Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
UN
UN,Abk. für engl. United Nations (Vereinte Nationen), Abk. UNO für engl. United Nations Organization zur Bez. der »Organisation der UN«, dt. Abk. VN für Vereinte Nationen, frz. Abk. ONU für Organisation des Nations Unies, eine Staatenverbindung zur Sicherung des Weltfriedens und zur Förderung der internat. Zusammenarbeit; 1945 als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet. Die UN sind mit internat. Rechtspersönlichkeit ausgestattet; sie und ihre Beamten genießen besondere Vorrechte und Immunitäten. Ihr Hauptsitz ist New York, daneben Genf und Wien. Zu den UN gehörende Spezialorgane und Sonderorganisationen haben ihren Sitz an versch. Orten. Die Arbeitssprachen sind Englisch und Französisch; offizielle Sprachen sind daneben Russisch, Spanisch, Chinesisch und Arabisch.
Den UN gehören (1999) 185 Mitgl.-Staaten an, d. h. alle Staaten außer Kiribati, Nauru, der Schweiz, Taiwan, Tonga, Tuvalu, Vatikanstadt und Westsahara (DARS); die Mitgliedschaft der Bundesrep. Jugoslawien wurde 1992 suspendiert. Nach der Satzung (Charta) der UN steht die Aufnahme in die UN allen friedliebenden Staaten offen (Universalitätsprinzip), die für sich die Pflichten der Satzung anerkennen. Über die Aufnahme beschließt die Generalversammlung. Ausschluss und Suspendierung eines Mitgl. sind möglich; der Austritt wird für möglich angesehen. Neben der Vollmitgliedschaft gibt es die Mitgliedschaft in Spezialorganen oder Sonderorganisationen.
Ziele der UN sind die Erhaltung des Weltfriedens und der internat. Sicherheit, die friedl. Schlichtung aller Streitigkeiten, die freundschaftl. Zusammenarbeit der Mitgl. sowie der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die UN bekennen sich zu den Grundsätzen Gleichheit der Staaten, Vertragstreue, Verzicht auf Gewaltanwendung in internat. Beziehungen sowie Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Mitgl. sind verpflichtet, die Ziele der UN sowie die von ihnen angeordneten Zwangsmaßnahmen zu unterstützen. In die ihrem Wesen nach zur innerstaatl. Zuständigkeit gehörenden Fragen eines Mitgl.-Staates dürfen die UN nicht eingreifen.
Besondere Aufmerksamkeit widmen die UN dem Schutz der Menschenrechte, so u. a. durch die Menschenrechtskommission, den Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte sowie das Menschenrechtszentrum. Ferner treten die UN für die Fortentwicklung des Völkerrechts, für die Lage der Flüchtlinge und die Verfolgung von Kriegsverbrechen (Kriegsverbrechertribunal) ein. Die erforderl. Maßnahmen zur Friedenssicherung und Konfliktverhütung, bes. nach dem Ende des Kalten Krieges, haben die UN jedoch vor neue vielfältige Aufgaben gestellt. Um den Anforderungen der internat. Gemeinschaft besser gerecht werden zu können und um den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts wirksamer und effizienter zu begegnen, schlug 1997 Gen.-Sekr. Annan deshalb ein Reformprogramm zur Erneuerung der UN vor.Die Hauptorgane der UN sind die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, das Sekretariat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Treuhandrat (Tätigkeit seit 1994 suspendiert) und der Internat. Gerichtshof.In der Generalversammlung (Vollversammlung) treten sämtl. Mitgl. der UN mindestens einmal im Jahr zusammen; sie wählt für jede Tagung ihren Präs. Jedes Land hat eine Delegation von höchstens fünf Mitgl., jedoch nur eine Stimme. Die Generalversammlung kann über alle Gegenstände beraten, die durch die Charta erfasst werden, und über alle Fragen verhandeln, die Zuständigkeit und Funktionen anderer UN-Organe betreffen. Sie kann auch jede Angelegenheit im Bereich der Zuständigkeit des Sicherheitsrats erörtern, die die internat. Sicherheit oder die Aufrechterhaltung des Friedens betrifft. Abstimmungen in »wichtigen Fragen« (z. B. Empfehlungen zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit, die Wahl der nichtständigen Mitgl. des Sicherheitsrates, die Aufnahme oder der Ausschluss von Mitgl.) bedürfen der Zweidrittelmehrheit der Anwesenden; in anderen Fragen genügt einfache Mehrheit. Beschlüsse, die nach außen gerichtet sind, haben den Charakter von Empfehlungen, d. h., sie sind nicht bindend. Ihre Wirkung hängt daher v. a. von der moral. Kraft der öffentl. Weltmeinung ab. Anders verhält es sich mit Beschlüssen, mit denen das Völkerrecht fortgebildet wird oder Fragen der internat. Zusammenarbeit in versch. Bereichen berührt sind. Die Generalversammlung bereitet ihre Beschlüsse z. T. in Ausschüssen oder Unterkommissionen vor, teils arbeitet sie auch mit anderen Organen direkt zusammen.
