Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
tschechische Kunst
tschẹchische Kunst,die Kunst auf dem Territorium der heutigen Tschech. Rep. (Böhmen, Mähren, Mährisch-Schlesien). Von Beginn an war sie geprägt von den versch. Kulturen der auf diesem Gebiet siedelnden zahlr. ethnischen Gruppen.Mittelalter: Erste Zeugnisse mittelalterl. Kunst stammen aus der Zeit des Großmähr. Reiches. Die frühesten erhaltenen Denkmäler der Baukunst aus Stein sind kleine Rundkirchen aus dem 9. Jh.; die 926-929 als Rotunde errichtete Gründungskirche Sankt Veit in Prag war richtungweisend für spätere Zentralbauten. Im 10. Jh. entstanden die ersten Klosterkirchen nach basilikalem Vorbild (Sankt Georg in Prag, um 1000). Ihren Höhepunkt erreichte die mittelalterl. Baukunst mit dem (3.) Neubau des Prager Veitsdoms (1344 begonnen, 1353 von P. Parler fortgeführt). Ein hervorragendes Beispiel spätgot. Baukunst ist der Wladislawsaal im Königspalast der Prager Burg von B. Ried (1493-1502). Bau und Ausstattung der Barbarakirche in Kutná Hora (Kuttenberg; 1388 von Parler begonnen, 1585 vollendet) leiten bereits in die Renaissance über. Zu den bed. Beispielen mittelalterl. Plastik gehören die Przemyslidengrabmäler und Triforienbüsten (1375-85) im Prager Veitsdom, die schon zum neuzeitl. Bildnis überleiten, sowie die Schönen Madonnen (Krumauer Madonna, um 1400). Die Malerei mit hervorragenden frühen Zeugnissen v. a. in Miniaturen und Wandmalereien gelangte wie die Baukunst und Plastik unter Karl IV. zu hoher Blüte (Wandmalereien im Emmauskloster in Prag, nach 1360). Tommaso da Modena und Theoderich von Prag malten auf der Burg Karlstein, der Meister von Hohenfurth und der Meister von Wittingau in S-Böhmen. Bedeutendster Maler der Spätgotik in Böhmen war der Meister des Altars von Leitmeritz (um 1500).Renaissance: Die italien. Renaissancearchitektur hatte wesentl. Einfluss auf die Profanbauten (Belvedere in Prag, 1538 ff.). Malerei und Plastik wurden z. Z. des Manierismus bes. gefördert unter Rudolf II., für den u. a. G. Arcimboldo, H. von Aachen, J. Heintz d. Ä., B. Spranger und A. de Vries tätig waren.Barock: Die Architektur wurde tief greifend mitgeprägt von italien. Baumeistern wie C. Lurago, G. B. Alliprandi und G. Santini (Sankt-Johannes-Nepomuk-Wallfahrtskirche auf dem Grünen Berg bei Zd'ár nad Sázavou, [1719-22]), von den Wiener Architekten J. B. Fischer von Erlach (Palais Clam-Gallas in Prag, 1713-19) und J. L. Hildebrandt sowie von Mitgl. der süddt. Baumeisterfamilie Dientzenhofer (Nikolauskirche auf der Kleinseite in Prag, 1703-11 und 1737-53). Die Bildhauerkunst gipfelte in den expressiven Schöpfungen M. Brauns und im eher realist. Werk F. M. Brokoffs. Die Malerei hatte ihre bedeutendsten Vertreter in K. Škréta Šotnovský, J. C. Liška, J. Kupecký und P. J. Brandl. W. L. Reiner und N. Grund öffneten sich den Einflüssen des Rokoko.19./20. Jh.: Im 19. Jh. setzte mit monumentalen Historienbildern sowie patriot. Landschaften (A. Mánes) eine nat. Strömung ein. J. Mánes ist der Hauptvertreter einer romant. Richtung. J. Navrátils Werke tragen impressionist. Züge. J. Čermák, K. Purkyné und V. Barvitius orientierten sich v. a. am frz. Realismus. Den Höhepunkt nat. betonter Kunst bildete der Bau des Prager Nationaltheaters (1868-78, von J. von Zítek; Ausstattung u. a. durch die Maler A. Chittussi, M. Aleš, V. Brožík, den Bildhauer J. V. Myslbek). A. Mucha erlangte internat. Anerkennung mit Jugendstilplakaten. Von Symbolismus bzw. Jugendstiltendenzen geprägt sind u. a. die frühen Bilder M. Švabinskýs, J. Preislers sowie die frühen Skulpturen J. Štursas. Als Begründer der modernen tschech. Architektur gilt J. Koteřa. Die Architekten J. Chochol, J. Gočár und P. Janák setzten sich mit dem Kubismus auseinander und wandten sich schließlich neben E. Fuchs, J. Havliček und J. Krejcar dem Funktionalismus zu. Zu den bed. Architekten, die nach 1945 hervortraten, gehören J. Šrámek, Alena Šrámková, J. Bočan. In der Malerei setzten sich E. Filla, A. Procházka, B. Kubišta, V. Špála und J. Čapek, in der Plastik O. Gutfreund mit dem Kubismus auseinander. F. Kupka war in Paris an der Entwicklung einer orphist. abstrakten Malerei beteiligt. Aus Mitgl. der 1920 gegr. avantgardist. Künstlervereinigung »Devětsil« (u. a. Toyen, J. Štyrský, F. Muzika) entstand 1934 die Prager Surrealistengruppe. Die Bildhauer V. Makovský, Hana Wichterlová und J. Wagner traten in den 30er-Jahren mit abstrakten Plastiken hervor. Sozial und politisch engagierte Bilder schufen u. a. die Mitgl. der 1939 gegründeten Gruppe »Sieben im Oktober« sowie der 1942 gebildeten »Gruppe 42« (František Gross, * 1909; František Hudeček, * 1909, ✝ 1990; Kamil Lhoták, * 1912, ✝ 1990). Bedeutung für das Gegenwartsschaffen erlangten u. a. die Maler und Grafiker Josef Istler (* 1919), Mikuláš Medek (* 1926, ✝ 1974), Theodor Pištěk (* 1932), Jiři Anderle (* 1936), Jiři Kolář (* 1914), Jiři Sopko (* 1942), Ivan Ouhel (* 1945), Vladimir Novák (* 1947), Václav Bláha (* 1949), die Künstlerin Adriena Simotová (* 1926), die Bildhauer Vladimir Janoušek (* 1916, ✝ 1986), Karel Malich (* 1924), Magdalena Jetelová (* 1946), Kurt Gebauer (* 1941), Petr Oriešek (* 1941), Jiři Beránek (* 1945), Jiři Sozanský (* 1946).
▣ Literatur:
J. Sevcíková Zweiter Ausgang. Tschech. u. slowak. Künstler, Redaktion:u. J. Sevcík, Ausst.-Kat. Ludwig-Forum für Internat. Kunst, Aachen 1993.
▣ Literatur:
J. Sevcíková Zweiter Ausgang. Tschech. u. slowak. Künstler, Redaktion:u. J. Sevcík, Ausst.-Kat. Ludwig-Forum für Internat. Kunst, Aachen 1993.