Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Somalia
Somalia Fläche: 637 657 km2
Einwohner: (1995) 9,25 Mio.
Hauptstadt: Mogadischu
Verwaltungsgliederung: 18 Regionen
Amtssprachen: Somali (und Arabisch)
Nationalfeiertage: 26. 6. und 1. 7.
Währung: 1 Somalia-Schilling (So.Sh.) = 100 Centesimi (Cnt.)
Zeitzone: MEZ + 2 Std.
(amtlich Somali: Jamhuuriyadda Dimuqraadiga Soomaaliya), Staat in NO-Afrika, grenzt im N an den Golf von Aden, im O und SO an den Ind. Ozean, im SW an Kenia, im W an Äthiopien, im NW an Djibouti.
Staat und Recht: Die Verf. von 1979, nach der S. eine präsidiale Rep. mit Einparteiensystem war, wurde im Jan. 1991 außer Kraft gesetzt. Aufgrund andauernder Machtkämpfe zw. rivalisierenden Rebellenbewegungen und -milizen existieren weder Parlament und Reg. noch sonstige handlungsfähige staatl. Strukturen. Nach mehreren erfolglosen Versöhnungskonferenzen einigten sich 26 Milizenführer am 22. 12. 1997 auf die Bildung eines Übergangsparlaments und eines 13-köpfigen Präsidialrats, der unter Vorsitz des MinPräs. als Interims-Reg. agieren und den Präs. wählen soll. Die Realisierung wurde jedoch immer wieder verschoben. Wichtigste der stark von Volksgruppen und Klanen beeinflussten Rebellenbewegungen sind: Somali National Alliance (SNA), Somali Salvation Alliance (SSA), United Somali Congress (USC), Somali National Front (SNF), Somali Patriotic Movement (SPM), Somali Salvation Democratic Front (SSDF) und Rahawayn Resistance Army (RRA).
Landesnatur: Der nördl. Landesteil, die Somalihalbinsel, ist eine steil gestellte Scholle (im Surud Ad 2 408 m ü. M.), die nach N steil abfällt, nach SO allmählich abdacht und in ein Küstentiefland übergeht. Süd-S. ist eine Rumpfebene in etwa 500 m Höhe, an die sich südlich die weite Aufschüttungsebene der beiden einzigen Dauerflüsse Juba und Webe Shebele, die aus dem Äthiop. Hochland kommen, anschließt. Der südl. Küste ist eine Kette von Korallenriffen vorgelagert. - S. hat monsunales Klima mit Sommerniederschlägen im S und Winterniederschlägen im N. S. ist im S weitgehend Trockensavanne, im N Halbwüste.
Bevölkerung: 90 % der Bev. sind Somal, daneben gibt es negride, arab., asiat. und europ. Minderheiten. Im Land befinden sich immer noch zahlr. Flüchtlinge aus Äthiopien, bes. aus Ogaden. Die Mehrzahl der Bev. lebt als Nomaden oder Halbnomaden. Allg. Schulpflicht besteht zwar vom 6. bis 14. Lebensjahr, wird aber kaum eingehalten.; die Analphabetenquote liegt bei 76 %; es gibt eine Univ. (gegr. 1959) in Mogadischu. - Der Islam ist Staatsreligion.
Wirtschaft, Verkehr: S. ist eines der ärmsten Länder der Erde. Durch Dürreperioden und Bürgerkrieg verschlechterte sich die wirtsch. Situation drastisch. Die Mehrzahl der Bev. lebt von der Landwirtschaft, deren wichtigster Zweig die nomad. Viehhaltung ist (Ziegen, Schafe, Kamele, Rinder). In den Flusstälern, z. T. mit Bewässerung, Anbau von Bananen, Zuckerrohr, Baumwolle, Mais, Hirse, Maniok, Gemüse. Fischerei wird nur für den Eigenbedarf betrieben. Die Ind. ist nur wenig entwickelt, v. a. Verarbeitung landwirtsch. Produkte, ferner Metallind., Erdölraffinerie und Zementfabrik. Ausgeführt werden Vieh, Bananen, Häute und Felle; Haupthandelspartner sind Italien, die USA und Deutschland. - Das Verkehrswesen ist nur unzureichend entwickelt; es gibt keine Eisenbahn; das Straßennetz ist 22 281 km lang, davon sind 3 010 km asphaltiert. Haupthäfen sind Mogadischu, Berbera, Kismaayo und Marka; internat. Flughafen bei Mogadischu.
