Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sozialversicherung
Sozialversicherung,Bez. für die Gesamtheit gesetzl. Pflichtversicherungen für breite Bev.schichten gegen Schäden, welche die soziale Existenzgrundlage der Versicherungsmitgl. beeinträchtigen (Solidargemeinschaft auf der Basis eines gesellschaftsweiten Solidaritätsprinzips im Ggs. zur freiwilligen Individualversicherung). Schutz gewähren S. v. a. gegen massenhaft anfallende Standardrisiken hochgradig arbeitsteiliger Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften, insbesondere Einkommensrisiken wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Unfall, aufgrund von Arbeitslosigkeit, Alter, Pflegebedürftigkeit und Invalidität sowie zum Ausgleich von Risiken infolge von Entbindung oder Tod. Schutz durch S. wird vorrangig denjenigen gewährt, die in einem Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis stehen, oftmals auch für deren Familienangehörige, sowie für wirtschaftlich gefährdete Selbstständigengruppen, wie z. B. Landwirte. Nicht der S. unterliegen Beamte (Versorgung), ein Teil der Selbstständigen und grundsätzlich geringfügig Beschäftigte (geringfügige Beschäftigung. Im Ggs. zum Fürsorgeprinzip (Prüfung der individuellen Bedürftigkeit z. B. bei der Sozialhilfe) wie auch zum Versorgungsprinzip (Vergabe einer standardisierten Sozialleistung nach gesetzlich fixiertem Versorgungsfall) gründet der Anspruch aus der S. auf Zahlung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Versicherungsbeiträgen. In reichen Industrieländern werden S.-Leistungen i. d. R. zusätzlich aus dem Staatsbudget bezuschusst. Zweige der S. in Dtl. sind die gesetzl. Krankenversicherung, die gesetzl. Unfallversicherung, die gesetzl. Rentenversicherung, die Pflegeversicherung sowie - je nach Systematik - die auch der Arbeitsmarktpolitik zuzurechnende Arbeitslosenversicherung. Geschichte: Ideengeschichtlich wurzelt die S. in Traditionen der genossenschaftl. Selbsthilfe und des fürsorgl. Staates. Als Vorläufer gelten die Selbsthilfeeinrichtungen für in Not geratene Knappen im Bergbau (die späteren Knappschaftskassen) und Versicherungsgemeinschaften von Gilden und Zünften, ebenso wie die auf Schutz- und Wohlfahrtsmehrung der Untertanen gerichtete Politik eines paternalistisch orientierten Staates. Die S. sind zentrales Anliegen von Sozialpolitik und Sozialstaat und zugleich deren Keimzelle. In Dtl. wurden früher als anderswo die ersten Netze der Krankenversicherung (1883), der Unfallversicherung (1884) und der Invaliden- und Altersversicherung (1889) aufgebaut. Charakteristisch hierfür war eine von den Eliten getragene Sozialpolitik »von oben«, die einige der sozialen Forderungen der Arbeiterbewegung aufgriff, primär aber darauf abzielte, deren weiter reichende polit. Forderungen abzuwehren. Ausbau, Vertiefung und Erweiterung der S. erfolgten noch im wilhelmin. Kaiserreich, dann insbesondere in der Weimarer Rep. und in raschem Tempo und mit weit reichendem sozialem Schutz in der Bundesrep. Dtl. Den bisherigen Abschluss dieses Prozesses stellt die 1995 eingeführte Pflegeversicherung dar.
Literatur:
Schoele, W.: Die S. Stuttgart u. a. 21996.
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