Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Spanien
Spani|en Fläche: 504 782 km2
Einwohner: (1995) 39,62 Mio.
Hauptstadt: Madrid
Verwaltungsgliederung: 17 autonome Regionen
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertag: 12. 10.
Währung: Peseta (Pta)
Zeitzone: MEZ
(span. España, amtl. Reino de España, dt. Königreich Spanien), Staat in SW-Europa, auf der Iber. Halbinsel, grenzt im NO an Frankreich und Andorra, im W an Portugal. Zu S. gehören die Balearen, die Kanarischen Inseln und die nordafrikan. Besitzungen (Ceuta, Melilla u. a.).
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1978 (1992 revidiert) ist S. eine Erbmonarchie mit parlamentarisch-demokrat. Reg.system. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der König, dessen Person unverletzlich ist und der nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Er hat das Recht, das Parlament einzuberufen und aufzulösen sowie Wahlen anzusetzen. Er schlägt den Kandidaten für das Amt des MinPräs. vor, der vom Abg.haus gewählt wird, und ernennt auf Vorschlag des MinPräs. die Mitgl. des Kabinetts, das dem Abg.haus verantwortlich ist. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament (Cortes), bestehend aus dem Abg.haus (350 Abg., auf vier Jahre gewählt) und dem Senat als Kammer der territorialen Vertretung (208 in den Prov. auf vier Jahre gewählte und 47 von den autonomen Gemeinschaften ernannte Mitgl.). Als konsultatives Gremium existiert ein 23-köpfiger Staatsrat. Die Verf. betont die Einheit der Nation, gestattet jedoch die Bildung autonomer Gemeinschaften mit innerer Selbstverwaltung (eigene Parlamente und Reg.). Einflussreichste Parteien: Sozialist. Arbeiterpartei (PSOE), Volkspartei (PP), Vereinigte Linke (IU), Demokrat. und Soziales Zentrum (CDS), katalan. Konvergenz und Union (CiU) sowie Baskische Nationalist. Partei (PNV).
Landesnatur: Das Gebiet des festländischen S. nimmt über vier Fünftel der Iber. Halbinsel ein. Den Kernraum bildet die Hochfläche der Meseta. Sie wird unterteilt vom Kastil. Scheidegebirge (in der Sierra de Gredos 2 592 m ü. M.) in die N-Meseta (durchschnittlich 800 m hoch), die sich nach Portugal hinein fortsetzt, und in die S-Meseta (durchschnittlich 650 m hoch), die sich nach W entlang dem Tajo und Guadiana abdacht. Fast allseits ist die Meseta von Randgebirgen umgeben, die meerwärts nur schmalen Küstentiefländern Raum geben. Die Gebirgsumrahmung bildet im N das Kantabr. Gebirge, das nach W in das Bergland N-Galiciens übergeht. Im O liegt das Iber. Randgebirge und im S die Sierra Morena bzw. die Bet. Kordillere (im Mulhacén 3 478 m ü. M.). Zwischen Sierra Morena und Bet. Kordillere liegt das breite, zum Atlantik offene Guadalquivirbecken. Im NO des Landes erstreckt sich zw. Iber. Randgebirge und Pyrenäen, deren Hauptkamm die Grenze gegen Frankreich bildet, das durch das Katalon. Bergland gegen das Mittelmeer abgeschlossene Ebrobecken. Die Küstenlänge (ohne Inseln) beträgt 3 144 km, davon 1 663 km am Mittelmeer. - Ein immerfeuchter Klimabereich ist der N-Saum der Iber. Halbinsel, W-Winde bringen ganzjährige Niederschläge; die Temperaturen sind durch die Meeresnähe sehr ausgeglichen. Die Meseta (Sommer bis 40 ºC, Winter bis —8 ºC) wird vom mediterranen Niederschlagsrhythmus geprägt. Die Sommer sind trocken, die Winter feucht; Jahressumme der Niederschläge zw. 250 mm (Almería) und bis über 2 000 mm in Küstenbergländern oder zentralen Gebirgen. Die Niederschlagsmaxima liegen im Spätherbst und Frühjahr. - Infolge der großen Höhenunterschiede zw. Küstenebenen und Hochgebirgen ist die Vegetation entsprechend abgestuft: Über der für die Tiefländer typ. Ölbaum- und Macchie-Garrigue-Stufe mit immergrünen Eichen folgt stellenweise ein Nadel-(Kiefern) oder Laubwald (Buchen). Die Hochzonen haben karge Grasfluren und Zwergwacholderbestände. Ein küstenparalleler Streifen im SO (zw. Almería und Alicante) hat Halbwüstencharakter.
