Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Symbolismus
Symbolịsmus[grch.] der,
1) bildende Kunst: eine in ihren Anfängen bis ins 18. Jh. zurückreichende Kunstrichtung, die als Antithese zur Aufklärung (F. de Goya, W. Blake, J. H. Füssli, P. O. Runge u. a.) entstand. Im ganzen 19. Jh. befand sich der S. im Widerspruch zu der jeweils anerkannten Kunstauffassung, die von rationalist., realist. oder naturalist. Tendenzen bestimmt wurde. Der S. stellte den Glauben an den Wert allg. gültiger Maximen infrage und versuchte, die Welten der Fantasie und des Traums, die sich einer rationalist. Festlegung entziehen, wiederzugeben. Die symbolist. Kunst, stilistisch nicht einheitlich, ist mehr vom Inhalt her zu definieren. Grundlage ihres Ausdrucks war das Gefühl. In enger Beziehung zum literar. S. begegnet der S. in der Malerei nach 1885 bei einer Künstlergruppe um P. Gauguin und É. Bernard. Zu ihren Hauptvertretern gehörten außerdem M. Denis, P. Sérusier, P. Ranson (Gruppe der Nabis), die sich auch in theoret. Schriften äußerten. Der S. war eine gesamteurop. Erscheinung, die keine nat. Eigenheiten entwickelte. Wichtige Vertreter in Frankreich waren außerdem G. Moreau, P. Puvis de Chavannes, O. Redon, A. Rodin, in Belgien J. Ensor, in Dtl. H. von Marées, M. Klinger, F. von Stuck, in Österreich G. Klimt, in der Schweiz A. Böcklin, F. Hodler, in Russland M. A. Wrubel. Die Wirkung des S. reicht weit ins 20. Jh. und beeinflusste bes. den Jugendstil und den Surrealismus.
▣ Literatur:
H. A. Peters, S. in Europa, hg. v. Ausst.-Kat. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam. Baden-Baden 1976.
⃟ Hofstätter, H. H.: S. u. die Kunst der Jahrhundertwende. Köln 41978.
⃟ Lost paradise - symbollist Europe, bearb. v. P. Theberge, Ausst.-Kat.Montreal Museum of Fine Arts. Montreal 1995.
⃟ Kluge, R.-D.: »Der russische S.« Bibliographie, Kommentar, Texte. Tübingen 41997.
⃟ Der S. in England 1860-1910, hg. v. H. Wilton u. a., Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München. Stuttgart 1998.
2) Literatur: im letzten Drittel des 19. Jh. in Frankreich entstandene literar. Richtung (v. a. in der Lyrik). Der Begriff S. wurde erstmals 1886 von J. Moréas verwendet. Die Symbolisten, die keine einheitl. Gruppierung bildeten, lehnten jegl. naturalist. und realist. Traditionen ab. Der literar. S. ist wesentlich geprägt von Realitätsflucht, aus dem Unbehagen an einer vom positivistisch-materialist. Denken geprägten Zeit. Über den Gebrauch poet. Symbole hinaus strebten sie nach der Verschlüsselung jegl. Sinnzusammenhangs jenseits konventioneller Bedeutung der Sprache. Dichtung soll die Zusammenhänge zw. den äußeren Erscheinungen der Dinge und den verborgenen Seins- und Bewusstseinsschichten evozieren. Dafür nutzten die Dichter Wörter, deren Klang Assoziationen hervorrufen kann, vieldeutige Metaphern; sie versuchten das Übertragen von Sinneseindrücken aus einem Bereich in den anderen durch Klangfarbe, Satzbau und Sprachmelodie. Symbolist. Intentionen finden sich bereits bei C. Baudelaire, vollendet verwirklicht wurden sie in der frz. Lyrik von A. Rimbaud, P. Verlaine und S. Mallarmé. Führende Symbolisten waren in Belgien M. Maeterlinck, É. Verhaeren, G. Rodenbach, J.-K. Huysmans, in Spanien J. R. Jiménez, F. García Lorca, in Italien G. D'Annunzio, im angloamerikan. Bereich A. Symons, W. B. Yeats, O. Wilde sowie T. S. Eliot und E. Pound. S. Obstfelder, A. Garborg, K. Hamsun u. a. vertraten die neue irrationalist. romantisch-myst. oder individualist. Richtung in Norwegen, in Schweden der spätere A. Strindberg, V. von Heidenstam und Selma Lagerlöf. Symbolisten waren der Kreis »Junges Polen« (S. Przybyszewski u. a.), in Russland A. Blok, A. Bely, in der tschech. Literatur A. Sova.
