Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tschechoslowakei
Tschechoslowakei(tschech. und slowak. Československo, amtl. 1918-39 und 1945-60 Tschechoslowak. Rep., Abk. ČSR, 1960-89 Tschechoslowak. Sozialist. Rep., Abk. ČSSR, 1990-92 Tschech. und Slowak. Föderative Rep., Abk. ČSFR), ehem. Bundesstaat in Mitteleuropa, 1918-92 bestehend aus den heutigen Staaten Tschechische Republik und Slowakische Republik.
⃟ Geschichte Seit 1848 wandte sich die Nationalbewegung der Tschechen in Böhmen und Mähren (zunächst »Alttschechen« unter F. Palacký, später »Jungtschechen«) gegen die österr., der Slowaken in der Slowakei (aber auch starke Emigration in die USA) gegen die ungar. Herrschaft. Noch vor dem Zerfall Österreich-Ungarns schloss T. G. Masaryk am 30. 5. 1918 mit Vertretern der slowak. Emigration in Pittsburgh einen Vertrag über den staatlichen Zusammenschluss der beiden Nationen (Pittsburgher Abkommen). Die erste Republik (1918-39): Am 29. 10. 1918 wurde die Tschechoslowak. Rep. (ČSR) in Prag ausgerufen und von der Pariser Friedenskonferenz am 10. 9. 1919 im Vertrag von Saint-Germain-en-Laye bestätigt. Sie umfasste die wirtsch. und sozial entwickelten Gebiete der heutigen Tschech. Rep., die rückständige Slowakei (einschl. Zips) und die unterentwickelte Karpato-Ukraine (als Karpato-Russland, tschech. Podkarpatská Rus; ab Juni 1919). Am 29. 2. 1920 verabschiedete eine Provisor. Nationalversammlung ohne Mitwirkung der Minderheitenvertreter eine nach frz. Vorbild ausgearbeitete zentralist. parlamentarisch-demokrat. Verf.; Gründerpräs. T. G. Masaryk (1918-35) und sein langjähriger Außenmin. und Nachfolger E. Beneš (1935-38) bemühten sich, dem in das frz. Paktsystem (1924) und die Kleine Entente (1921) einbezogenen, ab 1935 auch mit der UdSSR verbundenen Nationalitätenstaat ein Höchstmaß an außen- und innenpolit. Kontinuität zu geben. Letztlich blieben aber die Nationalitätenprobleme ungelöst. Bes. die von K. Henlein gegr. Sudetendt. Heimatfront (ab April 1935: Sudetendt. Partei) verlangte nach ihrem Wahlerfolg im Mai 1935 eine Föderalisierung der ČSR. Gegen Hitlers Entschlossenheit, die von Sudetendeutschen bewohnten Randgebiete dem Dt. Reich einzugliedern (Sudetenkrise, April-Sept. 1939; Runciman-Bericht), blieb die Prager Reg. machtlos. Nach der Zustimmung der brit. und frz. Reg. im Münchener Abkommen (29. 9. 1938) war die T. zur Abtretung der dt., bald danach der poln. (der Rest des 1920 geteilten Olsagebiets um Teschen; Okt. 1938 von Polen besetzt) und der ungar. Siedlungsgebiete (Randgebiete der südl. Slowakei) sowie des Großteils der Karpato-Ukraine (1. Wiener Schiedsspruch, 2. 11. 1938) an die Nachbarstaaten gezwungen. Staatspräs. Beneš trat im Okt. 1938 zurück; Nachfolger wurde im Nov. E. Hácha. Nach dem Einmarsch der dt. Truppen am 15. 3. 1939 gliederte Hitler das Restgebiet als »Protektorat Böhmen und Mähren« dem Dt. Reich an (Erlass Hitlers vom 16. 3. 1939); am 14. 3. 1939 war unter dt. Schutz (daher »Schutzstaat«) die Selbstständigkeit der Slowakei proklamiert worden (Vertrag vom 23. 3. 1939); März/Juni 1939 fiel auch der Rest der Karpato-Ukraine an Ungarn. Das Protektorat Böhmen und Mähren und der Schutzstaat Slowakei (1939-45): Dem Protektorat wurde eine autonome Selbstverw. mit einem Präs. (E. Hácha) und eine eigene Reg. unter strikter Oberaufsicht des Reichsprotektors (K. Freiherr von Neurath, W. Frick) zugestanden. Erst nach der »Vergeltungsaktion« für das Attentat auf R. Heydrich (17. 5. 1942), der Zerstörung des Dorfes Lidice, begann ein stärkerer Widerstand gegen die nat.