Bevölkerung: Die ethn. Herkunft der Bev. ist vielfältig. Über 72 % machen den kastilisch sprechenden Bev.anteil aus; es sind vorwiegend Kastilier, Asturier, Aragonier und Andalusier (mit stärkerem afrikanisch-oriental. Einschlag). Basken (2,3 %; mit eigener vorindogerman. Sprache), Katalanen (16 %; mit eigener roman. Schrift- und Literatursprache) und in geringerem Maß auch die den Portugiesen nahe stehenden Galicier (8 %; mit eigenem roman. Idiom) nehmen in Volkskultur und Sprache eine Sonderstellung ein. Die Staatssprache Spanisch beruht auf der kastil. Mundart (castellano); Katalanisch, Baskisch und Galicisch sind seit der Nach-Franco-Zeit als regionale »Nationalsprachen« anerkannt. Am dichtesten besiedelt sind die Hauptstadtregion, die Prov. Barcelona und die bask. Prov. Vizcaya und Guipúzcoa, die geringste Siedlungsdichte haben die Regionen Kastilien-La Mancha, Aragonien und Extremadura. - Es besteht allg. Schulpflicht vom 7. bis 16. Lebensjahr. Wesentl. Anteil am Schulwesen besitzen private und kirchl. Einrichtungen. S. hat (1996) 37 staatl. Univ., vier TH, zwei autonome Univ., vier kath. Univ., sechs private Univ. und eine Fernuniversität. - 95 % der Bev. gehören der röm.-kath. Kirche an, die nach der neuen Verf. nicht mehr Staatskirche ist.
Wirtschaft, Verkehr: Bis 1960 war S. vorwiegend ein Agrarland. Seitdem befindet sich der Agrarsektor in einem Strukturwandel, der durch S.s Beitritt zur EG noch beschleunigt wurde. Die landwirtschaftl. Nutzfläche macht rd. 60 % der Gesamtfläche aus; davon sind 15,6 Mio. ha Ackerland, 4,8 Mio. ha Dauerkulturen (darunter 1,5 Mio. ha Rebland), 10,2 Mio. ha Wiesen und Weiden. Von der landwirtsch. Fläche liegt ein erhebl. Teil brach. Die Hochflächen sind das Hauptgebiet des Getreide- und Weinbaus, im S auch der Olivenkulturen (S. steht in der Olivenölerzeugung an erster Stelle der Welt). Im NW werden auch Kartoffeln, Mais u. a. angebaut, in den östl. und südöstl. Randzonen Obst, Gemüse, Reis, Baumwolle, Tabak, Zitronen, Mandeln, Nüsse u. a. Auf dem Hochland ist die Schafzucht bedeutend. Die Fischerei (Sardinen, Thunfisch) spielt immer noch eine große Rolle; die wichtigsten Fischerhäfen liegen an der galic. Küste, hier werden auch Muscheln und Austern gezüchtet. Durch Raubbau ist der Waldbestand zu einem großen Teil vernichtet worden; geschlossene Waldgebiete gibt es nur noch im N und NW. Heute wird jedoch planmäßig Aufforstung betrieben. Der Bergbau fördert Stein-, Braunkohle, Eisenerz, Schwefelkies, Kupfer, Blei, Quecksilber (eine der höchsten Produktionsraten der Welt), Uran, Erdöl, Erdgas, Stein- und Meersalz. Die wichtigsten Ind.zweige sind Eisen- und Stahlerzeugung und -verarbeitung, Bergbau, Maschinen-, Fahrzeug-, Schiffbau, Aluminium-, Elektro-, Nahrungsmittel- (Fisch-, Obstkonserven, Wein, Olivenöl), Textil- und Schuhindustrie. Ausgeführt werden v. a. Maschinen, elektrotechn. Erzeugnisse, Fahrzeuge, Eisen und Stahl, Aluminium, Chemikalien und landwirtsch. Produkte. Haupthandelspartner sind die EU-Länder und die USA. Das Handelsbilanzdefizit kann durch die wachsenden Einnahmen aus dem Fremdenverkehr (1995 über 63 Mio. ausländ. Touristen) und die Geldüberweisungen der im Ausland Beschäftigten z. T. ausgeglichen werden. - Der Eisenbahnverkehr wird