Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Turkmenistan
Turkmenistan Fläche: 488 100 km2
Einwohner: (1997) 4,23 Mio.
Hauptstadt: Aschchabad (turkmen. Ašgabad)
Verwaltungsgliederung: 5 Regionen
Amtssprache: Turkmenisch
Nationalfeiertag: 27. 10.
Währung: 1 T.-Manat (TMM) = 100 Tenge
Zeitzone: MEZ + 3 Std.
(Turkmenien, amtlich turkmen. Turkmenostan Respublikasy; dt. Rep. T.), Staat im SW Mittelasiens, grenzt im W an das Kasp. Meer, im NW an Kasachstan, im N und O an Usbekistan, im S an Afghanistan, im SW an Iran.
Staat und Recht: Nach der Verf. vom 18. 5. 1992 ist T. eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt und oberster Inhaber der Exekutive (Reg.chef) ist der mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Präs. (auf fünf Jahre direkt gewählt). Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Madjlis; 50 Abg., auf fünf Jahre gewählt). Daneben existiert seit 1992 ein Volksrat (Khalk maslakhati; 250 Mitgl.), der für bestimmte staatspolit. Grundsatzentscheidungen zuständig ist. Dominierende Partei ist die Demokrat. Partei T.s (Nachfolgeorganisation der KP). Daneben existieren die Bäuerl. Gerechtigkeitspartei sowie bisher nicht zugelassene Oppositionsbewegungen, darunter die Volksfront Agzybirlik (»Einstimmigkeit«), die überregional strukturierte Islam. Partei der Wiedergeburt.
Landesnatur: T. erstreckt sich zwischen Kasp. Meer im W und Amudarja im O und SO. Es wird überwiegend vom Tiefland von Turan eingenommen, besteht größtenteils aus der Wüste Karakum und liegt 100-200 m ü. M., in den Niederungen am Kasp. Meer bis 81 m u. M. Im SW hat T. Anteil am Kopet Dagh (bis 2 942 m ü. M.). Im N breitet sich das Ust-Urt-Plateau aus; im SO reichen Ausläufer des Hissar-Alai-Systems (bis 3 139 m ü. M.) hinein. Das Klima ist extrem kontinental, mit heißen, trockenen Sommern und relativ milden Wintern; Niederschläge 75-150 mm im Tiefland, bis 400 mm im südl. Bergland. In der Karakum spärl. Vegetation; an den Flüssen Galeriewälder, im Gebirge nur Steppen; durch Bewässerung (bes. Karakumkanal) entstanden Gebirgsfußoasen.
Bevölkerung: Sie setzt sich (1995) aus 77 % Turkmenen, 9 % Usbeken, 7 % Russen, 2 % Kasachen, 1 % Tataren und 1 % Ukrainern zusammen, ferner Aserbaidschaner, Armenier und Belutschen. Mit einer Bev.-Dichte von 8,7 Ew. je km2 gehört T. zu den am geringsten besiedelten GUS-Staaten Mittelasiens. Am dichtesten (100 bis 200 Ew. je km2) sind die Oasen im Vorland des Kopet-Dag, die Gebiete am Unterlauf von Tedschen und Murgab, das Tal des Amudarja und die am Karakumkanal gelegenen Gebiete besiedelt. 45 % der Bewohner leben in Städten; starke Zuwanderung aus anderen Gebieten der früheren Sowjetunion. - Die allg. Schulpflicht beträgt 8-10 Jahre. T. hat eine Akad. der Wiss. und eine Univ. in Aschchabad (gegr. 1950). - Es besteht Religionsfreiheit. Staat und Religion sind nach der Verf. getrennt. Die dominierende Religion ist der sunnit. Islam, dem nominell über 85 % der Bev. zugerechnet werden; eine schiit. Minderheit besteht unter den über 30 000 Aserbaidschanern. Der Anteil der Christen an der Bev. beträgt nach kirchl. Angaben etwa 4 %; sie gehören zur russisch-orth., armen., kath., wenige zur evang. Kirche.
