Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Treuhandanstalt
Treuhandanstalt,bundesunmittelbare Anstalt des öffentl. Rechts zur treuhänder. Verwaltung des volkseigenen Vermögens der DDR; Sitz: Berlin. Die T. wurde von der DDR am 1. 3. 1990 als »Anstalt zur treuhänder. Verwaltung des Volkseigentums« mit einer Zentrale in Berlin und 15 Außenstellen gegründet und bestand bis zum 31. 12. 1994. Das am 16. 6. 1990 von der ersten demokratisch gewählten Volkskammer der DDR erlassene »Ges. zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhand-Ges.)«, das am 1. 7. 1990 in Kraft trat, schuf dann den rechtl. Rahmen der T. neu und gab ihr den Auftrag, die unternehmer. Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen, die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen, somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen sowie Grund und Boden für wirtsch. Zwecke bereitzustellen. Gleichzeitig mit der vorgenommenen endgültigen Umwandlung aller staatl. Unternehmen in Kapitalgesellschaften zum 1. 7. 1990 wurde die T. alleinige Eigentümerin dieser Unternehmen. Der aus den Kombinaten und volkseigenen Betrieben hervorgegangene Bestand umfasste 1990 rd. 8 000 Unternehmen und nahm durch Entflechtungen und Aufspaltungen noch beträchtlich zu. Darüber hinaus verwaltete die T. rd. 1,45 Mio. ha landwirtsch. Nutzfläche (rd. 30 % der landwirtsch. Nutzfläche in den neuen Bundesländern) und rd. 770 000 ha Forstfläche der volkseigenen Güter und LPG. Zusätzlich zu den drei Kernaufgaben der T., nämlich der Privatisierung, Sanierung (Umstrukturierung) und ggf. Stilllegung (»Abwicklung«), wurden der T. zahlr. weitere administrative Aufgaben zugewiesen, z. B. die Verw. des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen, die Rückübertragung von Vermögen an Kommunen (Rekommunalisierung z. B. von Kindergärten, Betrieben des öffentl. Personennahverkehrs) und die Rückgabe von Unternehmen an frühere Eigentümer (Vermögensgesetz). Bes. umstritten war die Aufgabe der Stilllegung von auch auf längere Sicht nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen; in etl. Fällen wurden die Stilllegungspläne nach polit. Intervention und unter dem Druck der Öffentlichkeit aufgegeben.
Aus ihren Maßnahmen zur Sanierung, Privatisierung, Ablösung der Altschulden und Abwicklung hinterließ die T. Ende 1994 ca. 205 Mrd. DM aufgelaufene Schulden, die zum 1. 1. 1995 auf den Erblastentilgungsfonds übertragen wurden. Die ab 1995 entstehenden Defizite der Nachfolgeeinrichtungen der T. (1995-97 insgesamt 34,3 Mrd. DM) werden direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert.
Die verbleibenden Aufgaben der T. obliegen seit 1. 1. 1995 vier Nachfolgeorganisationen: 1) Für die noch nicht verkauften und als sanierungsfähig eingestuften Unternehmen waren als Träger der aktiven Sanierungsbegleitung Management-Kommanditgesellschaften (MKG) gebildet worden. Die vier bestehenden MKG mit 47 Beteiligungsunternehmen und zwei verbliebenen Direktbeteiligungen wurden unter dem Dach der BMG Beteiligungs-Management-Gesellschaft mbH zusammengefasst. Ein Großteil der Unternehmen wurde bis Ende 1996 privatisiert, die BMG beendete ihre operative Privatisierungstätigkeit zum 31. 12. 1997. 2) Die bereits 1991 von der T. gegründete Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH (TLG, auch Liegenschaftsgesellschaft der T. gen.) wurde analog zur BMG in eine Besitzgesellschaft umgewandelt (unmittelbare Bundesbeteiligung). Sie übernahm den gewerbl. und wohnungswirtschaftl. Liegenschaftsbestand der T. und führt die Rekommunalisierung und Privatisierung sowie die Rückgabe an Alteigentümer fort. 3) Die 1992 gegründete Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) ist für die land- und forstwirtschaftl. Liegenschaften zuständig. Zunächst lagen 91,65 % des Kapitals bei drei staatl. Banken, seit Ende 1995 ist die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Alleingesellschafterin. In einer ersten Phase der Privatisierung verpachtete die BVVG rd. 90 % der landwirtschaftl. Treuhandflächen langfristig, danach begann im Rahmen des so genannten Flächenerwerbsprogramms der Verkauf v. a. an die Pächter. 4) Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) übernahm die übrigen Aufgaben der T., v. a. die Überwachung der noch »aktiven« Privatisierungsverträge auf die Einhaltung der von Investoren übernommenen Arbeitsplatz- und Investitionszusagen, die Bearbeitung der noch offenen Anträge auf Kommunalisierung und Vermögenszuordnung sowie die Bearbeitung von unternehmensbezogenen vermögensrechtl. Reprivatisierungsansprüchen. Urspr. sollte die BvS ihre Tätigkeit 1998 beenden, jedoch wurde eine Fortführung über 1998 hinaus beschlossen. Ab 1. 1. 1997 wurden die verbliebenen hoheitl. Aufgaben auf das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen übertragen.
Literatur:
Bundesministerium der Finanzen. Die Tätigkeit der T., hg. vom Bonn 1991.
Sinn, G. u. Sinn, H.-W.: Kaltstart. Volkswirtschaftl. Aspekte der dt. Vereinigung. München 31993.
C. Freese: Die Privatisierungstätigkeit der T. Frankfurt am Main 1995.
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