Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Versailler Vertrag
Versailler Vertrag[vɛr'zajər-], wichtigster der Pariser Vorortverträge, die 1919/20 den Ersten Weltkrieg auch völkerrechtlich beendeten. Der V. V. wurde am 28. 6. 1919 im Versailler Schloss zw. dem Dt. Reich und 26 alliierten und assoziierten Mächten unterzeichnet und trat am 10. 1. 1920 in Kraft. Versch. Länder ratifizierten ihn jedoch nicht oder beendeten den Kriegszustand mit dem Dt. Reich durch besondere Verträge (v. a. die USA 1921). - Der V. V. umfasste 440 Artikel in 15 Teilen. Teil I enthielt die Satzung des Völkerbunds (ohne dass damit das Dt. Reich dessen Mitgl. wurde). Die Teile II und III legten die neuen Grenzen Dtl.s und die polit. Bestimmungen über Europa fest. Dtl. verlor durch Gebietsabtretungen 70 579 km2 Territorium mit etwa 7,3 Mio. Ew.: Moresnet und - nach einer strittigen Volksbefragung - Eupen-Malmedy fielen an Belgien; Luxemburg schied aus dem Dt. Zollverein aus und verlor seinen neutralen Status; das Elsass und Lothringen kamen ohne Abstimmung an Frankreich; fast ganz Westpreußen, die Prov. Posen, das Gebiet um Soldau und Teile Pommerns fielen an Polen (Poln. Korridor); Danzig wurde als Freie Stadt dem Schutz des Völkerbunds unterstellt; das Memelland kam unter alliierte Verwaltung; das Hultschiner Ländchen fiel an die Tschechoslowakei. Volksabstimmungen wurden für die so genannten Abstimmungsgebiete vorgesehen. Sie führten zur Teilung Oberschlesiens, wobei die kohlenreichen Gebiete im SO an Polen kamen, und zur Abtretung Nordschleswigs an Dänemark. Das Saargebiet wurde für 15 Jahre vom Völkerbund verwaltet und konnte danach über seinen Status entscheiden. Der von der Rep. Österreich proklamierte Anschluss an das Dt. Reich wurde untersagt (Art. 80). Art. 42-44 bestimmten die linksrhein. Gebiete und einen 50 km breiten Streifen rechts des Rheins zu einer entmilitarisierten Zone, in der bestehende Festungen geschleift und dt. Garnisonen aufgelöst werden mussten. Teil IV legte die Übergabe der Kolonien als Mandate an den Völkerbund fest. Teil V enthielt militär. Bestimmungen: Das Heer wurde auf 100 000 Mann, die Marine auf 15 000 Mann mit geringem Schiffsbestand beschränkt; Wehrpflicht, Generalstab und Kriegsakademie wurden abgeschafft. Die Teile VIII und IX behandelten die dt. Reparationen. Sie wurden mit der in Art. 231 genannten dt. Alleinschuld am Ersten Weltkrieg begründet. In den Teilen X-XII musste das Dt. Reich der Konfiskation des dt. Eigentums und sonstiger Rechte im Ausland, dem Meistbegünstigungsrecht für die alliierten Staaten ohne Gegenseitigkeit, der Beschränkung der dt. Eisenbahnhoheit sowie der Privilegierung der Alliierten in der Luftfahrt und den dt. Häfen und der Internationalisierung der dt. Flüsse zustimmen. Teil XIV bestimmte den Rückzug der dt. Truppen aus den ehem. russ. Gebieten und die alliierte Besetzung des Saargebietes sowie des linken Rheinufers (rechtsrhein. Brückenköpfe bei Köln, Koblenz und Mainz für 15 Jahre).Bei aller materiellen Belastung beließen die Bedingungen des V. V. dem Dt. Reich dennoch den Status einer potenziellen Großmacht. Die Forderung nach Revision des V. V. galt in der dt. öffentl. Meinung grundsätzlich als außenpolit. Ziel; so fanden die antidemokrat. Kräfte von rechts wie links im »Diktat von Versailles« einen entscheidenden Ansatzpunkt für ihre Agitation gegen die den V. V. billigenden polit. Kräfte der Weimarer Rep. Nachdem bereits viele Artikel revidiert bzw. umgangen worden waren, erfolgte nach 1933 der offene Bruch des Vertrages durch die nat.-soz. Reg.; durch einseitiges Aufkündigen am 30. 1. 1937 wurde der V. V. auch offiziell beendet.
Literatur:
S. Haffner Der Vertrag von Versailles, Beiträge v. u. a. Neuausg. Frankfurt am Main u. a. 1988.
Quellen zum Friedensschluss von Versailles, hg. v. K.Schwabe u. a. Darmstadt 1997.
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