Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sierra Leone
Siẹrra Leone Fläche: 71 740 km2
Einwohner: (1995) 4,509 Mio.
Hauptstadt: Freetown
Verwaltungsgliederung: 4 Provinzen
Amtssprache: Englisch
Nationalfeiertag: 27. 4.
Währung: 1 Leone (Le) = 100 Cents (c)
Zeitzone: WEZ
(amtlich engl. Republic of S. L.), Staat in Westafrika, grenzt im W und SW an den Atlantik, im N und O an Guinea, im SO an Liberia.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1991 (1992-98 durch Militärputsche mehrfach suspendiert) ist S. L. eine präsidiale Rep. im Commonwealth. Staatsoberhaupt und Reg.chef ist der Präs. (auf fünf Jahre direkt gewählt). Er ernennt die Mitgl. des Kabinetts, die ihm und dem Parlament verantwortlich sind. Die Legislative liegt beim Repräsentantenhaus (80 Abg., davon 68 auf fünf Jahre gewählt; zwölf Mandate werden an Stammeshäuptlinge vergeben). Im 1996 begründeten und 1998 wieder in Kraft gesetzten Mehrparteiensystem spielen v. a. die Volkspartei S. L.s (SLPP), die Vereinigte Nat. Volkspartei (UNPP), die Demokrat. Volkspartei (PDP) sowie die frühere Einheitspartei APC (All People's Congress) eine Rolle.
Landesnatur: Die westl. Landeshälfte ist eine etwa 150 m hohe Rumpfflächenlandschaft mit einzelnen Inselbergen, der die 40 km breite Küstenniederung mit Mangrovensümpfen vorgelagert ist. Auf der gebirgigeren Halbinsel Sierra Leone liegt die Hauptstadt Freetown. Dem mittleren Küstenabschnitt vorgelagert ist die Insel Sherbro. Die Plateaulandschaft im O gehört zum Guineahochland, überragt von den Loma Mountains (bis 1 950 m ü. M.) und anderen Bergmassiven. Das Klima ist randtropisch mit einer Regenzeit (Juni bis Sept./Okt.). Der Regenwald im S ist größtenteils gerodet; im nördl. Binnenland herrscht Savanne vor.
Bevölkerung: Größte der 17 ethn. Gruppen sind die Mende (34 %) und die Temne (32 %); rd. 2 % sind Nachkommen ehem. Sklaven (Kreolen), die ab 1787 aus Indien, Kanada und aus anderen brit. Kolonien einwanderten. Sie leben v. a. in der Hptst. und beherrschen Politik, Wirtschaft und Kultur. Knapp 80 % der Bev. sind Analphabeten; es gibt eine Univ. in Freetown (gegr. 1967). 30 % der Bev. sind Anhänger von Naturreligionen, 60 % sunnit. Muslime, 10 % Christen.
Wirtschaft, Verkehr: Hauptzweige der Wirtschaft sind Landwirtschaft und Bergbau. Für die Eigenversorgung v. a. Reisanbau (an Flüssen, in den Küstensümpfen), ferner Maniok, Hirse, Mais; für den Export werden Kaffee, Kakao und Ölpalmen angebaut. In den Savannen im N Rinderhaltung. S. L. verfügt über reiche Bodenschätze; Abbau von Diamanten, Bauxit, Eisenerz, Rutil (Titanerz) und Gold. Die verarbeitende Ind. ist um Freetown konzentriert; Erdölraffinerie, Nahrungsmittel-, Holzind., Herstellung von Textilien, Schuhen, Papierwaren. Ausfuhr von Rutil, Bauxit, Diamanten, Kakao, Kaffee. Haupthandelspartner sind die USA, Großbritannien, Niederlande und Deutschland. - Die Staatsbahn wurde 1974 stillgelegt, die private Erzbahn Marampa-Pepel ist 84 km lang; das Straßennetz umfasst 11 700 km (1 700 km befestigt). Zw. Freetown und dem Festland verkehren Fähren. Haupthäfen sind Freetown und Pepel (Erzausfuhr). Internat. Flughafen: Lungi bei Freetown.
Geschichte: Die Küste wurde im 15. Jh. von den Portugiesen entdeckt. 1787 gründeten die Briten eine Siedlung für freigelassene Sklaven; 1808 brit. Kronkolonie, 1896 Protektoratsvertrag über das Hinterland. 1961 erlangte S. L. seine Unabhängigkeit und wurde Mitgl. des Commonwealth. Nach zahlr. Militärputschen (1967/68) und wechselnden Militärregierungen übernahm 1968 S. Stevens als Führer der bei Wahlen erfolgreichen Einheitspartei APC die Regierung. Nach Ausrufung der Republik 1971 wurde er Staatspräs. In der Folge verschärfte sich die innenpolit. Lage (Putschversuche, Ausnahmezustand, Ausschaltung der Opposition). 1985 trat Stevens aus Altersgründen zurück; sein Nachfolger J. S. Momoh (1985-92) kündigte 1991 die Rückkehr zum Mehrparteiensystem an. Nach einem Militärputsch 1992 übernahm ein Supreme Council of State unter V. Strasser die Macht. Mit nigerian. und guineischer Hilfe konnte sich die Reg. gegen die Aufstandsbewegung Revolutionary United Front (RUF) unter F. Sankoh, die seit 1991 von Liberia auf S. L. übergegriffen hatte, behaupten. Nach einem unblutigen Staatsstreich innerhalb der Militär-Reg. übernahm 1996 General J. M. Bio die Macht, der eine Demokratisierung einleitete. Bei den Präsidentschaftswahlen (Febr./März 1996) siegte der Kandidat der SLPP, A. T. Kabbah. Durch einen Militärputsch unter Führung von J. P. Koroma wurde er im Mai 1997 gestürzt, konnte aber sein Amt mithilfe einer von Nigeria geführten Eingreiftruppe der westafrikan. Staaten (ECOMOG) im März 1998 wiedererlangen. Im Dez. 1998 brachen die Kämpfe zw. ECOMOG-Einheiten und RUF-Rebellen, die den Rücktritt von Kabbah und die Freilassung ihres wegen Hochverrats zum Tode verurteilten Anführers Sankoh forderten, erneut aus.
Literatur:
Mühlenberg, F.: S. L. Wirtschaftl. u. soziale Strukturen u. Entwicklung. Hamburg 1978.
Fyle, C. M.: The history of S. L. London 1981.
Sarif, G. J.: Population development in S. L. Frankfurt am Main 1989.
J. A. D. Alie: A new history of S. L. London 1990.
W. Reno: Corruption and state politics in S. L. Cambridge 1995.
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