-soz. Willkürherrschaft, unter der v. a. die Juden zu leiden hatten. - Im Schutzstaat Slowakei versuchten die Reg. J. Tiso und V. Tuka (Okt. 1938 bis Sept. 1944) die Möglichkeiten einer wirtsch. und kulturellen Entfaltung zu nutzen. 1943 schlossen sich im Untergrund »tschechoslowakisch« ausgerichtete Politiker mit den Kommunisten zusammen und lösten am 29. 8. 1944 den Slowak. Nationalaufstand aus (erst Okt. 1944 von dt. Truppen niedergeschlagen). - E. Beneš bildete im Herbst 1939 in London ein Tschechoslowak. Nationalkomitee, das am 23. 7. 1940 die vorläufige Anerkennung als »Provisor. Reg. der T.« durch die Alliierten erhielt. Am 11. 12. 1940 konstituierte sich ein von Beneš ernannter Staatsrat als Exilparlament (u. a. 1943 Vertrag mit der UdSSR). »Volksdemokratie« und kommunist. Herrschaft (1945/46-89): 1945 wurde die T. in ihrem Gebietsstand von 1937 wiederhergestellt, nur die Karpato-Ukraine fiel an die UdSSR (Transkarpatien). Am 5. 4. 1945 proklamierte die von dem Sozialdemokraten Z. Fierlinger geführte neue Reg. ein Programm, das v. a. die Errichtung eines Wohlfahrtsstaates und die Verstaatlichung der Grundind. sowie der Banken und Versicherungen ankündigte; am 4. 5. 1945 wurde Beneš Präs. der »Zweiten Rep.«. Die rasche und z. T. brutale Aussiedlung der Sudetendeutschen (u. a. Massaker von Aussig, 31. 7. 1945) und Karpatendeutschen sowie der Ungarn (seit Mai 1945 nach den sog. Beneš-Dekreten) erschütterte das bisherige Sozialgefüge. Dank ihrer Kontrolle der Schlüsselministerien und der Massenmedien stieg die KP zur stärksten polit. Kraft auf (Wahlen vom 26. 5. 1946). Der durch die UdSSR im Sommer 1947 erzwungene Verzicht auf die Teilnahme an der Marshallplanhilfe gefährdete den wirtsch. Wiederaufbau. Nach dem Scheitern der von Staatspräs. Beneš, einen konstruktiven Modus Vivendi mit der UdSSR zu erreichen, versuchten die demokrat. Parteien im Herbst 1947, die KP aus ihrer dominierenden Stellung zu verdrängen. Den Rücktritt bürgerl. Min. nutzend, erzwang die KP im Febr. 1948 die Bildung einer neuen Reg. unter K. Gottwald und übernahm die alleinige Macht. Beneš trat am 7. 6. 1948 zurück, Gottwald wurde sein Nachfolger.
Unter Abbau der der Slowakei 1945 urspr. zugestandenen Autonomie ging die KP daran, die gesamte Staatsorganisation nach dem Vorbild der UdSSR zu ordnen (u. a. 9. 5. 1948 Annahme einer Verf. nach sowjet. Vorbild; 27. 6./27. 9. 1948 Vereinigung der Sozialdemokraten mit der KP). Nach der Übernahme des sowjet. Planungsmodells für die Volkswirtschaft geriet die ČSR (1960 in ČSSR umbenannt) mit dem Beitritt zum RGW (1949) auch ökonomisch in starke Abhängigkeit von der UdSSR. Dem Kampf gegen die Kirchen 1949-51 folgten stalinist. Säuberungen innerhalb der KP, denen u. a. Gen.-Sekr. R. Slánský in einem Schauprozess zum Opfer fiel (Okt.-Dez. 1952). - Der zunehmend erstarkende reformer. Flügel im ZK der KP (O. Šik, O. Černík, A. Dubček, J. Smrkovský u. a). einigte sich am 5. 1. 1968 auf Dubček als Nachfolger von Staatspräs. A. Novotný (1957-68) als KP-Chef; Staatspräs. wurde im März 1968 L. Svoboda. Die nun folgende Reformphase des sog. Prager Frühlings führte zu bed. Ansätzen einer Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft (»Sozialismus mit menschl. Antlitz«), wobei jedoch das Bündnis mit der UdSSR nicht infrage gestellt wurde. Mit diplomat. und militär. Druck gelang es der UdSSR nicht, die Reformen zu stoppen; sie wurden brutal mit einer militär. Aktion von Truppen des Warschauer Vertrages (außer Rumänien) am 20./21. 