Geschichte: Den alten Ägyptern waren die Küsten der Somalihalbinsel vermutlich als »Punt« bekannt. Seit dem 9. Jh. stand das Land unter islamisch-arab. Einfluss. 1881 eroberte Kaiser Menelik II. von Äthiopien das Innere der Somalihalbinsel (Ogaden). Ende des 19. Jh. teilten europ. Kolonialmächte die Halbinsel auf. Die westl. und zentrale N-Küste wurde 1887 zum Protektorat Britisch-Somaliland erklärt, 1889 wurde an der Küste des Ind. Ozeans das Protektorat Italienisch-Somaliland (1920 nach S erweitert) und 1896 am Ausgang des Roten Meeres Französisch-Somaliland gebildet. Italien.-Somaliland war 1936-41 Teil der Kolonie Italienisch-Ostafrika. Am 26. 6. 1960 entließ Großbritannien, am 1. 7. 1960 Italien die Gebiete in die Unabhängigkeit, die sich zur Rep. S. zusammenschlossen; Frz.-Somaliland (1967-77 Afar-und-Issa-Territorium) wurde 1977 als Djibouti unabhängig. 1969 übernahm das Militär die Macht, das unter Mohammed Siad Barre (gleichzeitig Staatsoberhaupt) die radikale Umgestaltung zu einer sozialist. Gesellschaftsordnung anstrebte (1976 Propagierung von S. als sozialist. Einparteienstaat). Die Kooperation mit der Sowjetunion und deren Verbündeten wurde infolge der sowjet. Hilfe für Äthiopien im somalisch-äthiop. Konflikt (u. a. 1977 Besetzung der äthiop. Provinz Ogaden durch somal. Truppen) im Nov. 1977 abgebrochen; Friedensvertrag mit Äthiopien 1988. Angesichts kriegsbedingter Flüchtlingsströme, Dürrekatastrophen und Grenzkonflikte geriet S. in eine schwere Wirtschaftskrise; 1987 wurde der nat. Notstand ausgerufen. In enger Verbindung damit formierten sich seit 1988/89 von Klanen und Stämmen getragene Aufstandsbewegungen: im N die SNM, im S der USC und die SPM. Die SNM konnte sich im N gegen die Reg.truppen durchsetzen, der USC eroberte Mogadischu, die SPM besetzte große Teile des S. Nach der Flucht Mohammed Siad Barres (Jan. 1991) brachen Kämpfe zw. rivalisierenden Aufstandsbewegungen v. a. im S aus. Auf einer Versöhnungskonferenz im Juli 1991 wurde Ali Mahdi Mohammed (USC) als neuer Staatspräs. bestätigt. Im N rief die SNM am 18. 5. 1991 die unabhängige Rep. Somaliland aus (von der Regierung nicht anerkannt). Im Sept. 1991 brachen in Mogadischu unter Führung von Präs. Ali Mahdi Mohammed und des USC-Parteichefs General Mohammed Aidid schwere Kämpfe zw. Stammesgruppen innerhalb der USC aus. Aufgrund der bes. seit 1992 das ganze Land ergreifenden Hungerkatastrophe begann nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates im Dez. 1992 eine multinat. Militäraktion unter dem Kommando der USA, seit Mai 1993 unter UN-Kommando, um die Verteilung von Hilfsgütern und die Entwaffnung der rivalisierenden Parteien durchzusetzen sowie beim Wiederaufbau polit. Institutionen und der Wirtschaft zu helfen. Dt. Soldaten beteiligten sich seit Juni 1993 an humanitärer Hilfe. Friedenskonferenzen unter UN-Vermittlung sowie eine nat. Versöhnungskonferenz, die im März 1993 die Bildung einer provisor. Regierung beschloss, scheiterten letztlich Mitte Dez. 1993. Daraufhin begannen die USA mit dem Rückzug ihrer Truppen; ihnen folgten bis März 1994 die Truppen aller beteiligten westl. Staaten und im März 1995 die letzten UN-Truppen aus afrikan. und asiat. Staaten. Bei den folgenden Kämpfen wurde 1996 General M. Aidid, der sich 1995 zum Staatspräs. hatte proklamieren lassen, getötet. Versöhnungskonferenzen zw. den zahlreichen um die Macht ringenden Klanchefs, so u. a. Hussain Mohammed Aidid (Sohn von M. Aidid), Ali Mahdi Mohammed sowie Osman Hassan Ali Atto, scheiterten, sodass das innerstaatl. Chaos, das Machtvakuum und der Bürgerkrieg nicht beendet werden konnten. Verschärft wurde die Situation durch Dürre, Überschwemmungen (bes. 1997), Hunger und Seuchen sowie Flüchtlingsströme.
Literatur:
Lewis, I. M.: Understanding S. Guide to culture, history and social institutions. London 21995.
Krech, H.: Der Bürgerkrieg in S. (1988-96). Ein Handbuch. Berlin 1996.
Mubarak, J. A.: From bad policy to chaos in S. How an economy fell apart. Westport, Conn., u. a. 1996.
Matthies, V.: Äthiopien, Eritrea, S., Djibouti. Das Horn von Afrika. München 31997.
Prendergast, J.: Crisis response. Humanitarian band-aids in Sudan and S. London u. a. 1997.
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