Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tragikomödie
Tragikomödi|e,dramat. Gattung, in der sich trag. und kom. Elemente wechselseitig durchdringen bzw. so zusammenwirken, dass die Tragik durch humorist. Brechung gemildert wird oder aber die tragisch gebrochene Komik die trag. Aspekte noch vertieft. Schon bei Plautus findet sich die T. als die Mischung des »Hohen« der Tragödie mit dem »Niedrigen« der Komödie, aber erst in der Renaissance wurde sie als besondere Gattung unter Aufhebung der Ständeklausel theoretisch begründet. Sie galt dann u. a. als »Tragödie mit glückl. Schluss«. Im Gefolge G. B. Guarinis (»Der treue Schäfer«, 1590) und T. Tassos (»Aminta«, 1580) entstanden bis Ende des 17. Jh. zahlr. tragikom. Schäferdramen sowie romaneske T., in Frankreich u. a. von J. de Rotrou, P. Corneille (»Der Cid«, 1637), in England u. a. von F. Beaumont, J. Fletcher, J. Marston, P. Massinger. Auch etliche Dramen Shakespeares (»Maß für Maß«, 1623), P. Calderón de la Barcas (»Das Leben ein Traum«, 1636) oder Molières (»Tartüff«, 1669) können als T. gelten. Die dt. klassizist. Poetik von M. Opitz bis J. C. Gottsched lehnte die T. als »Bastardgattung« ab. Erst das ambivalente Weltbild der Romantik gab ihr wieder einen Platz (L. Tieck, G. Büchner). Der Naturalismus nutzte die T., um die Wirklichkeit in ihrer Totale darzustellen (H. Ibsen, G. Hauptmann). Seit dem Expressionismus eröffnet die Gattung, nun häufig mit Mitteln der Groteske, neue Möglichkeiten, das moderne Bewusstsein dramatisch umzusetzen (absurdes Theater, B. Brecht, F. Dürrenmatt).
Literatur:
Guthke, K. S.: Geschichte u. Poetik der dt. T. Göttingen 1961.
Hirst, D. L.: Tragicomedy. London 1984.
Orr, J.: Tragicomedy and contemporary culture. Play and performance from Beckett to Shepard. Basingstoke 1991.
Ramm-Bonwitt, I.: Die komische Tragödie, auf mehrere Bde. ber. Frankfurt am Main 1997 ff.
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