Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Umweltabgaben
Umweltabgaben,vom Staat aus umweltpolit. Motiven Unternehmen und Haushalten auferlegte Abgaben. Der wirtschaftstheoret. Hintergrund der Abgabenlösung ist im Ggs. zu Umweltauflagen und -lizenzen das Marktversagen bei negativen externen Effekten: Volkswirtschaftl. und einzelwirtschaftl. Kosten fallen auseinander, der Marktpreis drückt nicht die Knappheit der Umwelt als Aufnahmemedium von Schadstoffen aus. U. sollen die bislang nicht spürbaren Zusatzkosten internalisieren, dadurch Knappheiten zum Ausdruck bringen und Anreize zur Schadstoffvermeidung schaffen. U. setzen i. Allg. an den spezif. Schadstoffemissionen an, Voraussetzung ist daher deren Messbarkeit. Je weiter die Bemessungsgrundlage der jeweiligen U. von den emittierten Schadstoffmengen entfernt ist, desto geringer wird der Anreiz zur Schadstoffvermeidung sein. Es könnten auch direkte Umweltsubventionen aus allg. Steuermitteln oder Steuervergünstigungen eingesetzt werden. Die Allokationswirkung und umweltpolit. Effizienz wären (bei richtiger Dosierung) gleich, die Verteilungswirkungen hingegen anders als bei der Abgabenlösung.
U. im beschriebenen Sinne sind keine Finanzierungsinstrumente des Staates, sondern dienen der Internalisierung von Kosten (»Internalisierungssteuern«) und der Verhaltenslenkung (»Lenkungsabgaben«). Sie sind keine Steuern im Sinne der Abgabenordnung, weil sie nicht auf Einnahmenerzielung ausgerichtet sind. Von Umweltgebühren wird gesprochen, wenn U. als Preis für die Erlaubnis der Inanspruchnahme von Umweltressourcen interpretiert werden. Die in den letzten Jahren häufiger verwendete Bez. Umweltsteuern (Ökosteuern) wird i. d. R. unterschiedslos angewendet auf U. im beschriebenen Sinne, auf umweltpolit. Modifikationen (Steuermehrbelastungen und -entlastungen) innerhalb des bestehenden, auf Einnahmenerzielung ausgerichteten Steuersystems sowie auf Vorschläge neuer Abgaben, die reine Finanzierungsinstrumente für Umweltschutzmaßnahmen sind ohne eine umweltspezif. (emissionsbezogene) Bemessungsgrundlage. Soweit es sich um Schadstoffemissionen handelt, von denen negative Wirkungen auf das Weltklima (»Treibhauseffekt«) oder regionale Wirkungen (z. B. Smogbildung, saurer Regen) befürchtet werden, wird eine entsprechende Besteuerung dieser Emissionen (v. a. bei der Energieerzeugung durch Verbrennung fossiler Energieträger) auch als Klimaschutzsteuer bezeichnet.U. sind Umweltauflagen insofern überlegen, als es den Betroffenen überlassen bleibt, wie sie reagieren. Unternehmen z. B., deren Grenzkosten der Emissionsvermeidung geringer sind als die U. pro Emissionseinheit, werden ihre Emissionen einschränken, Unternehmen, die Emissionen nur mit sehr hohen Kosten vermeiden können, werden hingegen weiter emittieren und die U. zahlen. Sofern die Abgabe richtig bemessen ist, wird damit das angestrebte Umweltziel mit geringeren volkswirtschaftl. Kosten erreicht als bei für alle Betroffenen einheitl. Umweltauflagen. Nachteilig ist bei U., dass vorher nicht abzusehen ist, ob der gewünschte Umweltstandard erreicht, über- oder unterschritten wird. Ggf. muss daher der Satz der U. mehrfach variiert werden. Zugunsten der U. wird angeführt, dass sich neben der Verbesserung der Umweltqualität ein zweiter Effekt erreichen lasse, wenn ihr Ertrag dazu verwendet werde, bei unverändertem steuerl. Gesamtaufkommen andere, verzerrende Abgaben zu senken. Dieses Argument der »doppelten Dividende« ist nicht unumstritten. Skeptiker befürchten, dass die neu eingeführten U. letztlich nicht zur Senkung anderer Steuern verwendet und in der polit. Praxis dazu missbraucht werden, neue Abschöpfungen von Kaufkraft zugunsten des Staatssektors durchzusetzen. (Energiesteuern)
Literatur:
Reichmann, R.: U. Theoret. Grundlagen, Klassifikationen u. potentielle Wirkungsbrüche. Frankfurt am Main 21996.
Krebs, C., u. a.: Die ökolog. Steuerreform. Basel 1998.
Steuersysteme der Zukunft, hg. v. G. Krause-Junk. Berlin1998.
Wünsche, A.: U. u. Unternehmensbesteuerung. Eine nat. u. internat. Analyse der Belastungs- u. Entscheidungswirkungen. Baden-Baden 1999.
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