Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Tabak
Tabak(Tabakpflanze, Nicotiana), Gattung der Nachtschattengewächse, v. a. im trop. und subtrop. Amerika; meist Kräuter mit großen, einfachen, oft drüsig behaarten Blättern und in endständigen Trauben oder Rispen stehenden, weißen, gelben, roten oder rosafarbenen Blüten mit langröhriger oder glockiger Krone. Die beiden wirtsch. bedeutendsten Arten sind der Virgin. T. (Nicotiana tabacum), ein bis 3 m hohes Kraut mit lanzettförmigen, zugespitzten Blättern und rosafarbenen Blüten, und der bis 1,2 m hohe Bauern-T. (Machorka, Nicotiana rustica) mit rundlich-eiförmigen Blättern und grünlich gelben Blüten. Alle T.-Arten enthalten das Alkaloid Nikotin. Zur T.-Gewinnung (für Rauch-T., Schnupf-T., Kau-T.) wird der Virgin. T. heute in zahlr., nach Klima- und Bodenansprüchen sehr unterschiedl. Sorten (z. B. Virginia-, Orient-, Burley-, Kentucky-, Havanna-, Sumatra-, Brasil-T., die jeweils zur Herstellung bestimmter T.-Erzeugnisse verwendet werden) von den Tropen bis in die gemäßigten Zonen (38º s. Breite bis 56º n. Breite) angebaut. In Dtl. findet sich T.-Anbau v. a. in der Vorderpfalz, im Hess. Ried, im Kraichgau, in der Ortenau sowie in Franken. Bauern-T. wird in den GUS-Staaten und in Polen (sowie in den USA zur Nikotingewinnung) kultiviert. Zur Gewinnung von Rauch-T. findet die Blatternte zeitlich gestaffelt in Abständen von 10-20 Tagen (4-5 Tagen bei Zigarren-T.) für die einzelnen Blattqualitäten statt, die man an der Pflanze (von unten nach oben) als Grumpen, Sandblatt, Mittelgut, Hauptgut (Bestgut) und Obergut bezeichnet. Als Nachgut (Nach-T.) werden die im Sept. geernteten Blätter der zwei oder drei stehen gelassenen Seitentriebe bezeichnet. Nach der Ernte werden die Blätter nach Länge, Farbe und Schadbild sortiert, auf Fäden aufgezogen (sog. Bandolieren) und getrocknet. Die fertig getrockneten Blätter werden nachsortiert und in Büscheln zusammengelegt; diese werden zu Ballen gepresst und mit Jute umhüllt als Roh-T. zur Weiterverarbeitung der T.-Ind. zugeführt. - Krankheiten der T.-Pflanze sind versch. Virosen (v. a. die Mosaikkrankheit) und Pilzkrankheiten (v. a. Blauschimmel).Aufbereitung: Die T.-Blätter werden zunächst einer mehrere Wochen bis Monate dauernden Fermentation unterworfen, durch die unerwünschte Substanzen (v. a. proteinhaltige Stoffe) abgebaut und gleichzeitig Aromastoffe sowie braune Pigmente gebildet werden. Anschließend werden die T.-Blätter von den stärkeren Blattrippen befreit, danach häufig mit Lösungen aromagebender Substanzen, wie Zucker, Lakritze, Kakao u. a., besprüht (»soßiert«, »gesoßt«) und auf die gewünschte Schnittbreite geschnitten. Zuletzt wird das Schneidgut in Trockenanlagen »geröstet«. Je nach den verwendeten T.-Sorten und der Art der Verarbeitung erhält man sehr unterschiedl. Endprodukte als Rauch-T. Zur Herstellung von Zigaretten nimmt man meist schwach gesoßte helle Virginia-, Orient- oder Burley-T.; als Pfeifen-T. werden meist stark gesoßte Kentucky- oder Orient-T. verwendet.
T.-Genuss ist in jeder Form (bes. Rauchen von Zigaretten, Zigarren, Pfeife) gesundheitsschädlich und kann zur Abhängigkeit führen (Rauchen).Wirtschaft: Die Welttabakernte beträgt (1996) 6,51 Mio. t. Die wichtigsten Erzeugerländer sind (in 1 000 t): China (2 324), USA (710), Indien (512), Brasilien (471), Türkei (230), Simbabwe (209).Kulturgeschichte: Nach Europa gelangten die ersten Nachrichten über den T. durch Begleiter von C. Kolumbus. Von den nordamerikan. Indianern wurde der T. in der Pfeife geraucht, von den südamerikan. Indianern auch geschnupft und gekaut. Der T.-Genuss diente v. a. kult. Zwecken. - Den Bauern-T. brachte zuerst F. Hernández de Toledo, der Leibarzt König Philipps II., nach Spanien, wo er v. a. als Zierpflanze kultiviert wurde. Der frz. Gesandte in Portugal, J. Nicot, schickte 1560 T.-Samen nach Paris, wo in der Folgezeit am Hof das Schnupfen in Mode kam. Der frz. Arzt und Botaniker J. Dalechamps nannte die Pflanze 1586 Herba nicotiana. T.-Rauchen wurde um 1570 bei niederländ. Seeleuten üblich. Im Dreißigjährigen Krieg verbreiteten schwed. Soldaten das Rauchen in Europa. - Obwohl viele Ärzte T. als Arzneimittel gegen versch. Krankheiten empfahlen (bes. als Desinfiziens vor Pest und gegen Zahnschmerzen, Gicht, Kolik und Tetanus), wurden Anbau und Genuss von T. in vielen Ländern verboten. Das Pfeiferauchen, Schnupfen und T.-Kauen breitete sich im 18. Jh. trotzdem weiter aus. 1828 isolierten die dt. Chemiker Karl Ludwig Reimann (* 1804, ✝ 1872) und Christian Wilhelm Posselt (* 1806, ✝ 1877) das Alkaloid Nikotin und erprobten dessen Wirkung an Tieren. Durch die pharmakolog. Erforschung der Wirkungsweise des T. wurden die Risiken der Anwendung erkannt.
Literatur:
Precht, K.u. a.:T. Gewohnheiten, Konsequenzen. St. Gallen u. a. 1993.
Immensack, R.: Bibliographie als Geschichte der deutschsprachigen Tabakliteratur von 1579-1995, hg. v. U. Schneider. Braunschweig u. a. 1996.
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