Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sciencefiction
Sciencefiction['saɪəns'fɪkʃən; engl. science »Wissenschaft« und fiction »Fiktion«, von lat. fictio »Einbildung«] die, Sammelbegriff für Literatur, die sich v. a. seit dem Ende des 19. Jh. infolge des Interesses an technisch-wiss. Aspekten aus der utop. (Utopie) und fantast. Literatur herausbildete und sich als Darstellung zukünftiger Entwicklungen und Ereignisse etablierte; ihre Themen findet sie daher vorrangig in der technisch-naturwiss. Sphäre. Als Vorläufer der S.-Literatur werden allg. »Frankenstein« (R., 1818) von Mary Shelley, einige Erzählungen E. A. Poes sowie bes. Romane von J. Verne angesehen; in Dtl. waren K. Laßwitz, später H. Dominik von Bedeutung. Zum Erfolg der S. haben v. a. die in den USA seit 1926 erscheinenden S.-Magazine beigetragen, v. a. »Amazing stories« von H. Gernsback. S. entwickelte sich zur (trivialen) Massenliteratur, deren Kennzeichen ein unbedingter Glaube an den Segen des techn. Fortschritts war (positive Utopie). Wichtige Autoren: I. Asimov, R. D. Bradbury, A. C. Clarke, L. Sprague de Camp, R. A. Heinlein, T. Sturgeon. Die Beschäftigung mit sozialen Fragen wurde in der westl. S. bis in die Gegenwart v. a. von »negativen Utopien« (»Antiutopien«) verfolgt, in denen heutige gesellschaftl. Fehlentwicklungen - konsequent weitergedacht - als negatives Bild einer künftigen Welt dargestellt werden (A. Huxley, G. Orwell). 1964 entstand eine »New Wave« (»neue Welle«) der S.-Literatur, die v. a. auf die Autoren des brit. S.-Magazins »New worlds« zurückging: M. Moorcock, J. G. Ballard, J. Brunner u. a.; USA: N. Spinrad, T. M. Dish und J. Sladek. Sie wenden ihre Aufmerksamkeit mehr dem literar. Experiment zu. Feminist. S.-Romane schreiben die Amerikanerinnen Ursula K. Le Guin und Joanna Russ. Für die europ. S.-Szene sind noch zu nennen: die Franzosen J. P. Andrevon und G. Klein sowie die Italiener L. Aldani und U. Malaguti; im deutschsprachigen Raum: C. Amery, G. Zanner, H. W. Franke und H. Pukallus; die beliebteste dt. Heftserie ist »Perry Rhodan, der Erbe des Universums« (seit 1961). Die Handlungen der S. in den osteurop. Ländern spielten bis Ende der 80er-Jahre häufig in einer kommunist. Zukunftsgesellschaft oder schilderten deren Entstehung. Bed. Autoren: S. Lem, A. A. Bogdanow, A. N. Tolstoi, J. I. Samjatin, I. A. Jefremow sowie und B. N. Strugazki. Die S.-Comics stellen häufig Superhelden vor und sind Vorlagen für Film und Fernsehen. Zum Beispiel sind »Superman«, »Batman«, »Iron Man«, »Akira« auserwählte Bewahrer des Bestehenden, des Rechts und der Ordnung. S.-Hörspiele: Als bemerkenswertestes Hörspielereignis gilt bis heute O. Welles' Rundfunkfassung von H. G. Wells' »Der Krieg der Welten« (1938). Als einer der ersten S.-Filme gilt »Die Reise zum Mond« (1902) von G. Méliès; bed. auch »Metropolis« (1927) von F. Lang, S. Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« (1968), A. A. Tarkowskis »Solaris« (1972), G. Lucas' »Krieg der Sterne« (1977), R. Zemeckis' »Zurück in die Zukunft« (1985). Häufig wird im S.-Film Tricktechnik eingesetzt, um Show- und Spannungseffekte zu intensivieren oder fantast. Wesen zum Leben zu erwecken. Die Grenzen zum fantast., Horror-, Fantasy- und Superagentenfilm sind fließend. Seit den 80/90er-Jahren gibt es eine Tendenz zu spielerisch-erzählenden Handlungen. - Die Fantasyliteratur ist geprägt von Technikfeindlichkeit, sie will der Literatur verloren geglaubte Welten von Mythos und Magie zurückgewinnen. Sie greift kelt., skandinav. und oriental. Stoffe auf, spielt v. a. in einem fiktiven archaischen Zeitalter oder in einer postapokalypt. Zukunft sowie in einem idealisierten MA. oder in exot. Gefilden; sie behandelt Themen wie Reisen in Fantasiewelten, die Aussöhnung von Mensch, Natur und Magie, die abenteuerl. Suche (»Queste«) und den ewigen Kampf zw. Gut und Böse. Zu ihrer Tradition kann sie alle großen Nationalepen zählen; als unmittelbare Vorläufer gelten L. Carroll, L. F. Baum, C. Kingsley. Den Erfolg der Fantasyliteratur in jüngerer Zeit begründete J. R. R. Tolkien; wichtige Autoren der Gegenwart sind M. L. Peake, P. S. Beagle, M. Ende, M. Z. Bradley, G. Bradshaw, B. Bates. Neben dieser als High Fantasy bezeichneten Richtung existiert die Heroic Fantasy, die v. a. auf die Zeitschrift »Weird Tales« (1923-54) zurückgeht. In ihr veröffentlichten Autoren wie L. R. Hubbard, R. F. Howard, C. A. Smith und F. Leiber Geschichten, in denen sich barbar. Helden gegen Zauberei und Magie mit dem Schwert behaupten und die von Gewaltfantasien, Rassendiskriminierung und sadomasochist. Sexualität gekennzeichnet sind. V. a. auf diese Richtung greifen Fantasycomics zurück.
Literatur:
Hetmann, F.: Die Freuden der Fantasy. Frankfurt am Main u. a. 1984.
Wuckel, D.: Illustrierte Geschichte der Science-fiction. Leipzig 1986.
Lexikon der Science-fiction-Lit., bearb. v. H. J. Alpers u. a. Neuausg. München 1990.
Innerhofer, R.: Dt. S. 1870-1914. Wien u. a. 1996.
Hahn, R. M. u. Jansen, V.: Lexikon des Science-fiction-Films. 2000 Filme von 1902 bis heute, 2 Bde. München 71997.
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