Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Vitamine
Vitamine[v-; Kw. aus lat. vita und Amine], zusammenfassende Bez. für eine Gruppe von chemisch sehr unterschiedl., v. a. von Pflanzen und Bakterien synthetisierten Substanzen, die für den Stoffwechsel der meisten Tiere und des Menschen unentbehrlich (essenziell) sind, die aber vom tier. und menschl. Organismus nicht synthetisiert werden können und daher ständig mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Einige V. können vom tier. Organismus aus bestimmten biolog. Vorstufen, den Pro-V., in einem letzten Syntheseschritt hergestellt werden, z. B. die V. A1 und A2 aus β-Carotin. V.-Mangel führt zu den Krankheitserscheinungen der Hypo- und Avitaminosen, die durch V.-Gabe beseitigt werden können. Bei einigen V. (A und D) führt übermäßige Aufnahme ebenfalls zu Stoffwechselstörungen (Hypervitaminosen). Die V. werden üblicherweise mit einem Buchstaben und/oder einem Trivialnamen bezeichnet und nach ihrer Löslichkeit in die Gruppen der fettlösl. (Vitamine A, D, E, K; ihre Resorption hängt von der Funktionstüchtigkeit der Fette ab) und der wasserlösl. V. (Vitamine der B-Gruppe, Vitamin C) eingeteilt. Daneben werden häufig auch z. T. ebenfalls essenzielle Nahrungsbestandteile zu den V. gerechnet, u. a. das wasserlösl. Vitamin P (Rutin) sowie die oft als Vitamin F zusammengefassten ungesättigten Fettsäuren.Fettlösl. V.: Vitamin A, Retinol, die biolog. Vorstufe (V.-Gabe) sind Carotine; Vitamin A kommt in Lebertran, Leber, Milch, Butter, Eigelb vor. Das Aldehyd des Vitamins A ist Retinal, das mit Opsin den Sehfarbstoff Rhodopsin bildet; Mangel führt zu Nachtblindheit und Verhornung der Epithelien des Auges. Tagesbedarf: 1,6 mg. - Vitamin-D-Gruppe, Calciferole, den Steroiden nahe stehend (D2 und D3). D2 und D3 bilden sich aus versch. Vorstufen durch UV-Bestrahlung, Vorkommen in Hefe und Lebertran; notwendig für die Skelettentwicklung, bes. für den Phosphat- und Calciumstoffwechsel, Mangel führt zu rachit. Skelettveränderungen; Tagesbedarf: 0,01-0,025 mg. - Vitamin E, Tocopherol, kommt in Weizenkeimöl, Baumwollsamenöl, Erbsen, Brunnenkresse und Erdnuss vor; hat einen antioxidativen Effekt und schützt so wohl die Zellmembranen, Mangel bewirkt bei manchen Tieren Muskelrückbildung, Frühgeburten, Fehlgeburten (beim Menschen Mangelerscheinungen nicht sicher nachgewiesen); Tagesbedarf: 15-20 mg. - Vitamin K, kommt als K1 (Phyllochinon) in Spinat, Kohl, Brennnesseln, Tomaten, Hagebutten und Leber, als K2 (Menachinon) in Darmbakterien und grünen Pflanzen vor; wichtig zur Bildung von Blutgerinnungsfaktoren, v. a. von Prothrombin, Mangel führt zu Blutungsneigungen durch Gerinnungsstörungen. Der Tagesbedarf wird weitgehend durch die normale Darmflora gedeckt.Wasserlösl. V.: Vitamin B1, Thiamin (Aneurin), kommt bes. in Hefe, Getreidekeimen, Ei und Leber vor; als Coenzym unentbehrlich für die Funktion des Nervensystems, greift vor allem in den Abbau