Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tuberkulose
Tuberkulose[lat.-grch.] die, Abk. Tb, Tbc, Tbk, i. d. R. zyklisch-chronisch verlaufende, meldepflichtige Infektionskrankheit, hervorgerufen durch das Tuberkelbakterium (Mycobacterium tuberculosis). Die Übertragung der T. erfolgt meist durch Tröpfcheninfektion, die Ausbreitung je nach Organstruktur vom Erstherd aus durch schrittweises Vordringen innerhalb des gleichen Gewebes, durch Einbruch in Organkanäle (z. B. in den Bronchialbaum), durch Einbruch in die Lymphbahn oder durch Verschleppung mit dem Blut. Aus Kavernen in der Lunge kann tuberkulöses Material nicht nur in die Bronchien, sondern auch in den Brustfellraum (tuberkulöse Rippenfellentzündung) gelangen. Die Verschleppung auf dem Blutweg streut meist bes. weit, die Ausbreitung auf dem Lymphweg wird unter Lymphknotenbeteiligung in den Lymphknotenfiltern aufgehalten (Lymphknoten-T.). Häufigster Sitz der Erkrankung ist die Lunge.Die Lungen-T. verläuft in der Regel chronisch. Erstes Stadium (Primär-T.): 5-6 Wochen nach dem ersten Kontakt entsteht eine Überempfindlichkeit gegen die Bakteriengifte, die Tuberkulinprobe ist positiv. In der Lunge kommt es meist im Oberlappen zu einer kleinen Einschmelzung oder einer tuberkulösen Verkäsung (Primärherd). Von dort gelangen die Tuberkelbakterien mit der Lungenlymphe in die zugehörigen Hiluslymphknoten an der Lungenpforte, die ebenfalls käsig zerfallen. Die Kombination von Parenchym- und Lymphknotenherd ist der typ. Ausdruck der tuberkulösen Primärinfektion (tuberkulöser Primärkomplex). Es kommt u. a. zu uncharakterist. Unwohlsein mit leichtem Husten, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopf- und Brustschmerzen sowie geringem Temperaturanstieg. Das zweite Stadium der Lungen-T., das ggf. lange Zeit nach der Primärinfektion auftritt, wird durch die Aussaat von Tuberkelbakterien über die Lymphe in die Blutbahn geprägt. Sie können sich wieder in der Lunge absiedeln, mit dem Blut aber auch in den Körper ausgeschwemmt werden. Dort entstehen durch die Gewebsreaktion die hirsegroßen, später auch im Röntgenbild sichtbaren Tuberkel (Miliar-T.). Die Krankheitserscheinungen sind hohes Fieber, Husten, Atemnot, Kopfschmerz, Erbrechen, Blausucht und Atembeschwerden. Am häufigsten sind neben der Lunge Leber und Milz befallen. Beim dritten Stadium kommt es infolge verminderter Abwehrkraft zum Wiederaufflammen alter, ruhender T.-Herde. Diese Reaktivierung der Lungen-T. geht meist von einem walnussgroßen, nach der früheren Aussaat zunächst inaktiven Herd unterhalb des Schlüsselbeins aus (Frühinfiltrat). Schmilzt das Lungengewebe erst ein und entsteht durch Entleerung eine Frühkaverne, so verläuft der Heilungsprozess langwierig. Unter starkem Husten wird jetzt oft bröckeliger, manchmal auch blutiger Auswurf mit ansteckungsfähigen Erregern entleert (offene T.). In diesem Stadium kann es auch zu stärkeren Blutungen (Blutsturz) kommen. Es entsteht schließlich eine käsige Lungenentzündung, die mit hohem Fieber und schwerer Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes verbunden ist (galoppierende Schwindsucht).Neben der Lunge befällt die T. u. a. auch die Nieren, die Haut, die Gelenke (Gelenkkrankheiten) und die Knochen. Die Nieren-T. (Nierenphthisis) befällt zuerst die Nierenrinde, dann das Nierenmark und die ableitenden Harnwege. Die häufigste Form der Haut-T. (Tuberculosis cutis) ist der Lupus vulgaris (fressende Flechte, Hautwolf). Er tritt v. a. im Bereich des Gesichts oder der Gliedmaßen in Form stecknadelkopf- bis linsengroßer, kaum erhabener, braunroter Knötchen auf. Diese zerfallen im Laufe der Zeit und es entstehen entstellende Verstümmelungen. Das Skrofuloderm (Schwindbeule) besteht aus blauroten Knoten unter der Haut, die sich v. a. im Bereich des Halses aus befallenen Lymphknoten entwickeln; sie können eitrig verschmelzen, nach außen durchbrechen und heilen dann unter starker Narbenbildung ab. Bei der Knochen-T. ist das Blut bildende Knochenmark (Wirbelkörper, Röhrenknochen) betroffen. Nach Ausbildung eines tuberkulösen Granulationsgewebes folgt meist eine Verkäsung mit eitriger Einschmelzung des Herdes mit Knochenzerstörung. Die Genital-T. befällt beim Mann in erster Linie Vorsteherdrüse und Nebenhoden. Der Hoden wird seltener, meist erst im späten Stadium, von dem Nebenhoden aus beteiligt. Die männl. Genital-T. führt häufig zur Sterilität, auch zur Organzerstörung. Bei der Frau handelt es sich in rd. 80 % der Fälle um eine T. der Eileiter, die auf die Eierstöcke und die Gebärmutter übergreifen kann und häufig auch das Bauchfell befällt. Durch Verklebung der Eileiter und Zerstörung oder narbigen Umbau der Gebärmutterschleimhaut kommt es fast immer zur Sterilität. - Die Behandlung erfolgt mit Chemotherapeutika und Antibiotika (Tuberkulostatika).
Literatur:
Voigt, J.: T. Geschichte einer Krankheit. Köln 1994.
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