8. 1968 niedergeschlagen (Abzug der sowjet. Truppen erst Ende Febr. 1990 bis Mitte 1991). Die zum 1. 1. 1969 formal eingeleitete Föderalisierung der T. in einen Bundesstaat der Tschechen und Slowaken verwirklichte ein wichtiges Anliegen der Reformer. Die Ansätze der Liberalisierung wurden nach 1968 konsequent rückgängig gemacht (u. a. April 1969 Absetzung von Dubček). Unter dem Eindruck der KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) entwickelte sich jedoch eine Bürgerrechtsbewegung (»Charta 77«), die, von der Reg. bekämpft, oppositionelles Gedankengut aufnahm und im Herbst 1989 zu neuer Wirksamkeit brachte. - Im Dez. 1987 war G. Husák als KP-Chef (seit April 1969; seit 1975 auch Staatspräs.), im Okt. 1988 MinPräs. L. Štrougal (seit Jan. 1970) zurückgetreten; die Reformversuche der Nachfolger blieben erfolglos. Der demokratisch-föderative Staat (1989/90 bis 1992): Mit Demonstrationen, die zunächst (Ende Okt.; Prag und Brünn) von der Polizei brutal zerstreut wurden, erzwang das Volk im Nov. 1989 den Dialog zw. Reg. und Oppositionsgruppen und forderte tief greifende Umgestaltungen in der Gesellschaft (»sanfte« [»samtene«] Revolution; Höhepunkt: Generalstreik am 27. 11.). Reformkommunist M. Čalfa wurde am 10. 12. 1989 MinPräs. einer erstmals nicht kommunistisch dominierten Koalitionsreg. der nat. Verständigung. Der Sprecher des am 19. 11. 1989 gegr. Bürgerforums (OF), V. Havel, wurde nach dem Rücktritt von Staatspräs. Husák (10. 12. 1989) am 29. 12. zu dessen Nachfolger gewählt (Juli 1990 wieder gewählt), am Tag zuvor war Dubček Parlamentspräs. geworden (bis Juni 1992). Bereits am 29. 11. hatte das Parlament den Führungsanspruch der KP aus der Verf. gestrichen. Am 20. 4. 1990 erfolgte die Umbenennung in Tschech. und Slowak. Föderative Rep. (ČSFR), um die angestrebte Gleichberechtigung von Tschechen und Slowaken in einem neuen Föderativstaat zu verdeutlichen. Nach den ersten freien Wahlen zur Volkskammer und zum Haus der Nationen (zus. das Bundesparlament) am 8./9. 6. 1990 bildeten das Bürgerforum bzw. seine slowak. Partnerorganisation Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN) eine Koalitionsreg. mit der slowak. Christlich-Demokrat. Bewegung (KDH) aus dem tschechisch-slowak. Wahlbündnis Christdemokrat. Union (KDU); M. Čalfa (seit 1990 VPN) wurde erneut MinPräs.; Schwerpunkte der Innenpolitik blieben Wirtschaftsreformen (Übergang zur Marktwirtschaft), stärkere Föderalisierung und Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung. Im Frühjahr 1991 spalteten sich Bürgerforum und VPN in versch. Parteien.
Am 27. 2. 1992 wurde der Deutsch-Tschechoslowakische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen. - Ab 1990/91 nahmen nationalistisch-separatist. Bestrebungen in der Slowak. Rep. deutlich zu. Nach den Wahlen vom 5./6. 6. 1992 konnten sich die beiden neuen MinPräs. (V. Klaus in der Tschech., V. Mečiar in der Slowak. Rep.) nicht mehr auf den Fortbestand der Föderation in der bestehenden Form einigen. Nach der Proklamation der Unabhängigkeit der Slowakei (17. 7. 1992) trat Staatspräs. Havel am 20. 7. 1992 zurück, ohne Volksentscheid wurde die Trennung der ČSFR zum 1. 1. 1993 beschlossen.
▣ Literatur:
K. Bosl, Handbuch der Geschichte der böhm. Länder, hg. v. Bd. 4: Der tschechoslowak. Staat im Zeitalter der modernen Massendemokratie u. Diktatur. Stuttgart 1970.
⃟ Korbel, J.: Twentieth-century Czechoslovakia. The meanings of its history. New York 1977.
⃟ Die böhm. Länder zwischen Ost u. West, hg. v. F. Seibt. München u. a. 1983.