von der staatl. Ges. »Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles« (Abk. RENFE) und versch. Privatgesellschaften betrieben. Von den 13 060 km der RENFE-Strecke sind 6 736 elektrifiziert. Drei Viertel des Straßennetzes von 326 616 km sind befestigte Straßen (7 736 km Autobahnen und vierspurige Straßen, 22 536 km Haupt- und Nationalstraßen). Die Küsten- und Hochseeschifffahrt spielen eine wichtige Rolle; Haupthäfen sind Barcelona, Bilbao, Valencia, Gijón, Sevilla, Avilés und Las Palmas. Die wichtigsten internat. Flughäfen sind Madrid (»Barajas«), Barcelona und Palma de Mallorca.
Geschichte: Vorgeschichte: Mittelmeerraum.Antike, Völkerwanderung und arab. Herrschaft: Wahrscheinlich seit dem Neolithikum wurde die Halbinsel von Iberern, seit dem 6. Jh. v. Chr. auch von Kelten besiedelt, an der SW-Küste entstanden seit etwa 1100 v. Chr. phönik. Kolonien. Seit dem 7. Jh. v. Chr. siedelten auch Griechen in S., sie konnten aber ihre Selbstständigkeit nur im NO bewahren, da die Karthager von der S-Küste vordrangen. Erst nach dem 2. Pun. Krieg mussten sie sich zurückziehen; bis zur Herrschaft des Augustus war die gesamte Halbinsel dem Röm. Reich eingegliedert (Prov. Hispania citerior und Hispania ulterior), was zur vollständigen Romanisierung führte. Die Provinzen hatten für das Reich große ökonom. Bedeutung (Wein, Öl, Gold, Silber). Zu Beginn des 5. Jh. n. Chr. drangen Sweben, Alanen und Wandalen über die Pyrenäen ein, kurz danach die Westgoten. Diese gingen, bes. nach ihrem Übertritt vom arian. zum kath. Christentum (587), in der roman. Bevölkerung auf. Ihr Reich, durch innere Wirren geschwächt, erlag 711 dem Angriff der muslim. Araber (Mauren), deren Feldherr Tarik bei Jerez de la Frontera die Westgoten besiegte. Das Herrschergeschlecht der Omaijaden gründete 756 in Spanien das selbstständige Emirat von Córdoba, dessen Emire 929 den Titel Kalif annahmen (bis 1031). Unter der arab. Herrschaft erreichten Landwirtschaft, Handwerk und geistiges Leben eine hohe Blüte. Die arab. Kultur, an der auch Christen (Mozaraber) und Juden teilhatten, strahlte auf das abendländ. MA. aus; sie brachte bed. Gelehrte hervor: Ibn Sina (Avicenna), Ibn Ruschd (Averroes), Maimonides. Nach 1031 zerfiel das Reich von Córdoba in Teilfürstentümer (Taifas), während von N her die christl. Rückeroberung der Iber. Halbinsel, die Reconquista, immer weiter voranschritt.Die Reconquista: Im Kantabr. Gebirge im N des Landes hatte sich westgot. Widerstand unter Pelayo behauptet. Er gründete das Königreich Asturien. Der Pyrenäenraum stand unter fränk. Einfluss. 1035, nach dem Tod Sanchos III. von Navarra, der auch die Grafschaften Aragonien, Asturien, Teile Leóns sowie Kastilien beherrscht hatte, wurden die Reiche wieder selbstständig, Portugal löste sich 1095 von Kastilien, 1137 wurden Katalonien und Aragonien vereint, Kastilien und León endgültig 1230. Die entscheidende Phase der Reconquista begann nach 1031: 1085 wurde Toledo, 1118 Saragossa, 1236 Córdoba, 1248 Sevilla erobert. Nur das maur. Königreich Granada konnte sich als kastil. Lehen halten. Aragonien-Katalonien erlangte durch die Herrschaft über die Balearen (1229-35), Sizilien (1282), Sardinien (1326) und das Königreich Neapel (1443) bis zur Mitte des 15. Jh. die Vormacht im westl. Mittelmeer. 