Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schulbräuche
Schulbräuche, mit der Entwicklung des Schulwesens entstandene Bräuche; sie dienten z. T. der Entspannung und Ermunterung, entsprangen aber auch der wirtschaftl. Notwendigkeit, Schülern und Lehrern auf rechtmäßigem Weg zusätzlich zu Lebensunterhalt und zu Lehr- und Lernmitteln zu verhelfen.
Eine lange Tradition hat der Chorgesang, der v. a. in den Klosterschulen gepflegt und später auch von den Kurrenden der Stadtschulen übernommen wurde; Schüler und Lehrer sangen auch bei familiären Festen und warteten in den Quartieren durchreisenden Herrschaften auf. Ein ausgedehntes Heischebrauchwesen entwickelte sich im 16.-19. Jh. aus dem weihnachtl. Ansingen: Vom Martinstag an, im Advent, an Neujahr und Dreikönig bis Ostern zogen Schülergruppen von Haus zu Haus, zuweilen von Ort zu Ort, um lebensnotwendige Spenden zu erbetteln (u. a. Ursprung des Sternsingens). - Unter den Schulfesten gelangte zunächst das des Kinderbischofs (als Knabenbischof 1169/64 erstmals belegt) mit »verkehrter Welt« für einen Tag zu langer Tradition; seit dem 14. Jh. gebietsweise auch am Tag des Schülerpatrons, des hl. Nikolaus von Myra, begangen. Bei Mai- und Pfingstfeiern erschienen in England seit dem 13., in den Niederlanden seit dem 14. Jh. Schülerkönige, zuweilen mit einer Königin und einem Hofstaat aus der Schuljugend. Im 16. Jh. kam das Gregoriusfest - mehr ein Schulausflug - hinzu. Ausflüge ins Grüne mit Spielen, Singen, Tanzen, Essen und Trinken wurden meist zu Sommerbeginn unternommen. U. a. noch heute üblich sind: »Ruethenfest« in Landsberg a. Lech, »Dinkelsbühler Kinderzeche« (urspr. seit 1635, ab 1848 als Volksfest und Touristenattraktion).
Im strengen alltägl. Schulbetrieb hatten Strafrituale mit Rutenstreichen, Eselskappe und Eselsbank einen festen Platz. Im 16. Jh. kamen auch Belohnungsgaben auf, vom 17. Jh. an waren es billige Bilderdrucke, im 19. Jh. die »Fleißbillets« (»Fleißbildchen«). Schulanfang, Schulschluss und Ferienbeginn wurden z. T. lokal unterschiedlich begangen (u. a. . Zuckertüte).
Literatur:
Reicke, E.: Magister u. Scholaren. Illustrierte Geschichte des Unterrichtswesens. Leipzig 1901, Nachdr. Düsseldorf 1979.
Schiffler, H.u. Winkeler, R.: Tausend Jahre Schule. Eine Kulturgeschichte des Lernens in Bildern. Stuttgart 51998.
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