Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Strafrecht
Strafrecht(Kriminalrecht, früher peinliches Recht), der Teil der Rechtsordnung, der die Merkmale des strafbaren Handelns festlegt und an sie Strafe oder Maßregeln der Besserung und Sicherung als Rechtsfolgen knüpft. Aufgabe des S. ist es, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Nicht zum S. i. e. S. gehört das Recht der nichtkriminellen Strafen (z. B. Ordnungswidrigkeiten, Disziplinarrecht). Das S. ist heute in den meisten Staaten in einem Strafgesetzbuch und strafrechtl. Nebengesetzen (z. B. Straßenverkehrsgesetz) geregelt. Den Inhalt der strafrechtl. Rechtsregeln in ihrem inneren Zusammenhang zu entwickeln und zu deuten, ist Aufgabe der Strafrechtswissenschaft.
Das internat. S. grenzt den Geltungsbereich der nat. Strafgesetze gegen das Ausland ab. Nach dem dt. StGB gilt das dt. S. für Taten, die im Inland begangen wurden (Territorialitätsprinzip, § 3) sowie auf dt. Schiffen und Luftfahrzeugen (§ 4), ferner auch für Taten im Ausland gegen bestimmte inländ. Rechtsgüter (Schutzprinzip, § 5), gegen international geschützte Rechtsgüter (Weltrechtspflegeprinzip, § 6), ferner unter bestimmten Voraussetzungen bei Taten im Ausland gegen Deutsche (passives Personalitätsprinzip, § 7 Abs. 1) sowie von Deutschen und Ausländern, die nicht ausgeliefert werden (Prinzip der stellvertretenden S.-Pflege, § 7 Abs. 2).
Geschichte: In Dtl. war die »Peinliche Gerichtsordnung« Karls V. (Carolina, 1532) das erste, altdt. und italien. Rechtsgedanken verschmelzende Reichsstrafgesetzbuch, das den Strafprozess und das materielle S. zu einem einheitl. Ganzen verarbeitete. Die von der Carolina angedrohten Strafen waren noch vorwiegend Todes- oder verstümmelnde Leibesstrafen. Das harte Strafsystem wurde seit der Mitte des 17. Jh. gemildert, es entstand die Freiheitsstrafe. Seit dem 18. Jh. wurde die Carolina durch StGB der dt. Territorien ersetzt. Die verstümmelnden Leibesstrafen verschwanden; der Grundsatz nulla poena sine lege fand allg. Anerkennung. Das 19. Jh. brachte diese Entwicklung zum Abschluss. Begründer der modernen dt. S.-Wissenschaft war P. J. A. von Feuerbach, der zugleich Schöpfer des vorbildl. bayer. StGB von 1813 ist. Das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. 5. 1871 schuf zum zweiten Mal ein für das gesamte Reichsgebiet einheitl. S. Es spiegelt den Geist des liberalen Bügertums des 19. Jh. wider und ist bis heute in seinem Besonderen Teil im Wesentlichen in Kraft.
Literatur:
B. Schünemann Bausteine des europ. S., hg. v. u. J. de Figueiredo Dias. Köln u. a. 1995.
Krüger, R.: Grundstrukturen S. Münster 1996.
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