1469 wurde durch die Heirat der Erben der beiden Hauptreiche, Isabella I. von Kastilien (1474-1504) und Ferdinand II. von Aragonien (1479-1516), der Grundstein zum span. Gesamtstaat gelegt. Die »Kath. Könige« (so der ihnen vom Papst 1496 verliehene Titel) stärkten die Macht der Krone gegenüber dem Adel und den Bischöfen, u. a. durch die Einführung der Inquisition (1483). Gemeinsam eroberten Isabella und Ferdinand 1492 Granada; Ferdinand unterwarf 1478-96 die Kanar. Inseln, holte 1504 das einer Nebenlinie zugefallene Königreich Neapel zurück und eroberte 1512 Obernavarra; Isabella unterstützte seit 1492 Kolumbus, dessen Entdeckungen die Gründung des span. Kolonialreichs einleiteten. Eine Reihe von Verträgen (u. a. Tordesillas, 1494) grenzte die span. von der portugies. Interessensphäre ab. Im Geist des unduldsamen Katholizismus wurden 1492 die meisten Juden und 1609 die rd. 270 000 in Spanien verbliebenen Mauren (»Morisken«) vertrieben, was Landwirtschaft, Handel und Gewerbe schwer schädigte.Die Weltmacht im 16. Jh.: Die Erbtochter Ferdinands und Isabellas, Johanna die Wahnsinnige, wurde mit dem Habsburger Philipp dem Schönen (✝ 1506) vermählt. Ihr ältester Sohn wurde 1516 König von S. und 1519 als Karl V. zum Röm. König gewählt; außer dem span. fiel ihm das habsburgisch-burgund. Erbe zu (Abtretung der österr. Erblande 1521 an seinen Bruder Ferdinand). Nach der Niederschlagung eines Aufstands (1520-22) setzte er die zentrale Macht der Krone endgültig durch. In mehreren Kriegen gegen Frankreich gewann er die span. Vorherrschaft in Italien und damit die europ. Hegemonie. Gleichzeitig stieg S. zur führenden Kolonialmacht auf. Die Konquistadoren H. Cortez und F. Pizarro eroberten den größten Teil Süd- und Mittelamerikas; die Philippinen wurden in Besitz genommen. Unter Karls V. Sohn Philipp II., der die Kaiserwürde nicht erbte, war S., die Heimat des Jesuitenordens, die Vormacht des europ. Katholizismus und der Gegenreformation. Die Härte, mit der Philipp II. und sein Feldherr Alba gegen die protestantisch-ständ. Unruhen in den Niederlanden vorgingen, führte 1581 zum offenen Abfall der nördl. Provinzen (Niederlande, Geschichte). Die Verteidigung des verstreuten Besitzes verwickelte Spanien in viele kostspielige Kriege: im Kampf mit England, das die Niederlande unterstützte, wurde 1588 die Armada, die große span. Flotte, vernichtet; trotz des Sieges über die türk. Flotte bei Lepanto 1571 konnte S. die Seeherrschaft im westl. Mittelmeer nicht behaupten. Durch die Vereinigung mit Portugal erreichte S. 1580 die größte Ausdehnung seines Territoriums. Die Kriege erschöpften S. wirtsch. und finanziell; nach dem Tod Philipps II. setzte ein unaufhaltsamer Niedergang der span. Macht ein. Die Blüte von Kunst und Literatur (Siglo de Oro) hielt bis ins 17. Jh. an.Der Niedergang im 17. und 18. Jh.: Unter Philipp III. und seinem Min. Lerma wurde bis 1611 die Vertreibung der Morisken aus Süd- und Ost-S. weitgehend abgeschlossen. Philipp IV. und sein Min. Olivares nahmen 1621 den Krieg gegen die nördl. Niederlande wieder auf und griffen aufseiten der österr. Habsburger in den Dreißigjährigen Krieg ein; dabei geriet S. in den Entscheidungskampf gegen das aufstrebende Frankreich Richelieus und Mazarins. 