Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
serbokroatische Sprache
serbokroatische Sprache,dt. sprachwiss. Bez. für die Sprache, die in Serbien, Kroatien, Montenegro sowie in Bosnien und Herzegowina gesprochen wird; daneben (in modifizierter Form) von Kroaten in SO-Österreich, der Slowakei und Ungarn (burgenländ. Kroaten), in Rumänien (rumän. Banat), in der italien. Region Molise sowie von Serben in Ungarn und Rumänien. Zusammen mit der slowen. Sprache gehört die s. S. (im sprachwiss. Sinn) zur westl. Untergruppe der südslaw. Sprachen (slawische Sprachen). - Die Schriftsprache verfügt über ein Phonemsystem von 25 Konsonanten und 6 Vokalphonemen. Die Orthographie folgt dem phonetisch-phonolog. Prinzip. Die Intonation ist fallend oder steigend, kurz oder lang. Es werden zwei Alphabete verwendet: die Serben benutzen die kyrill. Schrift (ćirilica), die Kroaten verwenden das durch diakrit. Zeichen (u. a. ̌ , ́ ) erweiterte latein. Alphabet (latinica). Es gibt drei Dialektgruppen, die nach der Form des Fragewortes »was?« (što, kaj/ča) eingeteilt werden: Štokavisch, Kajkavisch, Čakavisch. Ferner gibt es eine Einteilung in ekavische, (i)jekavische und ikavische Dialekte, (je nachdem, ob das urslaw. ĕ als e, i(j) oder i gesprochen wird.
Die ersten Inschriften in glagolit. und kyrill. Schrift stammen aus dem 11.-12. Jh. Bei den Serben entwickelte sich eine religiöse und weltl. Lit. in einer kirchenslaw. Sprache serb. Redaktion, die in den 30er-Jahren des 18. Jh. durch eine am Russisch-Kirchenslawischen orientierte offizielle Kirchensprache abgelöst wurde. Daneben entwickelte sich aus einer Mischung aus Russisch-Kirchenslawisch und serb. Volkssprache das sog. Slawenoserbische. Erst Anfang des 19. Jh. wurde mit den Reformen V. S. Karadžićs die Volkssprache zur Schriftsprache erhoben und die Orthographie der gesprochenen Sprache angepasst.
Die Kroaten benutzten im kirchl. Bereich die glagolit. Schrift bis in 19. Jh. Daneben existierten die čakav. Lit.sprache Dalmatiens (15.-17. Jh.), die štokav. Sprache der ragusäischen Lit. (15.-17. Jh.) und eine kajkav. Lit.sprache (16.-19. Jh.) in Zagreb und N-Kroatien. In den 30er-Jahren des 19. Jh. wurde dann im Zuge des Illyrismus v. a. durch L. Gaj der Versuch unternommen, eine einheitl. Lit.sprache aller Südslawen zu schaffen. Im Wiener Sprachabkommen 1850 einigten sich Serben und Kroaten auf den neuštokavisch-ijekav. Dialekt der O-Herzegowina als gemeinsame Schriftsprache. Seit der Vereinbarung von Novi Sad (1954) sprach man von einer bizentr. (Belgrad und Zagreb) serbokroat./kroatoserb. Standardsprache in zwei Varianten. In der Verf. der Sozialist. Rep. Kroatien von 1974 wird nur noch von der kroat. Lit.sprache gesprochen (mit dem Zusatz »Standardsprache der Kroaten und Serben in Kroatien, die Kroatisch oder Serbisch genannt wird«). Die neuen Verf. der Rep. Kroatien und der Bundesrep. Jugoslawien bezeichnen ihre jeweilige Amtssprache als kroat. Sprache bzw. als serbische Sprache.
Literatur:
Ivić, P.: Die serbokroat. Dialekte. Den Haag 1958.
Leskien, A.: Grammatik der serbo-kroat. Sprache. Heidelberg 21976.
Kontrastive Grammatik dt.-serbokroat., hg. v. U. Engel u. a., 2 Tle. München 1986.
Jakić, B. u. Hurm, A.: Kroat. oder serb.-dt. Wörterbuch. Zagreb 51987.
Jakić, B. u. Hurm, A.: Dt.-kroat. oder serb. Wörterbuch. Zagreb 81988.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: serbokroatische Sprache