⃟ Ströbinger, R.: Schicksalsjahre an der Moldau. Die T. 70 Jahre einer Republik. Gernsbach 1988.
⃟ Hoensch, J. K.: Geschichte der T. Stuttgart u. a. 31992.
⃟ Geschichte Seit 1848 wandte sich die Nationalbewegung der Tschechen in Böhmen und Mähren (zunächst »Alttschechen« unter F. Palacký, später »Jungtschechen«) gegen die österr., der Slowaken in der Slowakei (aber auch starke Emigration in die USA) gegen die ungar. Herrschaft. Noch vor dem Zerfall Österreich-Ungarns schloss T. G. Masaryk am 30. 5. 1918 mit Vertretern der slowak. Emigration in Pittsburgh einen Vertrag über den staatlichen Zusammenschluss der beiden Nationen (Pittsburgher Abkommen). Die erste Republik (1918-39): Am 29. 10. 1918 wurde die Tschechoslowak. Rep. (ČSR) in Prag ausgerufen und von der Pariser Friedenskonferenz am 10. 9. 1919 im Vertrag von Saint-Germain-en-Laye bestätigt. Sie umfasste die wirtsch. und sozial entwickelten Gebiete der heutigen Tschech. Rep., die rückständige Slowakei (einschl. Zips) und die unterentwickelte Karpato-Ukraine (als Karpato-Russland, tschech. Podkarpatská Rus; ab Juni 1919). Am 29. 2. 1920 verabschiedete eine Provisor. Nationalversammlung ohne Mitwirkung der Minderheitenvertreter eine nach frz. Vorbild ausgearbeitete zentralist. parlamentarisch-demokrat. Verf.; Gründerpräs. T. G. Masaryk (1918-35) und sein langjähriger Außenmin. und Nachfolger E. Beneš (1935-38) bemühten sich, dem in das frz. Paktsystem (1924) und die Kleine Entente (1921) einbezogenen, ab 1935 auch mit der UdSSR verbundenen Nationalitätenstaat ein Höchstmaß an außen- und innenpolit. Kontinuität zu geben. Letztlich blieben aber die Nationalitätenprobleme ungelöst. Bes. die von K. Henlein gegr. Sudetendt. Heimatfront (ab April 1935: Sudetendt. Partei) verlangte nach ihrem Wahlerfolg im Mai 1935 eine Föderalisierung der ČSR. Gegen Hitlers Entschlossenheit, die von Sudetendeutschen bewohnten Randgebiete dem Dt. Reich einzugliedern (Sudetenkrise, April-Sept. 1939; Runciman-Bericht), blieb die Prager Reg. machtlos. Nach der Zustimmung der brit. und frz. Reg. im Münchener Abkommen (29. 9. 1938) war die T. zur Abtretung der dt., bald danach der poln. (der Rest des 1920 geteilten Olsagebiets um Teschen; Okt. 1938 von Polen besetzt) und der ungar. Siedlungsgebiete (Randgebiete der südl. Slowakei) sowie des Großteils der Karpato-Ukraine (1. Wiener Schiedsspruch, 2. 11. 1938) an die Nachbarstaaten gezwungen. Staatspräs. Beneš trat im Okt. 1938 zurück; Nachfolger wurde im Nov. E. Hácha. Nach dem Einmarsch der dt. Truppen am 15. 3. 1939 gliederte Hitler das Restgebiet als »Protektorat Böhmen und Mähren« dem Dt. Reich an (Erlass Hitlers vom 16. 3. 1939); am 14. 3. 1939 war unter dt. Schutz (daher »Schutzstaat«) die Selbstständigkeit der Slowakei proklamiert worden (Vertrag vom 23. 3. 1939); März/Juni 1939 fiel auch der Rest der Karpato-Ukraine an Ungarn. Das Protektorat Böhmen und Mähren und der Schutzstaat Slowakei (1939-45): Dem Protektorat wurde eine autonome Selbstverw. mit einem Präs. (E. Hácha) und eine eigene Reg. unter strikter Oberaufsicht des Reichsprotektors (K. Freiherr von Neurath, W. Frick) zugestanden. Erst nach der »Vergeltungsaktion« für das Attentat auf R. Heydrich (17. 5. 1942), der Zerstörung des Dorfes Lidice, begann ein stärkerer Widerstand gegen die nat.-soz. Willkürherrschaft, unter der v. a. die Juden zu leiden hatten. - Im Schutzstaat Slowakei versuchten die Reg. J. Tiso und V. Tuka (Okt. 1938 bis Sept. 1944) die Möglichkeiten einer wirtsch. und kulturellen Entfaltung zu nutzen. 