Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Taiwan
Taiwan Fläche: 36 000 km2
Einwohner: (1995) 21,13 Mio.
Hauptstadt: Taipeh
Verwaltungsgliederung: 16 Kreise und 7 kreisfreie Städte
Amtssprache: Chinesisch
Nationalfeiertag: 10. 10.
Währung: 1 Neuer Taiwan-Dollar (NT$) = 100 Cents (¢)
Zeitzone: MEZ + 7 Std.
[auch taɪ'va:n] (chines. Chunghua Min-kuo, dt. Rep. China), Staat in Ostasien; umfasst die vom chines. Festland durch die Formosastraße getrennte Hauptinsel Taiwan (früher Formosa), die Pescadores, mehrere kleine Inseln sowie die der O-Küste Chinas unmittelbar vorgelagerten Inseln Quemoy und Matsu; T. erhebt Ansprüche auf die Spratlyinseln.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1947 (mehrfach, zuletzt 1997, revidiert) ist T. eine Republik. Da T. den Alleinvertretungsanspruch aller Chinesen erhebt, existiert ein doppeltes Reg.system aus Nationalreg. und Provinzreg. mit den entsprechenden parlamentar. Körperschaften. Staatsoberhaupt ist der für vier Jahre direkt (seit 1994) gewählte Präs. Die Nationalversammlung (334 Mitgl., auf vier Jahre gewählt) entscheidet u. a. über Verf.änderungen. Die Verf. sieht eine Teilung in fünf, von je einem Yüan (Staatsrat) ausgeübte Gewalten vor (Legislative, Exekutive, Justiz, Prüfung und Kontrolle). Der Reg.chef als Vors. des Exekutiv-Yüans wird vom Präs. im Einvernehmen mit dem Legislativ-Yüan (225 Mitgl., davon 176 direkt und 49 nach Parteienproporz gewählt) ernannt. Kontroll- und Prüfungs-Yüan nehmen Funktionen der gesellschaftl. Überwachung und der Beamtenauswahl wahr. Dem Justiz-Yüan untersteht das Gerichtswesen; er ist zugleich Verf.gericht. Einflussreichste Parteien: Kuomintang (KMT, auch Nationalpartei), Demokrat. Fortschrittspartei (DPP) und Neue Chines. Partei (CNP).
Landesnatur: Der O der Insel T. wird von einer bewaldeten Hochgebirgskette (Yü Shan 3 997 m ü. M.) eingenommen, die nach W über Hügel- und Terrassenland in eine fruchtbare Ebene übergeht, nach O zum Taitunggraben abbricht, der von einem schmalen Küstengebirge begrenzt wird. Subtrop. bis trop. Monsunklima mit heißen Sommern; Jahresniederschläge im N bis über 3 000 mm, im SW bei 1 800 mm. Häufig treten Taifune auf. Über 50 % der Insel sind waldbedeckt.
Bevölkerung: Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Chinesen, die vom Festland eingewandert sind. Im Gebirge siedeln Nachkommen der austrones. Urbevölkerung (1990: 338 000 Menschen). Über 90 % der Bev. leben in Städten. - Allg. Schulpflicht vom 7. bis 15. Lebensjahr; 21 Univ., darunter 9 in Taipeh. - Die Ew. sind mehrheitlich Konfuzianisten, bed. vertreten sind auch Daoismus und Buddhismus.
Wirtschaft, Verkehr: Neben Japan ist T. heute einer der wichtigsten Ind.staaten im Fernen Osten; es erlebte bis Ende der 1980er-Jahre einen enormen Wirtschaftsaufschwung und zählt heute zu den Schwellenländern Asiens (»Kleine Tiger«). Aufgrund der Armut an Bodenschätzen (vorhanden sind Kohle, Erdöl, Erdgas, Gold) ist die Ind. stark von importierten Rohstoffen abhängig. Die führenden Branchen im verarbeitenden Gewerbe als dem bei weitem wichtigsten Wirtschaftssektor sind neben der Nahrungsmittel-, Textil- und Bekleidungsind. v. a. die exportorientierte Elektro- und Elektronikind., die petrochem. und metallurg. Ind. sowie der Schiff- und Maschinenbau. 40 % der Ind.erzeugung entfallen bereits auf die Hochtechnologiefertigung. Der landwirtsch. Nutzung stehen wegen des Gebirgscharakters nur 25 % der Landfläche zur Verfügung. Angebaut werden v. a. Reis, Champignons, Spargel, Tee, Zuckerrohr, Bananen und Ananas. - T. hat 2 526 km Eisenbahnen und rd. 20 000 km Straßen. Wichtig ist die Küstenschifffahrt. Haupthäfen: Kaohsiung, Keelung, Hualien, Taichung und Suao. Internat. Flughäfen in Taoyüan (bei Taipeh) und Kaohsiung.