Der Sicherheitsrat (Weltsicherheitsrat) trägt die Hauptverantwortung für die Einleitung und Durchführung von Verfahren, mit denen internat. Streitigkeiten friedlich beigelegt, friedl. Ausgleich oder eine Politik der friedl. Veränderung herbeigeführt werden sollen. Im Rahmen der Charta sind die Mitgl. seinen Entscheidungen unterworfen. Dem Rat gehören (1999) fünf ständige Mitgl. (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und die VR China) und zehn nichtständige Mitgl. an, die im zweijährigen Wechsel unter Berücksichtigung einer angemessenen geograph. Verteilung von der Generalversammlung gewählt werden. Eine Erweiterung des Gremiums um weitere ständige Mitgl., v.a. um Japan und Dtl., wird erwogen. Die ständigen Mitgl. haben die Möglichkeit, von einem Veto Gebrauch zu machen, mit dem jedes einzelne von ihnen eine Entscheidung des Rates blockieren kann. Nur in Fällen der Friedensgefährdung oder einer bereits eingetretenen Verletzung der Friedenspflicht durch Friedensbruch oder Aggression hat der Sicherheitsrat eine zwingende Anordnungsbefugnis (z. B. Sanktionen oder militär. Zwangsmaßnahmen), sonst gibt auch er nur Empfehlungen ab. Die von der Charta vorgesehene ständige internat. Streitmacht, die in Fällen des Friedensbruchs vom Sicherheitsrat eingesetzt werden kann, konnte bisher nicht bereitgestellt werden; daher können die UN zur Friedenssicherung oder -erhaltung nur militärisch eingreifen oder Beobachter entsenden, wenn einzelne Mitgl. Truppeneinheiten (»Blauhelme«; UN-Friedenstruppe) oder zivile Kommissionen freiwillig zur Verfügung stellen.Das Sekretariat ist das Verw.-Organ der UN. Es steht unter der Leitung des Gen.-Sekr., des höchsten Verw.beamten der UN, der auf Empfehlung des Sicherheitsrats von der Generalversammlung für fünf Jahre gewählt wird (Wiederwahl ist möglich). Der Gen.-Sekr. wie auch der Mitarbeiterstab des Sekretariats sind satzungsgemäß Einflüssen ihrer Heimatländer entzogen. Der Gen.-Sekr. kann Fälle der Friedensbedrohung vor den Sicherheitsrat bringen, fasst im Rahmen seiner Zuständigkeit Beschlüsse im eigenen Ermessen und hat eigene diplomat. Handlungsmöglichkeiten.Der Wirtschafts- und Sozialrat (Economic and Social Council, Abk. ECOSOC) soll den wirtschaftl. und sozialen Fortschritt sowie die umfassende friedl. Zusammenarbeit der Staaten auf allen Gebieten fördern und den Menschenrechten zur Geltung verhelfen. Er ist gegenüber der Generalversammlung verantwortlich, die auch seine 54 Mitgl. wählt (jährlich werden 18 Mitgl. für drei Jahre gewählt). Der Rat kann zu speziellen Problemen Studien anfertigen lassen, allgemeine Empfehlungen geben, internat. Abkommen entwerfen und Staatenkonferenzen einberufen.
Der Treuhandrat (Trusteeship Council) hat als verantwortl. Organ für das Treuhandsystem und die Gebiete ohne Selbstreg. (Mandatsgebiete) nach der Unabhängigkeit des letzten Treuhandgebietes (Palau) 1994 seine Tätigkeit suspendiert.Dem Internat. Gerichtshof in Den Haag, Nachfolgeorgan des Ständigen Internat. Gerichtshofs des Völkerbundes, gehören 15 von der Generalversammlung und vom Sicherheitsrat auf jeweils neun Jahre gewählte Richter an. Der Gerichtshof kann nur von Staaten angerufen werden.Spezialorgane (Unterorgane, Unterorganisationen) sind u. a. das Kinderhilfswerk UNICEF, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), die Welthandelskonferenz (UNCTAD), die Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), das Entwicklungsprogramm der UN (UNDP) sowie das Umweltprogramm (UNEP).
Die Sonderorganisationen sind eigenständige internat., mit Organen der UN durch Abkommen und Koordinierungsorgane verbundene Organisationen. Zu diesen zählen u. a. die Organisation für Bildung, Wiss., Kultur und Kommunikation (UNESCO), die Internat. Arbeitsorganisation (ILO), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internat. Währungsfonds (IMF), die Weltbank, der Weltpostverein, die Internat. Fernmelde-Union (IFO). Mitgl. von Sonderorganisationen können auch Länder sein, die nicht Mitgl. der UN sind. - Die Internat. Atomenergie-Behörde (IAEA) und die Welthandelsorganisation (seit 1996, bis dahin Allg. Zoll- und Handelsabkommen, Abk. GATT) sind autonome Organisationen innerhalb des UN-Verbandes.
Literatur:
Hüfner, K.: Die Vereinten Nationen u. ihre Sonderorganisationen. Strukturen, Aufgaben, Dokumente, 2 Bde. Bonn 31991-92.
Volger, H.: Die Vereinten Nationen. München u. a. 1994.
Das System der Vereinten Nationen u. seine Vorläufer, hg. v. F. Knipping u. a., auf mehrere Bde. ber. Bern 1995 ff.
Vorläufer der Vereinten Nationen, hg. v. F. Knipping. Bern 1996.
Unser, G.: Die UNO. Aufgaben u. Strukturen der Vereinten Nationen. München 61997.
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