Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Walther von der Vogelweide
I Vogelweide, Wạlther von der,[f-], mittelhochdt. Dichter, Walther von der Vogelweide.
II Wạlther von der Vogelweide,
bedeutendster mhd. Lyriker, * um 1170, ✝ um 1230; galt bereits zu seinen Lebzeiten und das MA. hindurch als einer der herausragenden Liederdichter; später v. a. durch die im 18. Jh. einsetzende Wiederentdeckung (bes. durch J. J. Bodmer, J. J. Breitinger, dann L. Uhland, K. Lachmann und K. Simrock). Geburtsort und Stand sind nicht bekannt. Seine Texte thematisieren häufig das Problem der gesellschaftl. Anerkennung und legen damit niederen Adel oder noch geringere Herkunft nahe. W. v. d. V. lebte einige Zeit am Hof der österr. Herzöge in Wien; vermutlich wegen des Todes Friedrichs I. (1198) musste er diesen verlassen und lebte als fahrender Berufssänger und im Dienst versch. Landesfürsten (Landgraf Hermann von Thüringen, Markgraf Dietrich dem Bedrängten von Meißen u. a.); etwa um 1220 erhielt er von Kaiser Friedrich II. ein Lehen. Letzte, einigermaßen sicher datierbare Lieder stammen von 1228/29. Nach glaubhafter Überlieferung liegt W. v. d. V. im Kreuzgang (heute: Lusamgärtlein) des Neumünsters in Würzburg begraben. - Erhalten in über 30 Textzeugnissen (u. a. in der »Kleinen Heidelberger Liederhandschrift«, der »Maness. Handschrift« und der »Weingartner Handschrift«) sind die Texte von mehr als 100 Liedern bzw. musikalisch zusammengehörigen Strophengruppen (»Sangsprüche«, Spruchdichtung). Sein Werk umfasst Lieder zu den Themenbereichen »Liebe«, »Moral/Ethik«, »Religion« und »Politik«. Die mutmaßlich frühen Liebeslieder orientierten sich an der Ideologie der hohen Minne (Minnesang) in der Art von Reinmar dem Alten. W. v. d. V. hat die Konzeption der hohen Minne zunehmend problematisiert und das Ideal einer gegenseitigen, gleichberechtigten und erfüllten Liebe propagiert, die aber v. a. durch das Ideal der »mâze« (Vermeiden der Extreme) gekennzeichnet ist. In allen Formen der Liebeslyrik wie auch in argumentativ komplizierter Gedankenlyrik sind ihm Texte von höchstem poet. Rang gelungen. Dasselbe gilt auch für diejenigen Strophen und Lieder, in denen er religiöse Themen, Probleme der richtigen und falschen Lebensführung, der Politik seiner Zeit sowie der eigenen Sängerexistenz behandelt. Er wurde zum Schöpfer der dt. polit. Lyrik: Eingespannt in ein Netz von Abhängigkeiten, verfasste er im Dienste versch. Reichsfürsten und immer wieder auch für gegensätzl. Interessen polit. Texte, in denen er sich als hoch begabter Propagandist zeigte. Hervorzuheben ist auch seine Alterslyrik, die in eindrucksvollen Bildern die Vergänglichkeit der Welt und den Glauben an Gott darstellt. Sein »Preislied« diente A. H. Hoffmann von Fallersleben als Anregung für das »Deutschlandlied« (1841).
Literatur:
Kuhn, H.: Minnelieder W.s von der V. Ein Kommentar. Tübingen 1982.
Halbach, K. H.: W. von der V., neu bearb. v. M. G. Scholz. Stuttgart 41983.
Hahn, G.: W. von der V. Eine Einführung. München u. a. 21989.
Nolte, T.: W. von der V. Höfische Idealität u. konkrete Erfahrung. Stuttgart 1991.
W. von der V. Epoche - Werk - Wirkung, Beiträge v. H. Brunner u. a. München 1996.
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