Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Usbekistan
Usbekistan Fläche: 447 400 km2
Einwohner: (1997) 23,468 Mio.
Hauptstadt: Taschkent
Verwaltungsgliederung: 10 Gebiete, Taschkent und die Teilrep. Karakalpakien
Amtssprache: Usbekisch
Nationalfeiertag: 31. 8.
Währung: 1 U.-Sum (U.S.) = 100 Tijin
Zeitzone: MEZ + 4 Std.
(amtlich usbek. Özbekiston Jumhuriyati; dt. Rep. U.), Staat im nördl. und mittleren Teil Mittelasiens, grenzt im W und N an Kasachstan, im NO und O an Kirgistan, im O und SO an Tadschikistan, im S an Afghanistan und im S und SW an Turkmenistan. Das nordwestl. Landesgebiet um den S-Teil des Aralsees nimmt die Teilrep. Karakalpakien ein.
Staat und Recht: Nach der Verf. vom 8. 12. 1992 ist U. eine souveräne Rep. mit Präsidialsystem. Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und oberster Inhaber der Exekutive ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präs. (nur einmalige unmittelbare Wiederwahl zulässig). Er ernennt den Min.-Präs. und die übrigen Mitgl. der Reg. und ist durch Gesetzesinitiativ- und Vetorecht maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (250 Abg., für fünf Jahre gewählt). Neben der dominierenden Volksdemokrat. Partei (Nachfolgeorganisation der KP) sind nur die Vaterländ. Fortschrittspartei und die Adolat (Gerechtigkeit) Sozialdemokrat. Partei offiziell zugelassen. Die Volksfront Birlik (Einheit), die Partei Erk (Freiheit) und die Partei der Islam. Wiedergeburt sind verboten.
Landesnatur: U. liegt zum größten Teil im Zwischenstromland von Amudarja und Syrdarja in der Mitte des Tieflands von Turan. Es wird überwiegend vom Plateau der Sandwüste Kysylkum eingenommen. Den NW westlich des austrocknenden Aralsees durchzieht das wüstenhafte Ust-Urt-Plateau, südlich des Aralsees liegen Delta und Alluvialebene des unteren Amudarja und die einst fruchtbare Oase Choresm. Die beiden Hauptzuflüsse des Aralsees, Amudarja und Syrdarja, erreichen ihren Endsee infolge der Wasserentnahme für die Bewässerung nur noch als dünnes Rinnsal oder überhaupt nicht mehr. Im O geht das Tiefland von Turan allmählich in ein flaches Vorgebirgsland mit der bewässerten Oase von Taschkent und der bewässerten Südl. Hungersteppe über. Die Hochgebirge, die U. im O und SO begrenzen, sind Ausläufer des Hissar-Alai-Systems (bis 4 643 m ü. M.) im S und des westl. Tienschan (bis 4 299 m ü. M.) im N. Sie umschließen mehrere Gebirgssenken und -täler, darunter das Ferganabecken am oberen Syrdarja, das größtenteils zu U. gehört. Das Klima ist geprägt durch trockenheiße, lange Sommer und milde, kurze und schneearme Winter, die im S bis zu 2, im N bis zu 5 Monate andauern. Der mittlere Jahresniederschlag liegt im Tiefland von Turan zw. 60 und 150 mm, an den Luvseiten der Hochgebirgszone zw. 400 mm und stellenweise 1 000 mm; 70 % der Niederschläge fallen im Winter und im sehr kurzen Frühjahr. In der Kysylkum wachsen vereinzelt Saxaul-, Akazienbüsche und Sträucher, v. a. Wermut. Die Gebirge sind von Krautsteppen bedeckt, ein zusammenhängender dichter Waldgürtel fehlt.
