Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tschernobyl
Tschernọbyl(ukrain. Tschornobyl), Stadt im Gebiet Kiew, Ukraine, am Pripjet, nahe seiner Mündung in den Kiewer Stausee des Dnjepr. - Am 26. 4. 1986 ereignete sich im Block 4 des Kernkraftwerkes (insgesamt vier Blöcke mit je 1 000 MW elektr. Leistung), einem graphitmoderierten Druckröhrenreaktor (Kernreaktor), der bislang folgenschwerste Reaktorunfall. Während eines Tests an den Turbogeneratoren des Blocks 4 kam es unter veränderten Betriebsbedingungen des Reaktors infolge eines sekundenschnellen, nicht mehr beeinflussbaren Leistungsanstiegs zu mehreren Dampfexplosionen und Bränden, die den Reaktor vollkommen zerstörten. Dabei wurden 3-4 % des radioaktiven Inventars freigesetzt (rd. 6,5 · 1015 kBq). Etwa 200 unmittelbar beteiligte Personen erhielten eine effektive Äquivalentdosis von mehreren Sievert (Sv). Rd. 135 000 Personen aus der 30-km-Zone um das Kernkraftwerk wurden in den ersten Tagen nach der Katastrophe evakuiert. Die Zahl der erhebl. Strahlenbelastungen (rd. 1 Sv) ausgesetzten Menschen (insbesondere die zu Aufräumarbeiten herangezogenen sog. »Liquidatoren«) wurde auf mehr als 600 000 geschätzt. Da präzise Gesundheitsstatistiken fehlen, ist eine zuverlässige Bewertung der aufgetretenen Fälle von Krebserkrankungen, Missbildungen u. a. Körperschäden nur schwer möglich. Nach Reg.-Angaben starben in der Ukraine 1986-94 125 000 Menschen an Strahlenkrankheiten.
In Regionen der Ukraine, Weißrusslands und Russlands sind Gebiete mit einer Fläche von insgesamt etwa 25 000 km2 und einer Bev. von rd. 1 Mio. Menschen durch radioaktiven Fall-out, v. a. des Radionuklids Cäsium 137 (Halbwertszeit 30,1 Jahre), mit mehr als 185 (bis über 1 480) kBq/m2 langfristig kontaminiert. Weite Teile Europas (v. a. Finnland, Schweden, Polen und Rumänien) wurden radioaktiv belastet. In Dtl. lag im S und SO eine größere Bodenkontamination vor als im N und W (München etwa 35 kBq/m2), die Belastung ging aber nach wenigen Jahren auf die Werte der natürl. Radioaktivität zurück. - Teile des Kernkraftwerkes, dessen havarierter Reaktorblock zur Isolierung von einem Mantel (»Sarkophag«) aus Stahl und Beton eingeschlossen wurde, nahm man bereits 1986 wieder in Betrieb. Wiederholte Beschlüsse der ukrain. Reg., das Kraftwerk stillzulegen, wurden bislang nicht realisiert.
▣ Literatur:
Medwedew, G.: Verbrannte Seelen. Die Katastrophe von T. A. d. Russ. München u. a. 1991.
⃟ Der T.-Schock. Zehn Jahre nach dem Super-GAU, hg. v. K.-H. Karisch u. J. Wille. Frankfurt am Main 1996.
Tschernọbyl(ukrain. Tschornobyl), Stadt im Gebiet Kiew, Ukraine, am Pripjet, nahe seiner Mündung in den Kiewer Stausee des Dnjepr. - Am 26. 4. 1986 ereignete sich im Block 4 des Kernkraftwerkes (insgesamt vier Blöcke mit je 1 000 MW elektr. Leistung), einem graphitmoderierten Druckröhrenreaktor (Kernreaktor), der bislang folgenschwerste Reaktorunfall. Während eines Tests an den Turbogeneratoren des Blocks 4 kam es unter veränderten Betriebsbedingungen des Reaktors infolge eines sekundenschnellen, nicht mehr beeinflussbaren Leistungsanstiegs zu mehreren Dampfexplosionen und Bränden, die den Reaktor vollkommen zerstörten. Dabei wurden 3-4 % des radioaktiven Inventars freigesetzt (rd. 6,5 · 1015 kBq). Etwa 200 unmittelbar beteiligte Personen erhielten eine effektive Äquivalentdosis von mehreren Sievert (Sv). Rd. 135 000 Personen aus der 30-km-Zone um das Kernkraftwerk wurden in den ersten Tagen nach der Katastrophe evakuiert. Die Zahl der erhebl. Strahlenbelastungen (rd. 1 Sv) ausgesetzten Menschen (insbesondere die zu Aufräumarbeiten herangezogenen sog. »Liquidatoren«) wurde auf mehr als 600 000 geschätzt. Da präzise Gesundheitsstatistiken fehlen, ist eine zuverlässige Bewertung der aufgetretenen Fälle von Krebserkrankungen, Missbildungen u. a. Körperschäden nur schwer möglich. Nach Reg.-Angaben starben in der Ukraine 1986-94 125 000 Menschen an Strahlenkrankheiten.
In Regionen der Ukraine, Weißrusslands und Russlands sind Gebiete mit einer Fläche von insgesamt etwa 25 000 km2 und einer Bev. von rd. 1 Mio. Menschen durch radioaktiven Fall-out, v. a. des Radionuklids Cäsium 137 (Halbwertszeit 30,1 Jahre), mit mehr als 185 (bis über 1 480) kBq/m2 langfristig kontaminiert. Weite Teile Europas (v. a. Finnland, Schweden, Polen und Rumänien) wurden radioaktiv belastet. In Dtl. lag im S und SO eine größere Bodenkontamination vor als im N und W (München etwa 35 kBq/m2), die Belastung ging aber nach wenigen Jahren auf die Werte der natürl. Radioaktivität zurück. - Teile des Kernkraftwerkes, dessen havarierter Reaktorblock zur Isolierung von einem Mantel (»Sarkophag«) aus Stahl und Beton eingeschlossen wurde, nahm man bereits 1986 wieder in Betrieb. Wiederholte Beschlüsse der ukrain. Reg., das Kraftwerk stillzulegen, wurden bislang nicht realisiert.
▣ Literatur:
Medwedew, G.: Verbrannte Seelen. Die Katastrophe von T. A. d. Russ. München u. a. 1991.
⃟ Der T.-Schock. Zehn Jahre nach dem Super-GAU, hg. v. K.-H. Karisch u. J. Wille. Frankfurt am Main 1996.