Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schwerionenforschung
Schwer|ionenforschung,Forschungszweig, der sich mit der Erzeugung, Beschleunigung und Wirkung ein- oder mehrfach ionisierter Atome mit Massenzahlen größer als 4 befasst. Neben der reinen Grundlagenforschung (Schwerionenphysik) beschäftigt sich die S. auch mit anwendungsorientierten Problemen. Mit Schwerionenbeschleunigern, wie dem Hochfrequenz-Linearbeschleuniger UNILAC (engl. für Universal Linear Accelerator) und dem Schwerionensynchrotron SIS der Ges. für S. mbH (GSI) in Darmstadt können Ionen aller chem. Elemente bis hin zum Uran auf sehr hohe Geschwindigkeiten gebracht und als Projektilsonden auf die Atome der Zielmaterie (engl. »Targets«) geschossen werden. Die schwersten Ionen haben dann Höchstenergien bis zu 20 MeV pro Nukleon. Diese Energie reicht aus, um selbst beim Stoß Uran auf Uran die durch die hohen Kernladungen bewirkte starke Coulomb-Abstoßung zu überwinden. Somit ist man in der Lage, Reaktionen von der Übertragung weniger Nukleonen von einem Kern auf den anderen bis zur Verschmelzung zw. zwei beliebigen, natürlich vorkommenden Kernen zu untersuchen. - Durch »kalte« Kernverschmelzung im Schwerionenstoß wurde 1981 bei der GSI das Element 107 (Bohrium) eindeutig nachgewiesen und die Elemente 108 (Hassium, 1984), 109 (Meitnerium, 1982), 110 und 111 (1994) sowie 112 (1996) erstmals erzeugt. - Zu den Anwendungsmöglichkeiten hochenerget. Schwerionenstrahlen gehören insbesondere die Durchleuchtung und Strukturermittlung biolog. Objekte (z. B. von Zellkernen), der Trägheitseinschluss eines Kernfusionsplasmas durch Beschuss von Deuterium-Tritium-Pellets sowie die Schwerionenlithographie zur Herstellung integrierter Schaltungen mit extrem kleinen Abmessungen (bis zu etwa 0,1 μm).
Literatur:
Münzenberg, G.u. Schädel, M.: Moderne Alchemie. Die Jagd nach den schwersten Elementen. Braunschweig u. a. 1996.
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