Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Völkermord
Völkermord(Genozid), Handlungen gegen die Mitgl. einer nat., ethn., rass. oder religiösen Gruppe, die in der Absicht begangen werden, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: Tötung von Mitgl. der Gruppe; Verursachung von schweren körperl. oder seel. Schäden an ihren Mitgl.; vorsätzl. Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperl. Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere. Der V. ist in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des V. vom 9. 12. 1948 zum international geächteten Verbrechen erklärt worden. Allerdings enthält diese Konvention keine eigenen Strafnormen, sondern sie verpflichtet die Signatarstaaten lediglich, bestimmte Handlungen, zu denen auch der V. zählt, unter Strafe zu stellen. Am 17. 7. 1998 wurde in Rom durch eine Staatenkonferenz der UN das Statut eines Internationalen Strafgerichtshofes (u. a. zur Verfolgung von V.) verabschiedet.In der Bundesrepublik Dtl. ist im Sinne der Konvention durch das Ges. vom 9. 8. 1954 der § 220 a in das StGB eingefügt worden, der V. mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. V. verjährt nicht (§ 79 Abs. 2 StGB).Bereits in Antike und MA. kam es zu teilweisen oder vollständigen Ausrottungen von Völkerschaften, rass. oder religiösen Gruppen. In der Neuzeit geschah V. im Zusammenhang mit der von Europa ausgehenden Kolonisation an den Indianern Amerikas. Das 20. Jh. kennt V. größten Ausmaßes: Den V. an den Armeniern bes. im und nach dem Ersten Weltkrieg durch die Türkei, die Vernichtungspolitik des nat-soz. Dtl. v. a. gegen die Juden (Holocaust), den V. an der Bev. Kambodschas unter dem Terrorregime von Pol Pot (1975-79); aber auch die während des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion durchgeführten, mit hohen Opfern verbundenen Zwangsdeportationen der Wolgadeutschen, Krimtataren u. a. erfüllen teilweise den Tatbestand des V. Ebenso sind die während des Segregationskrieges um die versch. ethn. Siedlungsgebiete in Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina (1991-95) erfolgten »ethn. Säuberungen« v. a. zulasten bosn. Muslime durch Serben als V. einzustufen. Ein internat. Strafgericht zur Verfolgung des V. im ehem. Jugoslawien wurde 1993, zur Untersuchung des V. in Ruanda, dem schätzungsweise eine Million Tutsi und Hutu zum Opfer fielen, 1994 eingerichtet (Kriegsverbrechertribunal).
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