1640 erklärte Portugal seine Unabhängigkeit, die S. 1668 anerkannte. Im Westfäl. Frieden von 1648 musste S. die Unabhängigkeit der nördl. Niederlande anerkennen, im Pyrenäenfrieden von 1659 das Roussillon, die Cerdagne und das Artois an Frankreich abtreten. Durch die Raubkriege Ludwigs XIV. verlor es noch die Freigrafschaft Burgund (1678) und das südl. Flandern (1668 und 1678) an Frankreich. Die Engländer und Niederländer brachten im Lauf des 17. Jh. Teile des span. Kolonialreichs in ihren Besitz. Mit Karl II. starben die span. Habsburger aus (1700); er hatte als Erben Philipp von Anjou eingesetzt. Habsburg. Ansprüche führten zum Spanischen Erbfolgekrieg, in dem sich Philipp (V.) mit frz. Unterstützung durchsetzte, aber Gebietsverluste hinnehmen musste. Das Königreich Neapel-Sizilien fiel später, 1735, an eine Nebenlinie der span. Bourbonen zurück, ebenso 1748 das norditalien. Herzogtum Parma-Piacenza. Nach Ferdinand VI. bemühte sich Karl III. im Geist der Aufklärung um innere Reformen und wies 1767 die Jesuiten aus. In den europ. Kriegen des 18. Jh. kämpften die span. Bourbonenkönige an der Seite Frankreichs gegen Großbritannien. M. de Godoy, Günstling und leitender Min. Karls IV., führte das Land schließlich in völlige Abhängigkeit von Napoleon I.Das 19. Jahrhundert: Als es 1808 zu einem Volksaufstand gegen die Willkürherrschaft Godoys kam, zwang Napoleon Karl IV. und seinen Sohn Ferdinand zum Verzicht auf die Krone und ernannte seinen Bruder Joseph Bonaparte zum span. König. Aber die Spanier erhoben sich gegen die Fremdherrschaft, unterstützt von einem brit. Heer unter Wellington (Napoleonische Kriege). Gegen die Überlegenheit des frz. Heeres setzen die Spanier die Taktik des Kleinkrieges (»guerilla«) ein. 1813 wurden die Franzosen vertrieben. Schon 1810 waren die alten Stände, die Cortes, in Cádiz zusammengetreten, um eine liberale Verf. zu beschließen (1812). Als Ferdinand VII. zurückkehrte, hob er diese Verf. wieder auf und regierte mit absolutist. Methoden (u. a. Wiedereinführung der Inquisition). Die liberale Revolution, die 1820 unter Führung von R. de Riego y Nuñez den König zwang, die Verf. von 1812 anzuerkennen, wurde durch Eingreifen der Hl. Allianz unter Führung Ludwigs XVIII. von Frankreich niedergeschlagen. Inzwischen hatten sich die span. Kolonien des amerikan. Festlandes in langen Kämpfen von der Herrschaft des Mutterlandes befreit (1810-24); S. behielt, da es 1819 Florida an die USA verkauft hatte, nur die Inseln Kuba und Puerto Rico. Gegen die Thronfolge der noch unmündigen Tochter Ferdinands VII., Isabella II., erhob sich 1834 ihr Onkel Don Carlos; ihm fielen v. a. die streng kath. baskische Provinz zu, die sich neben Navarra ihre alten Sonderrechte bewahrt hatte, ferner Aragonien und Katalonien, die dem Vorrang Kastiliens und Madrids widerstrebten. Die Reg.jahre Isabellas waren gekennzeichnet durch ständige Unruhen, Parteienkämpfe, Aufstände und die Kriege der Anhänger des Don Carlos, der Karlisten. 1868 wurde die Königin durch eine Erhebung der liberalen Generale gestürzt, die eine konstitutionelle Monarchie anstrebten. Die Cortes wählten 1870 Amadeus von Savoyen zum König, doch zwangen ihn republikan. Bewegungen und der 3. Karlistenkrieg schon 1873 zur Abdankung. Die Cortes riefen die Rep. aus, jedoch konnten auch die Republikaner weder eine starke Reg. noch geordnete Verhältnisse schaffen. 