Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schwangerschaft
Schwangerschaft(Gravidität, Gestation), in der Humanmedizin Bez. für die Zeitspanne zw. der Einnistung (Nidation) einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter der Frau und der Geburt. Das befruchtete Ei erreicht die Gebärmutterhöhle gewöhnlich am 18. Tag des Menstruationszyklus. Die Nidation des Eies in die vorbereitete Gebärmutterschleimhaut beginnt wahrscheinlich am 22. Tag und ist am 27. Tag beendet. Vier Tage später wird der Keimling an die mütterl. Blutgefäße angeschlossen; es beginnt die Ausbildung einer Plazenta. Die etwa am 28. Tag erwartete Menstruation bleibt normalerweise aus, mitunter kann jedoch noch eine abgeschwächte Blutung auftreten. Der Ort der Implantation der Leibesfrucht ist gewöhnlich die Hinterwand des oberen Gebärmutterabschnitts. Unter dem Einfluss des (plazentären) Choriongonadotropins (HCG) bleibt der schwangerschaftserhaltende Gelbkörper im mütterl. Eierstock erhalten, bis die Plazenta von der 12. S.-Woche an selbst ausreichend Progesteron- und Östrogenmengen produzieren kann. Progesteron erhält von der 12. S.-Woche an allein die S.; es ist darüber hinaus zus. mit den Östrogenen v. a. an den S.-Veränderungen des mütterl. Körpers wesentlich beteiligt (Größenzunahme der Gebärmutter, Auflockerung der übrigen Geschlechtsorgane, Brustdrüsenwachstum).
Der mütterl. Körper macht während der S. eine Reihe von Veränderungen durch, die sich v. a. an den Geschlechtsorganen, z. T. aber auch extragenital abspielen und v. a. durch die hormonalen Umstellungen, bes. durch die Funktion der Plazenta als Hormondrüse, zu erklären sind. Bis zum Ende der S. nimmt die Muskelmasse der Gebärmutter durch Vergrößerung der glatten Muskelzellen von etwa 50 g auf über 1 000 g zu, entsprechend ist auch ihre Durchblutung verstärkt. Am Herz-Kreislauf-System der Mutter kommt es zu einer Verlagerung und Vergrößerung des Herzens, zur Zunahme des Blut- und Herzzeitvolumens und der Pulsfrequenz. Die wachsende Leibesfrucht verursacht schließlich eine Zunahme des Venendrucks in den unteren Körperpartien mit der Gefahr der Entstehung von Krampfadern in den Beinen. Auch die Atemtätigkeit ist (entsprechend einer Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs und Grundumsatzes) um rd. 20 % gesteigert. Der Calciumbedarf der Schwangeren erhöht sich durch den Knochenaufbau des Fetus auf 1,5 g je Tag, ein Mehrbedarf, der v. a. durch Milch und Milchprodukte gedeckt werden kann. Der Eisenbedarf liegt im letzten Drittel der S. bei 12-15 mg je Tag. Die Gewichtszunahme der Schwangeren beträgt normalerweise rd. 10-12 kg. Der Embryo bzw. der Fetus wird während der S. über die Plazenta ernährt. Diese ist allerdings zugleich auch durchgängig für Immunstoffe, manche Medikamente, Alkohol, Nikotin und die Erreger bestimmter Krankheiten (z. B. Syphilis, Toxoplasmose), was einige Gefahren für die Leibesfrucht birgt. - Die S. endet mit der Geburt des Kindes und der folgenden Nachgeburt etwa um den 280. Tag nach dem ersten Tag der letzten Menstruation. Mithilfe der Ultraschalluntersuchung des Fetus können aus den Messdaten Gewicht und Geburtstermin errechnet werden. Über Länge und Gewicht der Frucht und die näherungsweise Berechnung der Kindsgröße je nach S.-Dauer orientiert die folgende Tabelle (ein Lunarmonat entspricht 28 Tagen):Schwangerschaftsbezogene Beratung (u. a. über einen mögl. Schwangerschaftsabbruch, über Ehe- und Familienprobleme) wird außer vom Arzt v. a. von Pro Familia und regional von konfessionellen Beratungsstellen durchgeführt, eine genetische Beratung von genet. Beratungsstellen und z. T. auch von Ärzten für Laboratoriumsmedizin.Rechtliches: Über Beschäftigungsverbote, Kündigungsschutz Mutterschutz; über Lohnzahlung Krankenversicherung (Mutterschaftshilfe). - Die Mutter des nichtehel. Kindes kann vom Vater die Kosten der Entbindung sowie der weiteren Aufwendungen verlangen, die durch die S. oder die Entbindung erforderlich wurden (§ 16 151 BGB), außerdem die Unterhaltskosten für sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt (§ 1615 l BGB). Durch einstweilige Verfügung kann angeordnet werden, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat oder der mutmaßl. Vater ist, den Unterhalt des Kindes für die ersten drei Monate zu zahlen hat (§ 1615 o BGB). - Ähnl. Bestimmungen enthalten das österr. (§§ 168 ff. ABGB) und das schweizer. (Art. 295 ZGB) Recht.
Literatur:
Shapiro, H. I.: Knaurs großes Schwangerschaftsbuch. A. d. Amerikan. München 1984.
Blatt, R. J.: Bekomme ich ein gesundes Kind? A. d. Engl. Reinbek 1991.
Kitzinger, S.: S. u. Geburt. A. d. Engl. München 81995.
Stoppard, M.: Empfängnis, S. u. Geburt. A. d. Engl. Ravensburg 31995.
Nilsson, L. u. Hamberger, L.: Ein Kind entsteht. Bilddokumentation. A. d. Schwed. München 111996.
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