Bevölkerung: Sie setzte sich (1996) aus 80 % Usbeken, 5,5 % Russen, 5,1 % Tadschiken, 3,0 % Kasachen, 2,5 % Karakalpaken, 1,5 % Tataren, außerdem aus Krimtataren und Angehörigen anderer Nationalitäten zusammen (Kirgisen, Koreaner, Ukrainer, Turkmenen, Türken). Seit 1990 emigrierten bis 1999 etwa 300 000 Russen aus U. Mit einer durchschnittl. Bev.dichte von 52 Ew./km2 ist U. die am stärksten besiedelte mittelasiat. Republik der GUS. Die Bev. konzentriert sich in den Oasen der Vorgebirgszone, in den Flusstälern und in den Bewässerungsgebieten (stellenweise bis 2 000 Ew./km2). Es besteht eine neunjährige Schulpflicht. Für über zwei Drittel der Schüler ist Usbekisch Unterrichtssprache, daneben hält Russisch einen Anteil von 15 %, außerdem sind Kasachisch, Karakalpakisch, Tadschikisch, Turkmenisch und Kirgisisch vertreten. Neben der Akademie der Wiss. gibt es über 14 Univ. Vorherrschende Religion ist der Islam (sunnit. Muslime, 86 % der Bev.), wobei in weiten Landesteilen der Sufismus dominiert. Die Zahl der Moscheen ist seit 1989 (rd. 100) auf über 5 000 angewachsen. Von den rd. 2 % Christen gehören über 60 % der russisch-orth. Kirche an, rd. 30 % der kath. Kirche.
Wirtschaft, Verkehr: U. ist neben Kasachstan das wirtsch. bedeutendste Land der mittelasiat. Region der GUS und im Kern ein Agrarland, obwohl nur knapp 10 % der Landesfläche landwirtsch. nutzbar sind. Die Wirtschaft basiert auf dem Baumwollanbau sowie auf der Brennstoff- und Goldgewinnung. Nach Erlangung der Unabhängigkeit war durch einen gemäßigten Kurs im Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft (»vorsichtiger Übergang zum Markt«) der reale Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht so groß wie in den anderen mittelasiat. GUS-Staaten, der Anteil des Privatsektors am BIP lag 1996 nach staatl. Angaben bei 80 % (nach ausländ. Beobachtungen nur etwa 30 %). Nur knapp 10 % der Landesfläche sind landwirtschaftlich nutzbar. Hiervon sind knapp ein Fünftel Acker-, über vier Fünftel extensives Weideland und Heuwiesen. Trotz eines seit 1990 bestehenden Bodenreform-Ges., das die rechtl. Grundlage für die Umwandlung der Staatsbetriebe in Genossenschaften gab, befindet sich die Privatisierung der landwirtschaftl. Nutzfläche noch in den Anfängen. Rund 90 % der Anbauflächen müssen bewässert werden. Der monokulturartig betriebene Anbau von Baumwolle führte zu großen ökolog. Schäden (Wassermangel, Versalzung der Böden, Überdüngung). Die für den Anbau von Getreide (Weizen, Gerste, Reis, Mais), Melonen und Hülsenfrüchten sowie Weintrauben und Obst verbleibende Anbaufläche garantiert meistens nicht die Eigenversorgung. Die Viehzucht konzentriert sich auf die Haltung von Schafen (bes. Karakulschafe), Rindern und Ziegen sowie Geflügel. Erdgas (Hauptbrennstoff für die Elektroenergieerzeugung) und Erdöl werden um Buchara (bei Gasli), Karschi sowie im Ferganabecken und nördlich von Termes gefördert. Weltweit steht U. bei der Golderzeugung (bes. aus der Mine von Muruntau bei Serafschan in der Kysylkum) und Uranerzförderung an vorderer Stelle. Bedeutung hat auch der Abbau von Braunkohle bei Angren und im SO sowie von Buntmetallerzen (Almalyk). Elektroenergie wird zu 85 % in Wärmekraftwerken, die zum größten Teil auf Erdgas-, sonst auf Kohlebasis (Braunkohlenkraftwerk in Angren) arbeiten, und zu 15 % in Wasserkraftwerken (Kraftwerkskaskade am Fluss Tschirtschik) in ausreichender Menge erzeugt und kann noch in die benachbarten Staaten exportiert werden. Hauptzweige der verarbeitenden Ind. sind Textil- und Bekleidungsind., Maschinen- und Fahrzeugbau, elektrotechn., Nahrungsmittel- und chem. Ind. Der Außenhandel liegt noch in staatl. Händen. Das Land ist um die Erweiterung der Außenhandelsbeziehungen mit den westl. Industriestaaten bemüht. Ausgeführt werden Erdgas, Karakule, Naturseide, Mineraldünger, Zement, Kohle, Landmaschinen. Wichtigste Handelspartner sind Russland, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan u. a. Rep. der GUS, aber auch Großbritannien, Belgien, Dtl., die Türkei, die Schweiz und China. - Größte Bedeutung hat der Eisenbahnverkehr; das Eisenbahnnetz umfasst 3 380 km, das befestigte Straßennetz 80 000 km; wichtigster internat. Flughafen in Taschkent. Die Städte Samarkand, Buchara und Chiwa sind Hauptanziehungspunkte des internat. Fremdenverkehrs.