1943 schlossen sich im Untergrund »tschechoslowakisch« ausgerichtete Politiker mit den Kommunisten zusammen und lösten am 29. 8. 1944 den Slowak. Nationalaufstand aus (erst Okt. 1944 von dt. Truppen niedergeschlagen). - E. Beneš bildete im Herbst 1939 in London ein Tschechoslowak. Nationalkomitee, das am 23. 7. 1940 die vorläufige Anerkennung als »Provisor. Reg. der T.« durch die Alliierten erhielt. Am 11. 12. 1940 konstituierte sich ein von Beneš ernannter Staatsrat als Exilparlament (u. a. 1943 Vertrag mit der UdSSR). »Volksdemokratie« und kommunist. Herrschaft (1945/46-89): 1945 wurde die T. in ihrem Gebietsstand von 1937 wiederhergestellt, nur die Karpato-Ukraine fiel an die UdSSR (Transkarpatien). Am 5. 4. 1945 proklamierte die von dem Sozialdemokraten Z. Fierlinger geführte neue Reg. ein Programm, das v. a. die Errichtung eines Wohlfahrtsstaates und die Verstaatlichung der Grundind. sowie der Banken und Versicherungen ankündigte; am 4. 5. 1945 wurde Beneš Präs. der »Zweiten Rep.«. Die rasche und z. T. brutale Aussiedlung der Sudetendeutschen (u. a. Massaker von Aussig, 31. 7. 1945) und Karpatendeutschen sowie der Ungarn (seit Mai 1945 nach den sog. Beneš-Dekreten) erschütterte das bisherige Sozialgefüge. Dank ihrer Kontrolle der Schlüsselministerien und der Massenmedien stieg die KP zur stärksten polit. Kraft auf (Wahlen vom 26. 5. 1946). Der durch die UdSSR im Sommer 1947 erzwungene Verzicht auf die Teilnahme an der Marshallplanhilfe gefährdete den wirtsch. Wiederaufbau. Nach dem Scheitern der von Staatspräs. Beneš, einen konstruktiven Modus Vivendi mit der UdSSR zu erreichen, versuchten die demokrat. Parteien im Herbst 1947, die KP aus ihrer dominierenden Stellung zu verdrängen. Den Rücktritt bürgerl. Min. nutzend, erzwang die KP im Febr. 1948 die Bildung einer neuen Reg. unter K. Gottwald und übernahm die alleinige Macht. Beneš trat am 7. 6. 1948 zurück, Gottwald wurde sein Nachfolger.
Unter Abbau der der Slowakei 1945 urspr. zugestandenen Autonomie ging die KP daran, die gesamte Staatsorganisation nach dem Vorbild der UdSSR zu ordnen (u. a. 9. 5. 1948 Annahme einer Verf. nach sowjet. Vorbild; 27. 6./27. 9. 1948 Vereinigung der Sozialdemokraten mit der KP). Nach der Übernahme des sowjet. Planungsmodells für die Volkswirtschaft geriet die ČSR (1960 in ČSSR umbenannt) mit dem Beitritt zum RGW (1949) auch ökonomisch in starke Abhängigkeit von der UdSSR. Dem Kampf gegen die Kirchen 1949-51 folgten stalinist. Säuberungen innerhalb der KP, denen u. a. Gen.-Sekr. R. Slánský in einem Schauprozess zum Opfer fiel (Okt.-Dez. 1952). - Der zunehmend erstarkende reformer. Flügel im ZK der KP (O. Šik, O. Černík, A. Dubček, J. Smrkovský u. a). einigte sich am 5. 1. 1968 auf Dubček als Nachfolger von Staatspräs. A. Novotný (1957-68) als KP-Chef; Staatspräs. wurde im März 1968 L. Svoboda. Die nun folgende Reformphase des sog. Prager Frühlings führte zu bed. Ansätzen einer Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft (»Sozialismus mit menschl. Antlitz«), wobei jedoch das Bündnis mit der UdSSR nicht infrage gestellt wurde. Mit diplomat. und militär. Druck gelang es der UdSSR nicht, die Reformen zu stoppen; sie wurden brutal mit einer militär. Aktion von Truppen des Warschauer Vertrages (außer Rumänien) am 20./21. 8. 1968 niedergeschlagen (Abzug der sowjet. Truppen erst Ende Febr. 1990 bis Mitte 1991). Die zum 1. 1. 