Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
serbische Literatur.
sẹrbische Literatur.Nach Anfängen im 12. Jh. wurden als eigenständige literar. Gattung altserb. Herrscherbiographien des 13. und 14. Jh. bedeutend, die hagiograph. und historiograph. Elemente vereinten; diese Tradition fand durch die osman. Eroberung Serbiens ihr Ende. Von den europ. Entwicklungen isoliert, schuf allein die Volksdichtung, insbesondere die Heldenepik, eine mündlich überlieferte, nat. bestimmte Tradition. Im 18. Jh. entstanden, bedingt durch den orth. Bildungseinfluss Russlands, v. a. histor. Schriften. Ende des 18. Jh. wurden westl. Strömungen wie Barock und Aufklärung (bes. durch D. Obradović) in Serbien wirksam. Eine moderne Lit. konnte sich erst nach der endgültigen Schaffung einer eigenen Schriftsprache (serbokroatische Sprache), entfalten; populär waren die Romane von M. Vidaković und die Dramen von J. S. Popović. In der 1. Hälfte des 19. Jh. verband sich die Romantik mit der Bewegung der Nat. Wiedergeburt in SO-Europa. Die Bewegung des Illyrismus (1830-50) war vertreten durch die Lyriker B. Radičević und Peter II. Petrović Njegoš sowie den Sprachreformer V. S. Karadžić. In den 1870er-Jahren erfolgte unter dem Einfluss der russ. zeitgenöss. Literatur und unter Führung des serb. Sozialisten S. Marković die verstärkte Hinwendung zum Realismus, bes. deutlich in den Dorfnovellen von S. Ranković, auch bei M. Glišić, S. Sremac, S. Matavulj, L. K. Lazarević. Der frz. Symbolismus und die Suche nach neuen Formen führten um die Wende zum 20. Jh. zur Abkehr von den durch die Volksdichtung geprägten Mustern und zur Hinwendung zu einer symbolist., futurist. und expressionist. Lyrik (G. Dučić, A. Šantić, V. Petrović, M. Rakić, S. Pandurović). Überragender Autor der von literar. Experimenten und Konfrontationen und dem Aufblühen der s. L. in allen Gattungen (M. Crnjanski, M. Ristić, B. Kovačevic, B. Nušić) geprägten Zwischenkriegszeit war I. Andrić. Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich die s. L. zeitweise an den Normen des sozialist. Realismus (u. a. Desanka Maksimović, B. Čopić). Nach dem Kominformkonflikt (1948) und dem Schriftstellerkongress in Ljubljana (1952) setzte jedoch bald - in Opposition zum sozialist. Realismus - eine eigenständige Entwicklung ein, deren Vertreter u. a. O. Davičo, V. Popa, M. Pavlović, B. V. Radičević und M. Lalić sowie die Montenegriner M. Djilas und B. Miljković waren. Die moderne serb. Prosa zeigte in den 50er- und 60er-Jahren bei M. Balatović Tendenzen zu ironisch-grotesker Darstellung, bei D. Ćosić krit. Hinwendung zur serb. Gesch.; Themen des Partisanenkrieges griffen Lalić und Ćopić auf. Bed. für die jüngere Prosa sind Romane von D. Kiš, R. Smiljanić, M. Kovač, dem Literaturwissenschaftler M. Pavić, B. Pekić und M. Selimović, dessen innovative Prosa in der bosn. Literatur - neben I. Andrić - einen herausragenden Platz einnimmt. Die serb. Poesie (S. Raičković, S. Tontić, M. Danojlić) ist von avantgardist. Experimenten geprägt, die der Tradition der »konkreten Poesie« verpflichtet sind. Die serb. Dramatik vertreten A. Popović, B. Crncević, der bosn. Serbe M. Zalica. - Im Zuge der nationalist. Welle in der s. L., die 1989 ihren Höhepunkt fand, engagierten sich eine Reihe von Autoren im polit. Raum (u. a. D. Ćosić, Crnčević, V. Drašković), während andere nach Ausbruch des serbisch-kroat. Krieges ins Exil gingen (B. Bogdanović, B. Ćosić, Kovać, A. Tišma). Die Teilung des Landes drückt sich auch in der Lit. aus: Während die nationalist. Autoren in die traditionellen Muster der patriot. Lit. zurückfallen, setzen die oppositionellen Schriftsteller (u. a. B. Ćosić, D. Velikić) die für die Postmoderne typ. Verfahren der Desillusonisierung und Verfremdung ein.
Literatur:
Barac, A.: Gesch. der jugoslav. Literaturen von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v. R.-D. Kluge. A. d. Serbokroat. Neuausg. Wiesbaden 1977.
BI-Lexikon Literaturen Ost- u. Südosteuropas, hg. v. L. Richter u. a. Leipzig 1990.
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