Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schottland
Schọttland(engl. Scotland), Landesteil von Großbritannien und Nordirland, umfasst den nördl. Teil der brit. Hauptinsel, einschl. der Hebriden, Orkney- und Shetlandinseln 79 826 km2, davon 1 692 km2 Binnengewässer; (1996) 5,128 Mio. Ew.; Hptst. ist Edinburgh.
S. ist im Wesentlichen ein Gebirgsland. Die Highlands (Hochlande) im N, durch den großen Grabenbruch des Glen More in die Northern Highlands (bis 1 183 m ü. M.) und die Grampian Mountains mit dem Ben Nevis (1 343 m ü. M.) geteilt, werden durch das mit Berggruppen durchsetzte Senkungsfeld der Lowlands (mittelschott. Tiefland) von den Southern Uplands (südschott. Hügelland) getrennt. Die Küste ist im W steil und durch zahlr. Inseln (Hebriden) und Fjorde (Firths) stark gegliedert. Die Flüsse (Tweed, Forth, Tay, Clyde) sind für die Schifffahrt nicht von Bedeutung. S. hat feuchtes und kühles Meeresklima mit rauen Winden auf den waldarmen Hochflächen, die meist von Heide (Schafzucht) und Moor sowie von vielen langen, schmalen Seen (Lochs) eingenommen werden. Im Tiefland wird Ackerbau betrieben. Die Gebirge und Inseln sind weithin unbesiedelt. Die Bev. konzentriert sich im Tiefland der Mittelschott. Senke mit der Hauptstadt Edinburgh und der Industriestadt Glasgow - hier leben knapp 68 % der Schotten - sowie an der O-Küste mit den Zentren Aberdeen und Dundee. Nur noch etwa 1,5 % der Bev. spricht Gälisch, vorwiegend in den Highlands und auf den Inseln.
Wirtschaft: Weidewirtschaft, an der trockeneren O-Küste auch etwas stärker Ackerbau, bestimmen die Landwirtschaft. Knapp 25 % der Gesamtfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Relief, Böden und das kühle und feuchte Klima erlauben in den Bergländern und auf den Inseln zumeist nur Wildweiden als Landnutzung. Sie nehmen 69 % der landwirtschaftl. Nutzfläche ein, weitere 20 % sind intensiver genutzte Wiesen- und Weideflächen, 11 % entfallen auf Ackerland. Nur etwa 36 % der Betriebe bewirtschaften über 50 ha, an den westl. und nördl. Küsten herrscht Kleinbetriebswirtschaft vor, z. T. in Verbindung mit Küstenfischerei. Die ehem. bedeutende schott. Industrie (Kohlebergbau, Schiffbau, Stahl- und Textilindustrie) erlebt seit 1950 einen starken Niedergang. Als Folge regionalplaner. Förderung wird die Industriestruktur heute von Fahrzeugbau, Fahrzeugzubehör-, Elektro-, Elektronik- und seit der Erschließung der Erdölfelder in der Nordsee in den 70er-Jahren durch Erdöl- und petrochem. Industrie bestimmt. 75 % der Beschäftigten sind inzwischen im Dienstleistungssektor tätig.
Geschichte: In das etwa seit dem 3. Jt. v. Chr. besiedelte Gebiet wanderten um 400 v. Chr. kelt. Stämme ein. Die Römer drangen unter Gnaeus Julius Agricola im 1. Jh. n. Chr. in das südl. S. vor (84 Sieg am Mons Graupius); den nördl. Landesteil bezeichneten sie als Kaledonien (lat. Caledonia). Gegen die von ihnen Pikten genannten Bewohner errichteten die Römer den Hadrians- und den Antoninuswall (Piktenwall). Von den im 5./6. Jh. aus Irland einwandernden Skoten stammt der Name des Landes, das im 6. Jh. durch Columban d. Ä. christianisiert wurde und im 7. Jh. in mehrere Reiche zerfiel. Der Skotenkönig Kenneth I. MacAlpin unterwarf das Piktenreich und errichtete um 843 das Königreich von Alban, das wiederholt Plünderungszügen der Wikinger ausgesetzt war. Sitz der Könige, die seit Mitte des 11. Jh. in ständigen Kämpfen mit dem aus den Clans hervorgegangenen Hochadel standen (u. a. Ermordung Duncans I. durch Macbeth), war seit Ende des 11. Jh. Edinburgh. David I. (1124-53) brachte normann. Vasallen ins Land, führte das normann. Lehnssystem ein, folgte in der Verwaltung dem engl. Vorbild und schuf eine eigenständige Bischofskirche. Sein Enkel Wilhelm I., der Löwe (1165-1214), drängte die Macht der kelt. Häuptlinge zurück, musste zunächst im Abkommen von Falaise bei Caen (1174) die Lehnsherrschaft des engl. Königs Heinrich II. anerkennen, konnte aber 1189 in einem Vertrag mit Richard I. Löwenherz die Unabhängigkeit seines Landes wiederherstellen. Nach Erlöschen der schott. Dynastie Canmore 1286 trugen die Magnaten die Entscheidung über die Thronfolge König Eduard I. von England an, der John de Balliol, einen Abkömmling Davids I., zum König bestimmte (1292) und danach dessen Lehnshuldigung für ganz S. entgegennahm. Schott. Gegenwehr wurde 1296 bei Dunbar (östlich von Edinburgh) gebrochen. John de Balliol übergab sein Reich dem engl. König und ging ins Exil. Eduard I. betrachtete sich nun als König von S. Nach langem Widerstand (bes. unter dem schott. Nationalhelden Sir William Wallace, der am 11. 