Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Volksglaube
Volksglaube, Bez. für die Gesamtheit dessen, was Menschen in Bezug auf die außer- und übernatürl. Welt außerhalb der herrschenden Religion für wahr halten und das daher ihr Fühlen, Denken und Handeln nicht unwesentlich mitbestimmt; es ist zeit-, schichten- und kulturspezifisch. Die Volkskunde versucht, Inhalte und Formen des V. aus der Bewusstseinslage zu verstehen, aus der sie entstanden sind. Dabei sind vielfältige Überschneidungen myth., mag. und religiöser Art gegeben, sodass verschiedentlich auch von Aberglaube gesprochen werden kann. Diese Bez. ist aber zu eng, da nicht jeder Aberglaubensinhalt zum V. gehört: Viel literarisch bezeugter Aberglaube ist nie in das Volk gedrungen, z. B. die Alchimie und Nekromantie. Ausdruck des V. sind z. B. Amulett und Talisman und viele andere Unheil abwendende (apotropäische) bzw. Schutz gewährende Gegenstände (z. B. Alraun), Zeichen (Drudenfuß) und Sprüche (gesprochen und an bestimmte Stellen geschrieben; Zauberformeln), oft auch mit betont religiösem Anteil (Votive, Reliquien; Volksfrömmigkeit). Praktiken des V. sind u. a. Beobachtung von Vorzeichen, Voraussage der Zukunft (Horoskop, Handlesen [Chiromantie], Orakel [z. B. Wachs- bzw. Bleigießen], Traumdeutung; Mantik), Fruchtbarkeits- bzw. Liebeszauber (u. a. Gebildbrote) und Weihehandlungen. In jüngster Zeit hat oftmals kommerziell genutzter moderner Aberglaube als Mischung aus religiösen, therapeut. und exot. Quellen (Pendel, Raten, Astrologie, Hellsehen u. a.; Esoterik) an Bedeutung gewonnen.
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