1969 formal eingeleitete Föderalisierung der T. in einen Bundesstaat der Tschechen und Slowaken verwirklichte ein wichtiges Anliegen der Reformer. Die Ansätze der Liberalisierung wurden nach 1968 konsequent rückgängig gemacht (u. a. April 1969 Absetzung von Dubček). Unter dem Eindruck der KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) entwickelte sich jedoch eine Bürgerrechtsbewegung (»Charta 77«), die, von der Reg. bekämpft, oppositionelles Gedankengut aufnahm und im Herbst 1989 zu neuer Wirksamkeit brachte. - Im Dez. 1987 war G. Husák als KP-Chef (seit April 1969; seit 1975 auch Staatspräs.), im Okt. 1988 MinPräs. L. Štrougal (seit Jan. 1970) zurückgetreten; die Reformversuche der Nachfolger blieben erfolglos. Der demokratisch-föderative Staat (1989/90 bis 1992): Mit Demonstrationen, die zunächst (Ende Okt.; Prag und Brünn) von der Polizei brutal zerstreut wurden, erzwang das Volk im Nov. 1989 den Dialog zw. Reg. und Oppositionsgruppen und forderte tief greifende Umgestaltungen in der Gesellschaft (»sanfte« [»samtene«] Revolution; Höhepunkt: Generalstreik am 27. 11.). Reformkommunist M. Čalfa wurde am 10. 12. 1989 MinPräs. einer erstmals nicht kommunistisch dominierten Koalitionsreg. der nat. Verständigung. Der Sprecher des am 19. 11. 1989 gegr. Bürgerforums (OF), V. Havel, wurde nach dem Rücktritt von Staatspräs. Husák (10. 12. 1989) am 29. 12. zu dessen Nachfolger gewählt (Juli 1990 wieder gewählt), am Tag zuvor war Dubček Parlamentspräs. geworden (bis Juni 1992). Bereits am 29. 11. hatte das Parlament den Führungsanspruch der KP aus der Verf. gestrichen. Am 20. 4. 1990 erfolgte die Umbenennung in Tschech. und Slowak. Föderative Rep. (ČSFR), um die angestrebte Gleichberechtigung von Tschechen und Slowaken in einem neuen Föderativstaat zu verdeutlichen. Nach den ersten freien Wahlen zur Volkskammer und zum Haus der Nationen (zus. das Bundesparlament) am 8./9. 6. 1990 bildeten das Bürgerforum bzw. seine slowak. Partnerorganisation Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN) eine Koalitionsreg. mit der slowak. Christlich-Demokrat. Bewegung (KDH) aus dem tschechisch-slowak. Wahlbündnis Christdemokrat. Union (KDU); M. Čalfa (seit 1990 VPN) wurde erneut MinPräs.; Schwerpunkte der Innenpolitik blieben Wirtschaftsreformen (Übergang zur Marktwirtschaft), stärkere Föderalisierung und Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung. Im Frühjahr 1991 spalteten sich Bürgerforum und VPN in versch. Parteien.
Am 27. 2. 1992 wurde der Deutsch-Tschechoslowakische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen. - Ab 1990/91 nahmen nationalistisch-separatist. Bestrebungen in der Slowak. Rep. deutlich zu. Nach den Wahlen vom 5./6. 6. 1992 konnten sich die beiden neuen MinPräs. (V. Klaus in der Tschech., V. Mečiar in der Slowak. Rep.) nicht mehr auf den Fortbestand der Föderation in der bestehenden Form einigen. Nach der Proklamation der Unabhängigkeit der Slowakei (17. 7. 1992) trat Staatspräs. Havel am 20. 7. 1992 zurück, ohne Volksentscheid wurde die Trennung der ČSFR zum 1. 1. 1993 beschlossen.
▣ Literatur:
K. Bosl, Handbuch der Geschichte der böhm. Länder, hg. v. Bd. 4: Der tschechoslowak. Staat im Zeitalter der modernen Massendemokratie u. Diktatur. Stuttgart 1970.
⃟ Korbel, J.: Twentieth-century Czechoslovakia. The meanings of its history. New York 1977.
⃟ Die böhm. Länder zwischen Ost u. West, hg. v. F. Seibt. München u. a. 1983.
⃟ Ströbinger, R.: Schicksalsjahre an der Moldau. Die T. 70 Jahre einer Republik. Gernsbach 1988.
⃟ Hoensch, J. K.: Geschichte der T. Stuttgart u. a. 31992.