9. 1297 in der Schlacht von Sterling die Engländer besiegte, später aber gefangen genommen und 1305 hingerichtet wurde) errang Robert I. Bruce (1306-29) mit seinem Sieg in der Schlacht von Bannockburn (24. 6. 1314) und dem Frieden von Northampton (1328) die Unabhängigkeit S.s zurück. Dem Haus Bruce folgte mit Robert II. (1371-90) das Haus Stuart. Jakob IV. (1488-1513) gewann gegenüber den sich befehdenden Adelsclans (Albany, Arran, Douglas) die Autorität der Krone zurück, begründete durch seine Ehe mit Margarete Tudor (* 1489, ✝ 1541) den Erbanspruch der Stuarts auf die engl. Krone. Die sich seit Mitte des 16. Jh. unter dem Kalvinisten John Knox ausbreitende Reformation wurde vom Adel unterstützt. Die 1561 aus Frankreich zurückgekehrte kath. Königin Maria Stuart (1542-67; bis 1560 Regentschaft ihrer Mutter Maria von Guise) floh nach ihrem Sturz und der Niederlage ihrer Truppen gegen den prot. Earl of Murray bei Langside (heute zu Glasgow) 1568 nach England, wo sie Königin Elisabeth I. festsetzen ließ (1587 Hinrichtung Maria Stuarts unter dem Vorwurf der Verschwörung). Ihr Sohn Jakob VI. übernahm 1578 die Reg. (1603 als Jakob I. auch König von England). Die im Covenant von 1638 vereinigten schott. Presbyterianer kämpften im Bund mit dem engl. Parlament erfolgreich gegen Karl I., unterlagen aber 1648-51 gegen Cromwell. 1654-60 war S. mit England vereinigt. Nach der Vertreibung Jakobs II. (1688, Glorreiche Revolution) fanden die Stuarts noch in den Hochlanden Rückhalt, wo sich die »Jakobiten« 1715, 1719, letztmals 1745/46 erhoben (am 16. 4. 1746 Niederlage bei Culloden Muir). 1707 wurde S. mit England in Realunion zum Königreich Großbritannien vereinigt (Vertretung S.s seitdem durch Peers im Oberhaus, durch Abg. im brit. Unterhaus); das schott. Nationalbewusstsein erlosch jedoch nie.
In Reaktion auf die Depression, die infolge des Ersten Weltkrieges einsetzte und S. bes. betraf, erhielten politisch radikalere Strömungen Zulauf. Die Labour Party wurde stärkste Partei; v. a. in der Scottish National Party (SNP, gegr. 1934) entstand eine polit. Kraft, die nat. Selbstbewusstsein verkörperte und größere Autonomie forderte. In den 70er-Jahren gewannen Autonomieforderungen durch Ölfunde vor der O-Küste S.s neuen Auftrieb, die SNP erlebte kurzzeitige Wahlerfolge (1974: elf Abg. im brit. Unterhaus). Ein daraufhin von der brit. Labour-Reg. 1977 eingebrachtes, im Unterhaus verabschiedetes Ges. zur Dezentralisierung (»Devolution«) bzw. Teilautonomie fand bei einer Volksabstimmung in S. am 1. 3. 1979 nicht die gesetzl. Mehrheit. Die SNP verlor bei weiteren Wahlen die meisten ihrer Sitze, bekam aber in jüngster Zeit wieder Auftrieb. In einem auf Initiative des brit. Premiermin. Blair am 11. 9. 1997 durchgeführten Referendum stimmte die schott. Bev. mehrheitlich (74,3 % der Teilnehmer) für die Wiedererrichtung eines schott. Parlaments mit begrenzten Autonomierechten. Die Wahlen zum schott. Regionalparlament (129 Abg.) am 6. 5. 1999 entschied die Labour Party für sich (mit 56 Sitzen stärkste Fraktion, aber ohne absolute Mehrheit); die SNP wurde zweitstärkste Partei (35 Abg.). Die Labour Party einigte sich in Verhandlungen mit den Liberaldemokraten (17 Mandate) auf die Bildung einer Koalitionsreg. unter dem Ersten Min. Donald Dewar (Labour Party).
Literatur:
Mackie, J. D.: A history of Scotland. Harmondsworth 21978.
Donaldson, G.: Scotland. The shaping of a nation. New Abbot 21980.
The new history of Scotland, hg. v. J. Wormald, 8 Bde. London 1981-87.
Grant, E. G.: Scotland. Oxford 1982.
Maclean, F.: Kleine Geschichte S.s. Aus dem Engl. Herford 1986.
Schreiber, H.: S. Gesch. eines Landes am Rande Europas. Gernsbach 1990.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Schottland