zucker sind im vollständig durchgegorenen W. zw. fast 0 und 150 g/l enthalten. Ferner enthält W. neben der aus der alkohol. Gärung stammenden Kohlensäure zahlreiche organ. Säuren wie W.-Säure, Apfelsäure, Milch- und Bernsteinsäure, zus. 4-12 g. Sie sind mit über 400 Bukettstoffen (v. a. Ester, höhere Alkohole, Säuren, Aldehyde; insgesamt 2 g) für das Bukett und das Aroma des W. mit entscheidend. Gerb- und Farbstoffe finden sich im Weiß-W. in Mengen bis 0,25 g, im Rot-W. bis 2,5 g, Mineralstoffe, v. a. Kalium- und Phosphorverbindungen, in Mengen von 1,5 bis 4 g.Weinbereitung: Zunächst werden die Trauben in den Keltereien zerquetscht (gemaischt); die Maische wird bei Weißweinen unter Druck sofort abgekeltert und gereinigt (filtriert) und in Gärbehälter gepumpt. Vor dem Abpressen ablaufender Saft heißt Vorlauf; bei steigendem Druck entstehender Saft wird Pressmost genannt, der Rückstand Trester. Durch die mit den Trauben in den Saft gelangten Wildhefen beginnt dieser selbstständig zu gären (Spontangärung). Meist werden heute jedoch zur Einleitung der Gärung Reinzuchthefen (W.-Hefen) zugesetzt. Bei der Rotweinbereitung werden die entrappten blauen Beeren auf der Maische vergoren (Maischegärung), je nach Geschmacksziel 2-14 Tage. Dabei werden die nur in der Beerenhaut enthaltenen Farb- und die auch in den Kernen enthaltenen Gerbstoffe vom entstehenden Alkohol freigesetzt. Für Rosé-W. wie den dt. Weißherbst werden die Rotweintrauben nach einigen Stunden von der Maische abgekeltert und anschließend wie weißer Most vergoren. Nach Klärung des W., durch Filtrieren über Filter u. a. aus Kieselgur oder Zellstoff, wird er in ein anderes Fass abgezogen (1. Abstich), geschwefelt (zur besseren Haltbarkeit) und, evtl. nach einem 2. Abstich, längere Zeit im vollen Fass gelagert. Danach folgen Maßnahmen zur geschmackl. Verbesserung.Krankheiten: Bestimmte Bakterien, Hefe- und Schimmelpilze können den W. verderben: das Kahmigwerden (Infektion mit Alkohol zersetzenden Kahmhefen, der W. wird trüb und muffig), das Umschlagen (der W. wird trüb, verliert Aroma und Säure und nimmt einen unangenehmen Geschmack und Geruch an), das Zähwerden (junge, säure-, gerbstoff- und alkoholarme W. werden schleimig-ölig und ziehen Fäden), ferner der Essigstich (Vergärung von Äthanol und Traubenzucker zu Essigsäure), der Milchsäurestich (unangenehm süßsaurer Geschmack) sowie das Bitterwerden des Rot-W. durch spezielle Bitterstoffe.Recht: W.-Bereitung und -Handel sind in Dtl. im »Ges. über W., Likör-W., Schaum-W., weinhaltige Getränke und Branntwein aus W.« geregelt, das 1994 an die EG-Weinmarktordnung angepasst wurde. Danach werden dt. W. in drei Klassen eingeteilt: 1) Tafel-W., 2) Qualitäts-W. bestimmter Anbaugebiete (anerkannt und kontrolliert), 3) Qualitäts-W. bestimmter Anbaugebiete mit Prädikat. Für Tafel-W. dürfen im Ggs. zum Qualitäts-W. die Namen von bestimmten Anbaugebieten und Lagen nicht gebraucht werden. Inländ. Tafel-W. muss als »Dt. Tafel-W.« bezeichnet werden. Land-W. müssen von Trauben der festgelegten 20 Bereiche (z. B. »Pfälzer Land-W.«) stammen; ihr Alkoholgehalt muss mindestens 0,5 Vol.-% über dem der entsprechenden Tafel-W. liegen. Qualitäts-W. erhalten ihre Bez. erst nach amtl. Prüfung, entweder als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete oder als Qualitäts-W. mit Prädikat (Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein). Das Lesegut darf nicht angereichert werden. Für inländ. W.-Arten dürfen als Bez. allein verwendet werden: Weiß-W., Rot-W., Rosé-W., Rotling, Schiller-W., Perl-W., Perl-W. mit zugesetzter Kohlensäure. Erlaubt sind die Bez. »aus eigenem Lesegut« oder »Erzeugerabfüllung«. Als trockener W. darf nach einer EWG-VO vom 4. 6. 1976 nur ein W. bezeichnet werden, der in einem Liter höchstens 4 g unvergorenen Zucker enthält, unabhängig von seinem Säuregehalt, oder höchstens 9 g/l, sofern die Gesamtsäure den Restzucker um nicht mehr als 2 g/l unterschreitet.Kulturgeschichte: Die Kultivierung der Weinrebe und die Bereitung von W. erfolgte wohl bereits im 5. Jt. v. Chr. in N-Mesopotamien und W-Iran, im späten 4. Jt. wurde in Ägypten und im späten 3. Jt. im ägäischen Raum W. erzeugt und gehandelt. Im 2. und 1. Jt. gelangte die W.- und Rebkultur von den Phönikern vermittelt auch in den westl. Mittelmeerraum, nach N-Afrika, Spanien, im 1. Jt. v. Chr. v. a. mit den Griechen nach Italien und Frankreich, mit den Römern in die von ihnen eroberten Gebiete, nach Burgund und Bordeaux, ins Elsass, an Rhein und Mosel (Ausgrabungen in Piesport). Ab dem 1. Jh. n. Chr. verbreitete sich der W.-Bau vom Bodenseegebiet aus über ganz SW-Dtl. Durch Missionare gelangte die in Europa angebaute Rebe im 16. Jh. nach Mexiko, Argentinien und Peru, Ende des 17. Jh. nach Kalifornien.
▣ Literatur:
Johnson, H.u. Krüger, A.: Das große Buch vom W. Neuausg. München 1991.
⃟ Das Weinlexikon, hg. v. H. Dippel. Tb.-Ausg. Frankfurt am Main 16.-20. Tsd. 1994.
⃟ Broadbent, M.: W. prüfen, kennen, genießen. A. d. Engl. Bern u. a. 61995.
⃟ The origins and ancient history of wine, hg. v. P. E. McGovern u. a. Neuausg. Luxemburg u. a. 1997.
▣ Literatur:
Johnson, H.u. Krüger, A.: Das große Buch vom W. Neuausg. München 1991.
⃟ Das Weinlexikon, hg. v. H. Dippel. Tb.-Ausg. Frankfurt am Main 16.-20. Tsd. 1994.
⃟ Broadbent, M.: W. prüfen, kennen, genießen. A. d. Engl. Bern u. a. 61995.
⃟ The origins and ancient history of wine, hg. v. P. E. McGovern u. a. Neuausg. Luxemburg u. a. 1997.