1874 wurde der Sohn Isabellas II., Alfons XII., zum König ausgerufen. Die Restauration lenkte die polit. Kräfte durch die Schaffung zweier Parteien, der Liberalen und der Konservativen, in feste Bahnen (Verf. von 1876). Nach dem frühen Tod Alfons' XII. fiel die Krone an seinen nachgeborenen Sohn Alfons XIII. Ein Aufstand der Kubaner gegen die span. Herrschaft führte 1898 zu einem Krieg S.s mit den USA, dem Spanisch-Amerikan. Krieg, der durch den Frieden von Paris (1898/99) beendet wurde: S. musste nach der Vernichtung seiner Flotte die Philippinen, Kuba und Puerto Rico abtreten und verkaufte 1899 die Karolinen, Marianen und Palauinseln an das Dt. Reich.Das 20. Jahrhundert: Die Verluste der Kolonien suchte S. durch Besetzung Marokkos auszugleichen. Die Feldzüge stießen auf Proteste aus der Bev., die 1909 in Barcelona in einen blutig unterdrückten Generalstreik mündeten. Im Ersten Weltkrieg blieb S. neutral, doch führten soziale Gegensätze, Ausrufung des Generalstreiks, Aktionen unzufriedener Offiziere 1917 zu einer Staatskrise. In Katalonien war eine starke regionalist. Bewegung entstanden, die nach der Selbstständigkeit des Landes strebte, sie verfügte u. a. die Trennung von Staat und Kirche. 1923 errichtete J. Primo de Rivera im Einverständnis mit Alfons XIII. eine Militärdiktatur. Den Aufstand der Rifkabylen in Marokko warf er 1925/26 mithilfe Frankreichs nieder, aber die wachsende Gegnerschaft im Volk konnte er nicht überwinden; Anfang 1930 musste er zurücktreten. Nach einem Wahlsieg der republikan. Parteien dankte Alfons XIII. am 14. 4. 1931 ab und ging ins Ausland.
Die neue Rep. gab sich (nach Wahlen am 28. 6. 1931, die eine große sozialistisch-republikan. Mehrheit brachten) die demokrat. Verf. vom 9. 12. 1931. Die Reg. M. Azaña y Díaz (1931-33) verabschiedete 1932 eine Agrarreform und ein Autonomiestatut für Katalonien. 1933 machten rechtsorientierte Reg. die Reformen z. T. wieder rückgängig und lösten damit 1934 einen Bergarbeiteraufstand in Asturien und die Proklamation der Unabhängigkeit in Katalonien aus. Nach dem Wahlsieg der Volksfront (Republikaner, Sozialisten und Kommunisten) im Febr. 1936 verschärften sich die Gegensätze, ein Militärputsch nationalist.-autoritärer Kräfte führte im Juli 1936 zum Spanischen Bürgerkrieg. Am 1. 10. 1936 trat General Franco Bahamonde an die Spitze einer Militärjunta. Die Reg. der Rep. konnte die Ausbreitung seines Herrschaftsgebiets nicht verhindern. Nach der Eroberung Barcelonas durch Francotruppen am 26. 1. 1939 löste sich das republikan. Reg.system auf. Gestützt auf die Falange, hatte Franco schon im Bürgerkrieg mit dem Aufbau einer faschist. Diktatur begonnen. Im Rahmen einer staatl. Zwangsgewerkschaft waren Arbeiter und Unternehmer zusammengeschlossen. Alle demokrat. Strukturen wurden unterdrückt. Der kompromisslose Zentralismus verfolgte alle regionalist. Bestrebungen; auch die Pflege nichtkastil. Sprachen, Folklore usw. war verboten.Die polit. Sympathien Francos für die Achsenmächte (1939 Austritt aus dem Völkerbund) ließen S. nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in polit. und