Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sterbehilfe
Sterbehilfe,begriffl. Zusammenfassung für Handlungen, die von der Hilfe und Unterstützung im Sterben bis hin zur aktiven Tötung Sterbender oder Schwerstkranker reichen. Die international für diesen Begriff gebräuchl. Bez. Euthanasie wird in Dtl. mit Rücksicht auf ihren Missbrauch während der nat.-soz. Zeit weitgehend vermieden. S. i. e. S. betrifft Situationen, in denen ein Sterbeprozess bereits unumkehrbar begonnen hat und/oder der Tod nahe bevorsteht. Generell geht es bei S. v. a. um die Bestimmung der Grenzen ärztl. Behandlungspflicht. Diese endet jedenfalls mit dem Eintritt des Hirntodes, d. h. dem irreversiblen und totalen Funktionsausfall des Gesamthirns.
Mangels einer speziellen gesetzl. Regelung in Dtl. bleiben die grundsätzl. Zulässigkeit der S., ihre Grenzen im Rechtlichen wie im Moralisch-Ethischen umstritten. Begrifflich unterscheidet man: Sterbebegleitung (Sterbebeistand) umfasst die nötige lindernde ärztl. wie pfleger. Versorgung und mitmenschl. Betreuung Sterbender. Bei Vorenthalten dieser »Basisversorgung« kommt Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder, soweit ursächlich, Tötung in Betracht. Die Verbesserung der Betreuung Sterbender ist in der Praxis das Anliegen der Hospizbewegung. Unter passiver S. wird das Unterlassen spezif. lebensverlängernder Maßnahmen (z. B. Beendigung einer Medikation, Verzicht auf Ultima-Ratio-Operationen, die allenfalls eine kurzfristige Lebensverlängerung erwarten lassen) beim dem Tode nahen Patienten unter gleichzeitigem Aufrechterhalten der Basisversorgung verstanden. In Bezug auf die passive S. ergibt sich aus dem Erfordernis der Einwilligung des Patienten in ärztl. Handeln, dass der Abbruch einer lebensverlängernden Behandlung, die lediglich den natürl. Ablauf des Sterbens verzögert, zulässig ist. Zur vorsorgl. Artikulierung des Patientenwunsches finden Patiententestamente (Patientenbriefe, Patientenverfügungen) zunehmende Verbreitung. Indirekte aktive S. ist die Gabe schmerz- oder leidenslindernder Mittel unter Inkaufnahme mögl. Lebensverkürzung. Die indirekte aktive S. wird bei unterschiedl. dogmat. Begründung weitgehend als zulässig betrachtet. Die direkte aktive S. ist das gezielte und tätige Herbeiführen des Todes. Sie ist unzulässig und als Tötungsdelikt strafbar.
Gesetzl. Regelungen zur S. gibt es u. a. in den Niederlanden (S. ausgelöst vom Willen des Sterbenden) und in den USA (in den meisten Bundesstaaten und seit 1991 ein Bundes-Ges. betreffend Patientenverfügungen).
Literatur:
A. Kaufmann Moderne Medizin u. Strafrecht, hg. v. u. a. Heidelberg 1989.
Materialien zur S., hg. v. A. Eser u. H.-G. Koch. Freiburg im Breisgau 1991.
Böckle, F.: Verantwortlich leben - menschenwürdig sterben. Zürich 1992.
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