Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Stalin
Stalin,Jossif (Josef) Wissarionowitsch, eigtl. J. W. Dschugaschwili, sowjet. Politiker georg. Herkunft, * Gori 21. 12. 1879 (nach anderen Angaben 6. 12. 1878), ✝ Kunzewo (heute zu Moskau) 5. 3. 1953; Sohn eines Schuhmachers; vom Priesterseminar in Tiflis 1899 wegen Verbindungen zu marxist. Kreisen (seit 1898 Mitgl. der SDAPR) ausgeschlossen; organisierte unter dem Decknamen Koba Streiks und Demonstrationen; zw. 1903 und 1917 mehrmals verbannt. Seit 1912 Mitgl. des ZK und seit 1917/19 des Politbüros der Bolschewiki; wurde nach der Oktoberrevolution Volkskommissar für Nationalitätenfragen (1917-23) und setzte mit der Roten Armee gewaltsam die Wiedereingliederung der vom russ. Gesamtstaat abgefallenen Nationalitäten des Kaukasus (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) durch. 1922 übernahm S. das neu geschaffene Amt des Gen.-Sekr. des ZK der Partei, das er trotz Lenins Empfehlung (»Testament«) zu seiner Ablösung auch nach dessen Tod (Jan. 1924) behielt. Zw. 1924 und 1929 gelang es S., seine Konkurrenten (insbesondere L. Trotzki) nach und nach auszuschalten. Ab Ende der 1920er-Jahre unumschränkter Diktator, sicherte er in der Folgezeit seine Macht durch eine rücksichtslose Vernichtung polit. Gegner, die ihren Höhepunkt mit den »Säuberungen« und Schauprozessen der 1930er-Jahre (Große Tschistka) erreichte. Innenpolitisch forcierte S. entsprechend seiner These vom »Aufbau des Sozialismus in einem Land« die Industrialisierung und Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft. Außenpolitisch schloss er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 einen Nichtangriffspakt mit Dtl. (Geheimes Zusatzprotokoll zur Festlegung der territorialen Interessensphären in O-Europa). Nach der Besetzung O-Polens (Sept. 1939) löste er den finnisch-sowjet. Winterkrieg (1939/40) aus und gliederte 1940 die balt. Staaten als Sowjetrep. der UdSSR an. Vom dt. Angriff 1941 wurden S. und die Rote Armee, deren Offizierskorps durch die »Säuberungen« stark dezimiert worden war, überrascht. Während des Krieges ließ er unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den Deutschen nat. Minderheiten nach O deportieren (u. a. 1941 die Wolgadeutschen, 1944 die Krimtataren). Die letztlich erfolgreiche Abwehr des dt. Überfalls im »Großen Vaterländ. Krieg« nutzte S. als Vors. des Rats der Volkskommissare (seit 1941), Marschall (1943) und schließlich Generalissimus (1945) zum weiteren Ausbau des Personenkults. In den Verhandlungen mit den westl. Alliierten (Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam) und durch den erzwungenen Machtantritt kommunist. Parteien in mittel- und osteurop. Ländern konnte S. die Einflusssphäre der UdSSR bis zum O Dtl.s ausdehnen. Er ließ in den »Volksdemokratien« führende nationalkommunist. Kräfte ausschalten (seit Ende der 1940er-Jahre Schauprozesse; 1948 Bruch mit dem von J. B. Tito geführten Jugoslawien). Der von S. formierte Ostblock (Ausrichtung der zu ihm gehörenden Staaten am sowjet. Gesellschaftsmodell) geriet in einen scharfen Ggs. zu der von den USA geführten westl. Welt (Kalter Krieg, Ost-West-Konflikt). Eine bereits vorbereitete neue Welle von innenpolit. »Säuberungen« kam durch seinen Tod nicht mehr zustande. 1956 begann mit der Kritik N. S. Chruschtschows an S. und seiner Herrschaft (»Geheimrede« auf dem XX. Parteitag) eine Entstalinisierung. 1961 wurde der Leichnam S.s vom Mausoleum am Roten Platz in Moskau an die Kremlmauer umgebettet. S., der sich selbst unter die »Klassiker« des Marxismus-Leninismus einreihte, verfasste zahlr., den Marxismus vulgarisierende Schriften (Stalinismus).
▣ Literatur:
Bullock, A.: Hitler u. S. A. d. Engl. Tb.-Ausg. München 1993.
⃟ Rubel, M.: Josef W. S. Reinbek 71994.
⃟ Becker, F.: S.s Blutspur durch Europa. Partner des Westens 1933-45. Kiel 1996.
▣ Literatur:
Bullock, A.: Hitler u. S. A. d. Engl. Tb.-Ausg. München 1993.
⃟ Rubel, M.: Josef W. S. Reinbek 71994.
⃟ Becker, F.: S.s Blutspur durch Europa. Partner des Westens 1933-45. Kiel 1996.