In Dtl. übersetzte S. George Verlaine, Mallarmé und Baudelaire. Verlaines Forderung nach suggestiver Musikalität wurde vom jungen H. von Hofmannsthal und von R. M. Rilke verwirklicht. Neuromant. Abwendung von der Gegenwarts- und Wirklichkeitsbezogenheit in Lyrik, Epik und Dramatik zeigt sich bei der jungen Ricarda Huch, bei E. Hardt, E. Stucken, A. Schaeffer, H. Hesse u. a. C. Spitteler und G. Hauptmann suchten das Symbolische ins Mythische umzusetzen.
▣ Literatur:
Theisen, J.: Die Dichtung des frz. S. Darmstadt 1974.
⃟ The symbolist movement in the literature of European languages, hg. v. A. Balakian. Budapest 1982, Nachdr. ebd. 1984.
⃟ Hoffmann, P.: S. München 1987.
⃟ Debenedetti, J.-M. u. Baudiffier, S.: Les symbolistes. Paris 1990.
⃟ Hellman, B.: Poets of hope and despair. The Russian symbolists in war and revolution. 1914 - 1918. Helsinki 1995.
⃟ Kluge, R.-D.: »Der russische S.« Bibliographie, Kommentar, Texte. Tübingen 41997.
1) bildende Kunst: eine in ihren Anfängen bis ins 18. Jh. zurückreichende Kunstrichtung, die als Antithese zur Aufklärung (F. de Goya, W. Blake, J. H. Füssli, P. O. Runge u. a.) entstand. Im ganzen 19. Jh. befand sich der S. im Widerspruch zu der jeweils anerkannten Kunstauffassung, die von rationalist., realist. oder naturalist. Tendenzen bestimmt wurde. Der S. stellte den Glauben an den Wert allg. gültiger Maximen infrage und versuchte, die Welten der Fantasie und des Traums, die sich einer rationalist. Festlegung entziehen, wiederzugeben. Die symbolist. Kunst, stilistisch nicht einheitlich, ist mehr vom Inhalt her zu definieren. Grundlage ihres Ausdrucks war das Gefühl. In enger Beziehung zum literar. S. begegnet der S. in der Malerei nach 1885 bei einer Künstlergruppe um P. Gauguin und É. Bernard. Zu ihren Hauptvertretern gehörten außerdem M. Denis, P. Sérusier, P. Ranson (Gruppe der Nabis), die sich auch in theoret. Schriften äußerten. Der S. war eine gesamteurop. Erscheinung, die keine nat. Eigenheiten entwickelte. Wichtige Vertreter in Frankreich waren außerdem G. Moreau, P. Puvis de Chavannes, O. Redon, A. Rodin, in Belgien J. Ensor, in Dtl. H. von Marées, M. Klinger, F. von Stuck, in Österreich G. Klimt, in der Schweiz A. Böcklin, F. Hodler, in Russland M. A. Wrubel. Die Wirkung des S. reicht weit ins 20. Jh. und beeinflusste bes. den Jugendstil und den Surrealismus.
▣ Literatur:
H. A. Peters, S. in Europa, hg. v. Ausst.-Kat. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam. Baden-Baden 1976.
⃟ Hofstätter, H. H.: S. u. die Kunst der Jahrhundertwende. Köln 41978.