Geschichte: Das Gebiet des heutigen U. entspricht weitgehend der histor. Region Transoxanien und gehört zum histor. Großraum Turkestan. Im 2./1. Jt. v. Chr. von iran. Völkern (Baktrer, Choresmier und Sogdier) besiedelt, wurde das Gebiet im 4. Jh. v. Chr. von Alexander d. Gr. erobert und gehörte nach dessen Tod zum Seleukidenreich. Seit der 2. Hälfte des 7. Jh. wurde es von den Arabern beherrscht, im 9. Jh. setzte sich der Islam durch. Die Usbeken, die im frühen 13. Jh. unter mongol. Herrschaft gekommen waren, drangen seit dem 15. Jh. aus der nördl. Steppe in das Gebiet vor und vermischten sich mit der dort lebenden türk. und iran. Bevölkerung. Unter der sunnit. Dynastie der Schaibaniden entstand um 1500 das erste usbek. Reich. Ende des 16. Jh. bildeten sich die selbstständigen Khanate Buchara, Chiwa und Kokand heraus. In den 1860er- und 1870er-Jahren wurde das usbek. Territorium von Russland unterworfen (1865 Eroberung Taschkents, 1867 Bildung des Generalgouv. Turkestan, 1868 Errichtung eines Protektorats über Buchara und 1873 über Chiwa, 1876 Annexion von Kokand).
Nach der Oktoberrevolution wurde aus Teilen der 1918 entstandenen Turkestan. ASSR sowie den 1920 gegründeten Volksrep. Buchara und Choresmien (ehem. Khanat Chiwa) 1924 die Usbek. SSR gebildet, die seit 1925 zur UdSSR gehörte. 1929 wurde aus ihr die Tadschik. SSR ausgegliedert; 1936 ging die Karakalpak. ASSR in ihren Bestand ein. Im Rahmen der stalinschen »Revolution von oben« wurde die islam. Tradition unterdrückt; mit der Zwangskollektivierung ging die forcierte Steigerung der Gewinnung von Baumwolle und deren industrielle Verarbeitung einher (monokulturelle Ausrichtung der Wirtschaft). Der »Großen Tschistka« fielen in den 1930er-Jahren zahlr. einheim. Partei- und Staatsfunktionäre zum Opfer (u. a. MinPräs. F. Chodschajew). In der Nachstalinära beherrschte S. Raschidow (Parteichef 1959-83) die Unionsrepublik. Am 20. 6. 1990 erklärte U. seine Souveränität, am 31. 8. 1991 seine Unabhängigkeit. Unter der Führung von I. Karimow (Staatspräs. seit 1990, im Dez. 1991 im Amt bestätigt) blieb die kommunist. Nomenklatura weitgehend an der Macht. Außenpolitisch v. a. um enge Zusammenarbeit mit der Türkei bemüht, vereinbarte U. mit den anderen mittelasiat. Rep. der GUS im Jan. 1993 eine Wirtschaftsgemeinschaft und schloss sich 1994 dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« an. Die international als undemokrat. eingestuften Parlamentswahlen 1994 waren von der Volksdemokrat. Partei dominiert. Durch Volksabstimmung ließ Präs. Karimow sich 1995 für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen.
Literatur:
Kraft, M.u. Kampe, A.: U. Stuttgart 1994.
Erben der Seidenstraße - U., hg. v. J. Kalter u. M. Pavaloi. Stuttgart u. a. 1995.
Karimow, I.: U. auf dem Wege der Vertiefung der Wirtschaftsreformen. A. d. Usbek. Taschkent 1995.
Eckert, J. M.: Das unabhängige U.: auf dem Weg von Marx zu Timur. Münster 1996.
Götz, R. u. Halbach, U.: Polit. Lexikon GUS. München 31996.
Kaser, M.: The economies of Kazakstan and Uzbekistan. London 1997.
Bohr, A.: Uzbekistan. Politics and foreign policy. London 1998.
Karimow, I.: U. an dfer Schwelle zum 21. Jahrhundert. A. d. Usbek. Düsseldorf 1998.
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