Wirtschaft, Verkehr: Innerhalb der sowjet. Wirtschaft war T. v. a. Rohstofflieferant von Baumwolle und Brennstoffen (Erdgas und Erdöl), was die Entwicklung einer differenzierten Ind. und Landwirtschaft verhinderte. Langsam erfolgt eine marktwirtsch. Umstrukturierung. Knapp drei Viertel der landwirtschaftl. Wertschöpfung erbringt der Ackerbau, obwohl von der landwirtschaftl. Nutzfläche (nach offiziellen Angaben zwei Drittel der Landesfläche) nur 3 % auf Ackerland, aber 96 % auf Weideland entfallen. Der Ackerbau ist auf Bewässerung angewiesen; der dadurch entstehende hohe Wasserverlust aufgrund der maroden Bewässerungskanäle (am längsten der Karakumkanal in der Karakum) und die zunehmende Versalzung der Böden führen jedoch zu ökolog. Schäden. Der hohe Mineraldüngereinsatz verursacht ebenso wie die Ableitung ungeklärten Wassers mit einhergehender Grundwasserverseuchung Gesundheitsschäden in der Bev. Der Anbau ist monokulturartig auf die Baumwolle ausgerichtet. Die Erträge aus Getreide-, Gemüse- und Obstanbau decken nicht den Nahrungsbedarf der Bevölkerung. Wichtigster Bereich nach dem Baumwollanbau ist die Viehwirtschaft (bes. Karakulschafzucht; Kamelhaltung), Bedeutung hat auch die Seidenraupenzucht. T. besitzt umfangreiche Vorkommen an Erdgas (zugängl. Vorräte 4,5 Billionen m3) und Erdöl (6,3 Mrd. t) im Kaspigebiet und in der Karakum, die in großem Umfang genutzt werden. Etwa 90 % der Deviseneinnahmen erbringt die Erdgasförderung, die zu 80 % in dem Lagerstättenbereich Dauletobad-Dolmes erfolgt. Über zwei Drittel des Erdöls werden in den Lagerstätten Kotur-Tepe und Barsa-Helmes gefördert; unter Mithilfe ausländ. Unternehmen (bes. Japan, USA und Türkei) werden weitere Erdöl- und Erdgaslagerstätten im Festlandssockel des südl. Kasp. Meeres sowie im Festlandsbereich erschlossen. Die Förderung anderer Bodenschätze wie Natriumsulfat, Schwefel, Baryt und Bentonit sowie von Gold sind von untergeordneter Bedeutung. Hauptind.zweige sind traditionell die Textil- (bes. Teppichherstellung) und Nahrungsmittelind.; nach 1930 entwickelten sich petrochem., chem., Baustoffind., Metallverarbeitung und Maschinenbau. Exportiert werden neben Erdöl und -gas v. a. Baumwolle, Naturseide, Karakulfelle, Teppiche, Häute, chem. Rohstoffe, importiert werden Maschinen, Ind.ausrüstungen, Fahrzeuge, Nahrungsmittel u. a. Konsumgüter. Haupthandelspartner sind Russland u. a. GUS-Rep., Türkei und Iran. - Das Eisenbahnnetz umfasst 2 190 km (seit 1996 neue Eisenbahnlinie von Tedschen nach Meschhed in Iran), das Straßennetz 23 000 km; etwa 700 km Binnenwasserstraßen auf dem Amudarja und Karakumkanal; Haupthafen Turkmenbaschi . Internat. Flughafen bei Aschchabad.
Geschichte: Im Altertum gehörte das Territorium von T. zum pers. Großreich der Achaimeniden. Im 7./8. Jh. wurde T. von den Arabern erobert. Seit dem 8. Jh. drangen die Vorfahren der Turkmenen, die türk. Ogusen, in das Gebiet vor und wurden im 10. Jh. islamisiert (etwa seitdem als Turkmenen bezeichnet). Im 13. Jh. fielen die Mongolen in T. ein. Nach dem Zerfall der Goldenen Horde kamen die nomadisch lebenden Turkmenen seit dem 16. Jh. teilweise unter die Herrschaft der Khanate Buchara und Chiwa, teils unter pers. Oberhoheit. Im letzten Drittel des 19. Jh. unterwarf Russland mehrere turkmen. Stämme (1881 Eroberung der turkmen. Festung Gök-Tepe, 1884 Einnahme von Merw) und unterstellte sich das »Transkaspien« gen. Gebiet; ein Teil der Turkmenen verblieb bei Buchara und Chiwa. 1916 beteiligten sich die Turkmenen am zentralasiat. Aufstand gegen die russ. Verwaltung.
Nach der Oktoberrevolution leisteten sie erbitterten Widerstand gegen die Errichtung der bolschewist. Herrschaft, die in T. erst 1920 durchgesetzt werden konnte. 1918-24 war T. Bestandteil der Turkestan. ASSR. Im Okt. 1924 wurde aus einem Teil von dieser sowie aus Gebieten der Sowjetrep. Buchara und Choresm die Turkmen. SSR gebildet. Ende der 1920er-/Anfang der 1930er-Jahre wurde die mit der zwangsweisen Sesshaftmachung der Nomaden verbundene Kollektivierung der Landwirtschaft durchgeführt.
Die von M. Gorbatschow 1985 eingeleitete Politik der Perestroika wirkte sich in T. kaum aus. Dem Beispiel anderer Unionsrep. folgend, erklärte T. am 22. 8. 1990 seine Souveränität innerhalb der Sowjetunion und nach einem Referendum am 27. 10. 1991 seine Unabhängigkeit (Umbenennung in Rep. T.). Die Ende 1991 aus der KP hervorgegangene Demokrat. Partei T.s konnte sich die Macht sichern. Im Dez. 1991 trat T. der GUS bei, im März 1992 wurde es Mitgl. der UN. Nach Annahme einer neuen Verf. (18. 5. 1992), die ein Präsidialsystem mit weitgehend autoritären Strukturen festschrieb, wurde Staatspräs. S. Nijasow (im Amt seit 1990) im Juni 1992 wieder gewählt. Im Jan. 1993 vereinbarte T. mit den anderen zentralasiat. GUS-Rep. eine Wirtschaftsgemeinschaft. 1994 vereinbarten T. und Iran den Bau einer Erdgaspipeline durch Iran. In einer Volksabstimmung ließ sich Präs. Nijasow 1995 bis zum Jahr 2002 im Amt bestätigen.
Literatur:
Dzikiev, A.: Das turkmen. Volk im Mittelalter. A. d. Russ. Berlin 1994.
Götz, R. u. Halbach, U.: Polit. Lexikon GUS. München 31996.
Mittelasien. Die Entwicklung in Tadschikistan, Usbekistan, T. u. Kyrgysstan seit der Unabhängigkeit, bearb. v. M. Marsall. Sankt Augustin 1996.
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