⃟ Lost paradise - symbollist Europe, bearb. v. P. Theberge, Ausst.-Kat.Montreal Museum of Fine Arts. Montreal 1995.
⃟ Kluge, R.-D.: »Der russische S.« Bibliographie, Kommentar, Texte. Tübingen 41997.
⃟ Der S. in England 1860-1910, hg. v. H. Wilton u. a., Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München. Stuttgart 1998.
2) Literatur: im letzten Drittel des 19. Jh. in Frankreich entstandene literar. Richtung (v. a. in der Lyrik). Der Begriff S. wurde erstmals 1886 von J. Moréas verwendet. Die Symbolisten, die keine einheitl. Gruppierung bildeten, lehnten jegl. naturalist. und realist. Traditionen ab. Der literar. S. ist wesentlich geprägt von Realitätsflucht, aus dem Unbehagen an einer vom positivistisch-materialist. Denken geprägten Zeit. Über den Gebrauch poet. Symbole hinaus strebten sie nach der Verschlüsselung jegl. Sinnzusammenhangs jenseits konventioneller Bedeutung der Sprache. Dichtung soll die Zusammenhänge zw. den äußeren Erscheinungen der Dinge und den verborgenen Seins- und Bewusstseinsschichten evozieren. Dafür nutzten die Dichter Wörter, deren Klang Assoziationen hervorrufen kann, vieldeutige Metaphern; sie versuchten das Übertragen von Sinneseindrücken aus einem Bereich in den anderen durch Klangfarbe, Satzbau und Sprachmelodie. Symbolist. Intentionen finden sich bereits bei C. Baudelaire, vollendet verwirklicht wurden sie in der frz. Lyrik von A. Rimbaud, P. Verlaine und S. Mallarmé. Führende Symbolisten waren in Belgien M. Maeterlinck, É. Verhaeren, G. Rodenbach, J.-K. Huysmans, in Spanien J. R. Jiménez, F. García Lorca, in Italien G. D'Annunzio, im angloamerikan. Bereich A. Symons, W. B. Yeats, O. Wilde sowie T. S. Eliot und E. Pound. S. Obstfelder, A. Garborg, K. Hamsun u. a. vertraten die neue irrationalist. romantisch-myst. oder individualist. Richtung in Norwegen, in Schweden der spätere A. Strindberg, V. von Heidenstam und Selma Lagerlöf. Symbolisten waren der Kreis »Junges Polen« (S. Przybyszewski u. a.), in Russland A. Blok, A. Bely, in der tschech. Literatur A. Sova.
In Dtl. übersetzte S. George Verlaine, Mallarmé und Baudelaire. Verlaines Forderung nach suggestiver Musikalität wurde vom jungen H. von Hofmannsthal und von R. M. Rilke verwirklicht. Neuromant. Abwendung von der Gegenwarts- und Wirklichkeitsbezogenheit in Lyrik, Epik und Dramatik zeigt sich bei der jungen Ricarda Huch, bei E. Hardt, E. Stucken, A. Schaeffer, H. Hesse u. a. C. Spitteler und G. Hauptmann suchten das Symbolische ins Mythische umzusetzen.
▣ Literatur:
Theisen, J.: Die Dichtung des frz. S. Darmstadt 1974.
⃟ The symbolist movement in the literature of European languages, hg. v. A. Balakian. Budapest 1982, Nachdr. ebd. 1984.
⃟ Hoffmann, P.: S. München 1987.
⃟ Debenedetti, J.-M. u. Baudiffier, S.: Les symbolistes. Paris 1990.
⃟ Hellman, B.: Poets of hope and despair. The Russian symbolists in war and revolution. 1914 - 1918. Helsinki 1995.
⃟ Kluge, R.-D.: »Der russische S.« Bibliographie, Kommentar, Texte. Tübingen 41997.