Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
schweizerische Kunst
schweizerische Kunst,Mittelalter: An Kunstdenkmälern aus dem frühen MA. sind erhalten: Taufkirche von Riva San Vitale, Kirche und Kirchenschatz Saint Maurice (Wallis), die Benediktinerinnenklosterkirche St. Johann in Müstair im Münstertal mit dem bedeutendsten Zyklus karoling. Wandgemälde, die Kirche in Zillis (Graubünden) mit der ältesten roman. Deckenmalerei und die Handschriften der Stiftsbibliothek in St. Gallen. Um 1000 entstanden die Kirchen in Spiez und Romainmôtier, in roman. Zeit die Kirche in Payerne, Allerheiligen in Schaffhausen und das Basler Münster, ein Hauptwerk der oberrheinisch-elsäss. Romanik. Lausanne hat die älteste burgundisch-got. Kathedrale. Aus hochgot. Zeit stammt u. a. die Manessische Handschrift, aus der Spätgotik das Münster von Bern.
Von typisch schweizer. Gepräge war die um 1500 erblühende Bürgerkultur der freien Städte. In Basel arbeiteten K. Witz aus Rottweil, später H. Holbein d. J. aus Augsburg. Die Zeit der Burgunder- und Mailänderkriege spiegeln die Bilderchroniken, die Gemälde und Zeichnungen von N. Manuel, U. Graf und H. Leu d. J. Als Porträtmaler trat H. Asper hervor. Die Glasmalerei bildete als bürgerl. Sonderart die Kabinettscheibe (Schweizerscheibe) aus.Renaissance und Barock: Früh fand die Renaissance Eingang in die Schweiz, bes. in Basel und Luzern, im Tessin mit San Lorenzo in Lugano. Das wichtigste erhaltene Denkmal der Fassadenmalerei nördlich der Alpen ist das Haus zum Ritter in Schaffhausen von T. Stimmer. Reichere Barockbauten wurden nur in den kath. Kantonen geschaffen (von K. Moosbrugger u. a.), z. B. die Klosterkirche St. Gallen und Maria Einsiedeln. Unter den prot. Kirchenbauten ragt v. a. die Heiliggeistkirche in Bern hervor. Von den großen Baumeistern Italiens stammen viele aus dem Tessin, so C. Maderna, D. und C. Fontana, F. Borromini.
Im 18. Jh. wurde S. Geßner v. a. durch die Radierungen zu seinen Idyllen bekannt. J.-É. Liotard war in vielen Ländern tätig, A. Graff als Porträtmaler in Dresden, J. H. Füßli, der bedeutendste Maler des »Sturm und Drang«, in London.Von der Romantik bis zur Moderne: Im 19. Jh. traten F. Diday und A. Calame als Hochgebirgsmaler hervor, R. Toepffer mit gezeichneten Bilderfolgen, R. Koller als Tiermaler, F. Buchser mit Porträts und Landschaften. Den Übergang von der Spätromantik zum Symbolismus vollzogen A. Böcklin und A. Welti. Die überragenden Persönlichkeiten um die Jahrhundertwende waren F. Hodler, F. Vallotton und auch O. Meyer-Amden. Großen Einfluss übte der in Münchenbuchsee bei Bern geborene P. Klee auf die moderne Malerei aus. An der Dada-Bewegung, die 1916 von Zürich ausging, nahm als einzige Schweizerin Sophie Taeuber-Arp teil, die im gleichen Jahr ihre ersten, abstrakten Bilder komponierte.
Vertreter der konkreten Kunst gründeten 1937 die Gruppe Allianz, der u. a. Max Bill, Leo Leuppi, Camille Graeser, Verena Loewensberg, Richard Lohse, Walter Bodmer und Hans Fischli angehörten. Johannes Itten trat v. a. als Kunstpädagoge und Farbtheoretiker hervor. Zu den der Tradition der gegenständl. Malerei verpflichteten Künstlern des 20. Jh. gehören Éduard Valle, Heinrich Altherr, Wilhelm Gimmi, Marti Lauterburg, Heinrich Pellegrini sowie Maurice Barraud, Fritz Pauli, Hans Erni und Hans Fischer, die sich, wie Théophile A. Steinlen auch als Grafiker einen Namen machten. Der informellen Malerei verschrieben sich in den 1950er-Jahren u. a. Rolf Iseli und Werner M. Moser. Das Werk von André Thomkins (v. a. Zeichnungen) ist von dadaist. und surrealist. Elementen geprägt. Franz Gertsch arbeitet mit den Methoden des Fotorealismus. Eine figurative Malerei in der Art der Neuen Wilden vertreten u. a. Martin Disler und Guido Nussbaumer. Bekannteste Vertreterin der Frauenkunst ist Miriam Cahn.
Die moderne schweizer. Plastik erhielt wichtige Impulse von Hermann Haller. Weitere Bildhauer, die auch über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung fanden, sind Carl Burckhardt, Alexander Zschokke, Karl Geiser und - alle überragend - Alberto Giacometti. Mit abstrakten Plastiken traten Hans Aeschbacher, Walter Linck, Robert Müller, Bernhard Luginbühl und v. a. Jean Tinguely hervor. Von entscheidender Bedeutung für die künstler. Entwicklung von Tinguely und auch Daniel Spoerri war die Verbindung zum Nouveau Réalisme, von dem auch Dieter Roth wichtige Anregungen empfing. Die Arbeitsgebiete von Franz Eggenschwiler und Markus Raetz umfassen neben Plastik und Objektkunst auch Malerei und Grafik.
Die modernen Bauideen begannen sich in der Schweiz mit der Siedlung Neubühl bei Zürich (1930-32) auszubreiten. Als ihre Repräsentanten sind neben den Architekten dieser Siedlung (u. a. Hans Schmidt, Max E. Haefeli, Rudolf Steiger, Werner M. Moser) v. a. Karl Moser, Otto Salvisberg, Hermann Baur und Alfred Roth zu nennen. Der bedeutendste schweizer. Architekt, Le Corbusier, war vorwiegend im Ausland tätig (Maison Clarté in Genf, 1930-32). In seiner Nachfolge wirkten die Architekten von »Atelier 5« in Solothurn, sie entwickelten die Ideen Mies van der Rohes weiter. Das hohe Niveau der schweizer. Architektur nach 1945 zeigt sich beispielhaft in den Bauten W. M. Förderers, Vincent Mangeats, Peter Zumthors, Patrick Mestelans und Bernard Gachets, Jacques Herzogs, Pierre de Meurons und Bernard Tschumis sowie der Tessiner Schule (Tessiner Architektur).
Literatur:
Ges. für Schweizer. Kunstgeschichte, Kunstführer durch die Schweiz, hg. v. der 3 Bde. Zürich u. a. 5-61975-82.
Lüthy, H. A. u. Heusser, H.-J.: Kunst in der Schweiz, 1890-1980. Zürich 1983.
Junge Schweizer Kunst, 1960-90. Wabern 1991.
Photographie in der Schweiz. Von 1840 bis heute, bearb. v. H. Loetscher u. a. Bern 1992.
Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst, hg. v. K. Jost, 2 Bde. Zürich 1998; mit CD-ROM.
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