Geschichte: T. mit seiner austrones. Urbevölkerung wurde schon früh von chines. Händlern und Piraten aufgesucht, jedoch erst seit dem 17. Jh. verstärkt von Chinesen besiedelt. 1590 von den Portugiesen entdeckt und »(Ilha) Formosa« (portugies. »schöne Insel«) gen. Ab 1624 besetzten die Niederländer T., verdrängten die seit 1626 im N ansässigen Spanier und wurden 1661 vom Ming-General Koxinga (Zheng Chenggong) vertrieben. 1683 eroberten die Qing die Insel. Nach dem chinesisch-japan. Krieg (1894/95) musste China T. an Japan abtreten, das die Insel bis 1945 beherrschte. Nach der Kapitulation Japans im 2. Weltkrieg sprachen die Alliierten T. wieder China zu. 1947 blutige Niederschlagung eines Aufstandes der um ihre Unabhängigkeit ringenden Inselbewohner. 1949 flüchtete die durch kommunist. Truppen vom chines. Festland vertriebene Kuomintang-Regierung nach T. und rief dort am 1. 3. 1950 die »Rep. China« (Nationalchina) unter Staatspräs. Chiang Kai-shek (1950-75) aus. Aufgrund massiver Unterstützung durch die USA, mit der 1954/55 ein Verteidigungspakt geschlossen wurde, sowie einer erfolgreich durchgeführten Landreform (1949-53) entwickelte sich T. zu einem bed. wirtsch. Faktor. Die Auseinandersetzungen mit der VR China kulminierten in der »Quemoykrise« 1958 (Beschießung der zum Territorium Nationalchinas gehörenden Insel Quemoy). 1971 verlor T. seinen Sitz in der Generalversammlung und im Sicherheitsrat der UN an die VR China. Nach dem Tod Chiang Kai-sheks 1975 wurde zunächst Viezepräs. Yen Chia-kan Staatsoberhaupt, 1978 Chiangs Sohn Chiang Ching-kuo (bis 1988). Nachdem die USA zum 1. 1. 1979 mit der VR China diplomat. Beziehungen aufgenommen hatten, brachen sie die zu T. ab. 1986 wurde als erste bed. Oppositionspartei die Demokrat. Fortschrittspartei (DPP) gegründet. 1987 wurde das seit 1950 geltende Kriegsrecht aufgehoben und durch neue Sicherheitsgesetze ersetzt. 1989 verabschiedete das Parlament ein neues Parteiengesetz, das die Neugründung von Parteien generell zuließ. Bei den ersten Wahlen nach Aufhebung des Kriegsrechts im Dez. 1989 vereinigten sich 41 % der abgegebenen Stimmen auf die Oppositionsparteien (59 % auf die Kuomintang). Unter Staatspräs. Lee Teng-hui (seit 1988) entspannte sich das Verhältnis zur VR China (weitgehende Legalisierung des Handels, Ausweitung des Reiseverkehrs). 1991 wurden die 1948 im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten eingeführten Notstandsrechte des Staatspräs. aufgehoben und weitere Verf.änderungen beschlossen. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Dez. 1991 setzte sich die Kuomintang als klarer Sieger gegenüber der oppositionellen DPP durch, die sich an die Spitze einer Bewegung für die formelle Unabhängigkeit (Lostrennung) T. von der VR China stellte und dadurch in Konflikt mit der Reg.partei geriet. Im Febr. 1993 wurde Lien Chan Min.präs. In den Parlamentswahlen im Dez. 1995 errang die Kuomintang zwar die absolute Mehrheit, sah sich aber einer erstarkten Opposition gegenüber (ein Drittel der Abg.mandate ging an die DPP). Im März 1996 fanden die ersten direkten Präsidentschaftswahlen statt. Amtsinhaber Lee Teng-hui wurde wieder gewählt; er bekräftigte die Bereitschaft T.s, mit der Volksrep. China Gespräche über die nat. Wiedervereinigung aufzunehmen. In den Parlamentswahlen im Dez. 1998 errang die Kuomintang erneut die absolute Mehrheit
Literatur:
Weggel, O.: Die Geschichte T.s. Vom 17. Jh. bis heute. Köln 1991.
Weggel, O.: T., Hongkong. München 1992.
Senftleben, W.: T. Reiseführer mit Landeskunde. Neuausg. Dreieich 1995.
Davison, G. M. u. Reed, B. E.: Culture and customs of T. Westport, Conn., 1998.
Democratization in T., hg. v. S. Tsang u. a. Basingstoke 1999.
T. A new history, hg. v. M. A. Rubinstein. Armonk, N. Y., 1999.
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