Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
schwarzafrikanische Literaturen
schwarzafrikanische Literaturen(früher neoafrikanische Literaturen), die geschriebenen Literaturen des subsahar. Afrika in afrikan. und europ. Sprachen, die sich verstärkt um die Wende des 19. zum 20. Jh. entwickelten und sich auf afrikan. mündl. Traditionen (afrikanische Literaturen) sowie auf europ. Literatureinflüsse gründen; aus histor. und polit. Gründen wird die südafrikanische Literatur nicht zu den s. L. gezählt. Das erste schriftl. afrikan. Werk, J. Latinos [aus Guinea; * 1516, ✝ 1606 (?)] gelehrtes lat. Preislied »Austrias« auf den Sieger von Lepanto, erschien 1572. Einige nach Europa und Amerika verbrachte Sklaven gelangten schon vor der Einführung der Schrift durch Mission und Kolonialverw. zu literar. Ruhm, u. a. A. W. Amo [* 1703, ✝ 1753 (?)] aus dem heutigen Ghana, J. E. J. Capitein (✝ 1747) aus Westafrika und Phillis Wheatley (* 1753 (?), ✝ 1784) aus Senegal.Die s. L. waren zunächst v. a. religiös und erzieherisch bestimmt. 1912 erschien in Sotho der Roman »Moeti oa bochabela« (engl. 1934 u. d. T. »The traveller of the East«) von T. Mofolo aus Basutoland (Lesotho), eine Schilderung traditionellen afrikan. Lebens, die mit religiöser Suche verbunden ist. Der erste Versuch, bewusst afrikan. Literatur zu schreiben und eine afrikan. Philosophie zu formulieren, wurde von den aus den frz. Kolonien stammenden Autoren der Négritude unternommen. Ihr Beginn lag im Jahre 1934, als A. Césaire aus Martinique, L. S. Senghor aus Senegal und L.-G. Damas aus Frz.-Guayana in Paris die Zeitschrift »L'Étudiant Noir« gründeten. Die Einführung afrikan. Metaphern (Césaire) und Verse nach afrikan. Tanzrhythmen (Senghor) führten zur Herausbildung eines afrikan. Französisch, das für die Autoren der Négritude zum Instrument für polit. und geistige Unabhängigkeit wurde. Ihr Organ war die (noch bestehende) Zeitschrift »Présence Africaine«. Afrikan. Werte wurden wieder entdeckt und in Versen und histor. Romanen (I. M. Ouane aus Mali, A. Sadji aus Senegal) verherrlicht, später auch infrage gestellt (Y. Ouologuem). Gegen polit., religiöse und soziale Unterdrückung kämpft seit den 60er-Jahren der senegales. Erzähler und Filmregisseur S. Ousmane. Die Prosa von Mariama Bâ, die Lyrik von D. Diop (beide Senegal) und die aus der Folklore schöpfenden antikolonialen Gedichte von J. Rabemananjara (Madagaskar), Tchicaya U Tam'si (Rep. Kongo) u. a. stellen eigenständige literar. Leistungen dar. In der Prosa folgten, v. a. aus Kamerun, Romanautoren, z. B. M. Beti, R. Philombe und F. Oyono.Die englischsprachigen Staaten Westafrikas gewannen mit Erreichen der Unabhängigkeit literarisch an Bedeutung. Das Thema der 60er-Jahre war der Kulturkonflikt. Gegen Korruption und Machtmissbrauch, Sippenwirtschaft und Personenkult wenden sich Werke von A. Tutuola, C. Ekwensi, T. M. Aluko, N. Nwankwo, G. Okara; Vorbild dieser Autorengeneration wurde der Nigerianer C. Achebe. Der als Bürgerrechtler bekannt gewordene Oguni Ken Saro-Wiwa (Nigeria) war als Romancier, Drehbuchautor und Filmproduzent populär geworden. W. Soyinka (Nobelpreis 1986), J. P. Clark und D. Lapido verschafften dem nigerian. Theater Weltgeltung. Afrikan. Mythenwelt und literar. Modernismus verknüpften C. Okigbo und J. P. Clark in ihrer Lyrik. In Ghana schöpft der Lyriker K. Awoonor aus Ewe-Traditionen. Als Dramatikerinnen traten Efua Sutherland und die Erzählerin Ama Ata Aidoo hervor. Zeitkrit. Romane schrieben C. Duodu und A. K. Armah.In Ostafrika ist der bedeutendste Autor Ngugi wa Thiong'o (Kenia). Prosa schreiben ferner Nuruddin Farah (Somalia), Grace Ogot (Kenia) und M. Mwangi (Kenia), Lyriker sind Okot p'Bitek (Uganda) und A. Kachinque (Malawi).
Während in Angola, Moçambique sowie auf den Kapverd. Inseln (A. Nunes, A. Fonseca) eine anspruchsvolle Lit. auf Portugiesisch entstand (Pepetela, A. Neto, L. Vieira, O. B. Ribas), wird in Simbabwe Wert auf Lit. in afrikan. Sprachen gelegt.
▣ Literatur:
K. Ermert. Afrikan. Literatur - afrikan. Identität, hg. v. Rehburg-Loccum 1983.
⃟ Seiler-Dietrich, A.:Die Literaturen Schwarzafrikas. München 1984.
⃟ European-language writing in Sub-Saharan Africa, hg. v. A. S. Gérard, 2 Bde. Budapest 1986.
⃟ Luesebrink, H.-J.: Schrift, Buch u. Lektüre in der französischsprachigen Literatur Afrikas. Tübingen 1990.
⃟ Heinrichs, H.-J.: »Sprich deine eigene Sprache, Afrika!«. Von der Négritude zur afrikan. Literatur der Gegenwart. Berlin 1992.
Während in Angola, Moçambique sowie auf den Kapverd. Inseln (A. Nunes, A. Fonseca) eine anspruchsvolle Lit. auf Portugiesisch entstand (Pepetela, A. Neto, L. Vieira, O. B. Ribas), wird in Simbabwe Wert auf Lit. in afrikan. Sprachen gelegt.
▣ Literatur:
K. Ermert. Afrikan. Literatur - afrikan. Identität, hg. v. Rehburg-Loccum 1983.
⃟ Seiler-Dietrich, A.:Die Literaturen Schwarzafrikas. München 1984.
⃟ European-language writing in Sub-Saharan Africa, hg. v. A. S. Gérard, 2 Bde. Budapest 1986.
⃟ Luesebrink, H.-J.: Schrift, Buch u. Lektüre in der französischsprachigen Literatur Afrikas. Tübingen 1990.
⃟ Heinrichs, H.-J.: »Sprich deine eigene Sprache, Afrika!«. Von der Négritude zur afrikan. Literatur der Gegenwart. Berlin 1992.