Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Selbsthilfe
Selbsthilfe, 1) Recht: eigenmächtiger Eingriff in einen fremden Rechtsbereich zur Sicherung oder Durchsetzung eines Anspruchs. Im bürgerl. Recht (§ 229 BGB) ist die S., insbesondere die Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache, die Festnahme eines fluchtverdächtigen Schuldners, dann nicht widerrechtlich, wenn Hilfe der Behörden oder Gerichte nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die S. darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. S.-Recht ist auch das Recht des Besitzers, eine weggenommene bewegl. Sache dem verfolgten Täter wieder abzunehmen (§ 859 BGB), ferner das Recht des Grundstücksvermieters (-verpächters) und des Gastwirtes, die Entfernung der ihrem gesetzl. Pfandrecht unterliegenden Sachen zu verhindern (§§ 561, 581, 704 BGB). - Über die Bedeutung der S. im Strafrecht Notwehr, Notstand. - Ähnlich ist das S.-Recht in Österreich (§§ 19, 344 ABGB) und in der Schweiz (Art. 52, Abs. 3 OR; Art. 926 ZGB) geregelt.
2) Sozialpolitik: vielschichtiger sozialwissenschaftl. Begriff, der die Eigeninitiative von Personengruppen zur Verbesserung der wirtsch. oder sozialen Lage im Ggs. zur staatl. Hilfe »von oben« in den Vordergrund rückt. S. ist geprägt durch die Merkmale Autonomie (Aktivitäten werden nicht von einer Organisationszentrale geleitet, sondern selbstbestimmt), Selbstgestaltung und Solidarität. Es wird unterschieden zw. privater S. unter Menschen, die ausschließlich sich selbst helfen, z. B. auf wirtschaftl. (Eigenheimbau) oder nachbarschaftl. Ebene, und sozialer S., bei der die Aktivität der S.-Gruppe über den eigenen Kreis der Betroffenen hinausgeht.
Literatur:
Runge, B.u. Vilmar, F.: Handbuch S. Neuausg. Frankfurt am Main 1988.
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