wirtsch. Isolierung geraten (Ausschluss aus der Marshallplanhilfe), bis ab 1950 die USA in S. Militärstützpunkte errichteten. Ebenfalls seit den 50er-Jahren gab S. nach und nach seine afrikan. Kolonien auf. Eine durchgreifende wirtsch. Besserung trat Ende der 50er-Jahre ein, als mit internat. Hilfe umfangreiche Entwicklungsprogramme realisiert wurden. Parallel dazu gab es gewisse Liberalisierungen in der Wirtschaft, jedoch keinen grundsätzl. Kurswechsel. Seit 1951 erschütterten große Streiks v. a. Katalonien und das Baskenland; der Widerstand radikaler Untergrundorganisationen konnte nicht gebrochen werden. Auch in der kath. Kirche, die urspr. eng mit dem Francoregime zusammengearbeitet hatte, regte sich zunehmend Kritik. Seit 1947 plante Franco für seine Nachfolge die Wiedereinführung der Monarchie. Unter den Thronprätendenten entschied er sich für Juan Carlos, den Enkel Alfons' XIII. Seit 1971 war dieser Stellv. des Staatschefs; zwei Tage nach dem Tod Francos wurde er am 22. 11. 1975 als Juan Carlos I. zum span. König proklamiert.Noch im Nov. 1975 wurden Baskisch, Katalanisch und Galicisch als Staatssprachen anerkannt. A. Suárez González, MinPräs. seit Juli 1976, leitete die Demokratisierung ein. Der Plan zur Reform der polit. Institutionen wurde in einer Volksabstimmung im Dez. 1976 mit großer Mehrheit gebilligt. Aus den ersten demokrat. Wahlen seit dem Bürgerkrieg (Juni 1977) ging die Union des Demokrat. Zentrums (UCD) unter Suárez González als stärkste Gruppierung hervor. Am 6. 12. 1978 wurde die demokrat. Verf. vom Volk angenommen, die u. a. den span. Regionen das Recht auf Autonomie zugesteht (bis 1986 wurden 17 autonome Regionen gebildet). Neuwahlen im März 1979 brachten eine relative Mehrheit für die UCD, gefolgt von den Sozialisten und Kommunisten. Suárez González trat Ende Jan. 1981 zurück, sein Nachfolger wurde L. Calvo Sotelo. Noch vor dessen Bestätigung durch die Cortes kam es am 23./24. 2. 1981 zu einem rechtsgerichteten Putschversuch, der jedoch fehlschlug, nachdem sich König Juan Carlos I. öffentlich zur Demokratie bekannt hatte. Die Wahlen im Okt. 1982 gewann der sozialdemokrat. PSOE, MinPräs. wurde F. González Márquez, bis 1989 konnte er mit absoluter Mehrheit regieren. Bei den vorgezogenen Wahlen im Juni 1993 ging der Stimmenanteil des PSOE zwar weiter zurück, doch blieb sie stärkste Partei. Wirtschaftl. Schwierigkeiten sowie Korruptions- und Betrugsvorwürfe gegen führende PSOE-Politiker (die 1998 als manipulierte Kampagne enthüllt wurden) führten bei den Wahlen vom März 1996 zu Stimmenverlusten der PSOE. Stärkste Partei wurde mit 156 Sitzen in den Cortes die konservative Volkspartei (PP), die mit J. M. Aznar López den MinPräs. einer Minderheitenreg. stellt, die von der katalan. Regionalpartei unterstützt wird. Auch andere regionale Parteien haben erhebl. Einfluss, v. a. die bask. nationalist. Partei Herri Batasuna, die als polit. Arm der ETA gilt, deren Terroranschläge immer wieder das öffentl. Leben in S. erschüttern. - Nach heftigen innenpolit. Auseinandersetzungen trat S. im Mai 1982 der NATO bei (in einem Referendum 1986 bestätigt). Die 1977 aufgenommenen Verhandlungen führten am 1. 1. 1986 zur Mitgliedschaft S.s. in der EG.
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