der Kohlenhydrate ein; Mangel führt zu Beriberi; Tagesbedarf: 1,5 mg. - Vitamin B2, Riboflavin, in Molke, Hefe, Leber, Niere, Eigelb und grünen Pflanzen enthalten; als Baustein von Flavinadenindinucleotid (FAD) und Flavinmononucleotid (FMN) Wasserstoffüberträger u. a. im Zitronensäurezyklus (nur FAD) und der Atmungskette, Mangelerscheinungen sind Schädigungen der Gewebsatmung, Wachstumsstillstand, Entzündungen der Haut, Schleimhäute und Lippen sowie Magen-Darm-Erkrankungen; Tagesbedarf: 1,4-2 mg. - Pantothensäure, enthalten in Hefe, Getreidekeimen, Leber, Eigelb, Knollen, Wurzeln und Milch; ist Coenzymbestandteil und wichtig für den normalen Zellenaufbau; Tagesbedarf: 10 mg. - Folsäure, kommt in Blattgemüse sowie in Leber und Hefen vor; Vorstufe des Coenzyms Tetrahydrofolat, das Einkohlenstoffkörper (C1) überträgt, Mangelerscheinungen sind Blutbildungsstörungen sowie Haut- und Schleimhautveränderungen; Tagesbedarf: 0,4 mg. - Nicotinsäureamid, Nicotinamid, kommt in Hefe, Weizen, Gemüse, Leber, Niere, Muskeln und Milch vor; Enzymbaustein im Abbaustoffwechsel, bei Mangel kann Pellagra auftreten; Tagesbedarf: 20 mg. - Vitamin B6, Pyridoxol-Gruppe, greift als Coenzym in den Aminosäurestoffwechsel ein, Mangelerscheinung sind Hautveränderungen; Tagesbedarf: 2 mg. - Vitamin H, Biotin, kommt in Hefe, Leber, Hirn, Molke, Eigelb und Maische vor; Coenzym von an Carboxylierungsreaktionen beteiligten Enzymen (z. B. Acetyl-CoA im Zitronensäurezyklus), Mangelfolgen: Ekzeme, Haut- und Schleimhautentzündungen, Blutveränderungen; Tagesbedarf: 0,1 mg. - Vitamin B12, Cobalamin, chemisch dem Häm verwandt, jedoch kobalthaltig, kommt in Leber, Muskeln, Eigelb und Käse vor, wird von Darmbakterien gebildet; unentbehrlich bei der Entwicklung und Reifung der roten Blutkörperchen, Mangel führt zur perniziösen Anämie; als V. der normalen Blutbildung liegt der Tagesbedarf bei 0,003 mg. - Vitamin C, Ascorbinsäure, kommt in Früchten (bes. Zitronen), Kartoffeln, grünen Pflanzen, Milch und Leber vor; spielt eine wichtige Rolle bei Hydroxylierungen, bei der Aufnahme und Speicherung von Eisen sowie bei der Bildung bestimmter Steroidhormone in der Nebennierenrinde, Mangel verursacht Skorbut, Blutungsneigung (z. B. in Haut, Zahnfleisch) und Infektanfälligkeit. Tagesbedarf: 100 mg. - V. sind in den meisten Nahrungsmitteln, insbesondere in frischem Gemüse, Milch, Butter, Eidotter, Leber, Fleisch und Getreide, in ausreichender Menge enthalten, sodass bei einer ausgewogenen Ernährung keine V.-Mangelerkrankungen auftreten.
▣ Literatur:
Raida, M.: Kursbuch der V. Gesundheit nach Maß. Tests, Tabellen, Rezepte. Kreuzlingen u. a. 21996.
⃟ V. Physiologie, Pathophysiologie, Therapie, hg. v. H. K. Biesalski u. a. Stuttgart u. a. 1997.
▣ Literatur:
Raida, M.: Kursbuch der V. Gesundheit nach Maß. Tests, Tabellen, Rezepte. Kreuzlingen u. a. 21996.
⃟ V. Physiologie, Pathophysiologie, Therapie, hg. v. H. K. Biesalski u. a. Stuttgart u. a. 1997.