Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tanz
Tanz,rhythm. Körperbewegung zu Musik- oder Geräuschbegleitung, auch die zum T. erklingende Musik oder deren vom T. gelöste Stilisierung in instrumentaler oder vokaler Form (T.-Lied). - Urspr. war der T. ein rein religiöser Akt, der oft auf göttl. Ursprung zurückgeführt wurde. Neben dem Opfer ist der T. wichtigster Bestandteil des Kultes. Dabei dient er häufig zugleich der Abwehr dämon. Einflüsse, z. B. bei Initiationsriten, beim Hochzeits-T. sowie bei Totentänzen. Daneben hat der T. auch die Bedeutung einer mag. Analogiehandlung, z. B. Fruchtbarkeitstänze.
Kult. und gesellige Tänze gab es in Altägypten und Mesopotamien. In der grch. Antike wurden der Reigen, der Einzel-T. und der chor. T. gepflegt. Der T. bildete mit Musik und Dichtung eine Einheit. Judentum und frühes Christentum kannten den sakralen T., den die Kirche im frühen MA. wegen seiner Weltlichkeit ebenso ablehnte wie die in kirchl. Sicht entarteten Tänze der Spielleute, Gaukler und des Volkes. Eine ständ. T.-Kultur entwickelte sich im 13. Jh. an den Fürstenhöfen. Ihre Formen waren der gruppenweise getanzte Reigen und der ihm oft vorangestellte Einzelpaar-T. Im Gesellschafts-T. des 15./16. Jh. setzten sich der langsame Schreit-T. (Basse Danse, Passamezzo, Pavane) und der schnelle, gesprungene Nach-T. (Saltarello, Tourdion, Gaillarde) durch.
Mit der Scheidung von Volkstanz und höfisch-aristokrat. Gesellschaftstanz seit dem 15. Jh. entwickelte Letzterer eine Vielfalt von Paartänzen. - Im 17. Jh. erhielt das am frz. Hof neu eingeführte, von Berufstänzern unterstützte und später ausschl. von ihnen getragene Ballet de Cour, das Dichtung, Tanz, Vokal- und Instrumentalmusik miteinander verband, größte Bedeutung; aus ihm entwickelte sich der Kunst-T. - Im späten 18. und frühen 19. Jh. kamen neue Tänze auf, so z. B. der dt. T. und der Ländler, aus denen sich der Walzer entwickelte, ferner Polka, Mazurka, Rheinländer, Galopp und die frz. Gruppentänze Polonaise, Ecossaise und Française. Diese Tänze fanden Eingang in die Kunstmusik, ebenso die stilisierten Volkstänze Csárdás, Krakowiak, Furiant, Bolero, Tarantella und Fandango. - Im 20. Jh. trat auf dem Gebiet des Kunst-T. neben das klass. Ballett der Ausdrucks-T. (auch freier T.), der als eigenständiger, von musikal. Bindungen und akadem. Positionslehre befreiter Ausdrucksträger verstanden wurde. Wegweisend wirkten hier I. Duncan, É. Jaques-Dalcroze, R. von Laban und M. Wigman sowie die Wigman-Schüler H. Kreutzberg, G. Palucca und Y. Georgi. Die amerikan. Form des Ausdrucks-T., der Moderndance (u. a. H. Holm, R. Saint Denis, T. Shawn und M. Graham), hat das moderne Ballett entscheidend geprägt und übte erhebl. Einfluss aus auf das Tanztheater, das Anfang der 1970er-Jahre als neue Theater- und T.-Gattung in Dtl. entstand, wie auch auf dessen amerikan. Variante, den Newdance.
Literatur:
G. Lörinc. Methodik des klass. Tanzes, hg. v. A. d. Ungar. Berlin (Ost) 1964.
Rebling, E.: Die Tanzkunst Indiens. Wilhelmshaven 1982.
Engl, S.: Das neue Feeling. Eine Einführung für Liebhaber des T.es u. ihre Übungsleiter. Moers 1993.
Günther, H. u. Schäfer, H.: Vom Schamanentanz zur Rumba. Die Geschichte des Gesellschaftstanzes. Stuttgart 31993.
Koch, M.: Salomes Schleier. Eine andere Kulturgeschichte des T.es. Hamburg 1995.
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