Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schleswig-Holstein
Schleswig-Họlstein,das nördlichste Land der Bundesrep. Dtl., 15 770 km2, (1998) 2,765 Mio. Ew.;
Hptst. ist Kiel.Landesnatur: S.-H. umfasst den südl. Teil der Halbinsel Jütland sowie die ihm vorgelagerten Inseln: Fehmarn in der Ostsee, die Nordfries. Inseln und Helgoland in der Nordsee. Es gehört zum Norddt. Tiefland mit fruchtbarer, seenreicher (Plöner See, 29 km2) Grundmoränenlandschaft im O, Marschland im W und sandiger Geest in der Mitte; die höchste Erhebung ist der Bungsberg (168 m ü. M.). Die Ostseeküste ist durch Buchten (Förden) reich gegliedert. Der Nordseeküste vorgelagert ist das Watt, aus dem die Nordfries. Inseln, die Marschinseln und die Halligen herausragen. Klimatisch liegt S.-H. im Bereich vorherrschender Westwindlagen mit ausgeprägt ozean. Klima. Im Spätherbst kommt es häufig zu Sturmfluten.Bevölkerung: Das Bundesland ist überwiegend von Sachsen (Niedersachsen) besiedelt. Die W-Küste und die ihr vorgelagerten Inseln sind von Nordfriesen bewohnt, die ihre Sprache z. T. noch pflegen. Im N um Flensburg lebt eine dän. Minderheit. Der Anteil der Vertriebenen betrug nach dem Zweiten Weltkrieg rd. 25 %. 61,8, % (1996) der Ew. sind evangelisch, 6,2 % katholisch. Die Bev.dichte (1998: 175 Ew. je km2) liegt unter dem Bundesdurchschnitt (230 Ew. je km2). Regionale Schwerpunkte der Bev.verteilung liegen v. a. an der Ostseeküste (um Lübeck, Kiel, Flensburg), im Umland von Hamburg sowie um Neumünster, Rendsburg, Itzehoe, Husum und Heide. - S.-H. hat eine Univ. in Kiel, fünf Fachhochschulen (Flensburg, Kiel (zwei), Lübeck, Wedel), in Lübeck Medizin. Univ. und Musikhochschule, die Bildungswiss. Hochschule Flensburg-Univ., sowie die Verwaltungs-FH Altenholz und die Hochschule für Berufstätige in Rendsburg.Wirtschaft: S.-H., früher ein überwiegend agrarisch geprägtes Land, weist heute eine breit gefächerte Wirtschaftsstruktur auf. Die Landwirtschaft nutzt 68 % der Fläche (rd. 54 % Ackerland, rd. 45 % Dauergrünland). Grünland mit Viehwirtschaft herrscht in den Marschen im W vor, im SO Ölfrüchte, Getreide-, Kartoffelanbau. In Dithmarschen und auf Fehmarn ist Gemüsebau verbreitet, in den Elbmarschen daneben auch Obstbau. Nur 9 % der Fläche sind Wald; S.-H. hat große Baumschulflächen (Halstenbek-Rellingen). Wichtige Ind.branchen sind Nahrungs- und Genussmittel, Schiff- und Maschinenbau, Elektrotechnik, Baustoffe, Optik u. a.; zu den wirtsch. genutzten Bodenschätzen gehören Salzlager, Erdöl (bei Heide, vor der Küste) und Kreidevorkommen. An den Küsten verbreitet Fischerei und Fisch verarbeitende Ind., zentraler Fischereihafen ist Kiel. Hauptanziehungspunkte im Fremdenverkehr sind Sylt und Helgoland, die Ostseeküste und die Holstein. Seenplatte. Als Küstenland hat S.-H. eine lange Schifffahrtstradition. Der Hafen Brunsbüttel an der Unterelbe hat sich zu einem wichtigen Güterumschlagplatz entwickelt; wichtige Ostseehäfen sind Lübeck, Puttgarden und Kiel. Der Nord-Ostsee-Kanal ist nach wie vor eine der meistbefahrenen künstl. Wasserstraßen der Erde.Verfassung: Nach der Landes-Verf. i. d. F. v. 30. 5. 1990 (Änderung der Landessatzung vom 13. 12. 1949) liegt die Legislative beim Landtag (75 Abg., auf vier Jahre gewählt), der über das Selbstauflösungsrecht verfügt. Exekutivorgan ist die Reg. unter Vorsitz des vom Landtag gewählten MinPräs. (Richtlinienkompetenz). Der MinPräs. kann durch konstruktives Misstrauensvotum gestürzt werden. Die Verf. fixiert als plebiszitäre Elemente Volksinitiative, -begehren und -entscheid.
Geschichte: 1375/86 erwarben die in der Grafschaft (seit 1474 Herzogtum) Holstein herrschenden Schauenburger (Schaumburg) endgültig das Herzogtum Schleswig als dän. Lehen. Als ihr Mannesstamm 1459 erlosch, wählten die Stände 1460 den dän. König Christian I. aus dem Haus Oldenburg zum Landesherrn, der im Ripener Freiheitsbrief gelobte, dass Schleswig und Holstein »ewig zusammenbleiben sollten, ungeteilt«. Die Reformation fand 1542 in S.-H. Eingang (Kirchenordnung J. Bugenhagens). 1544 wurden die Herzogtümer abermals (erstmals 1490 bis 1523) geteilt. Die Bauernrepublik Dithmarschen wurde 1559 unterworfen. Seit den dän. Teilungen von 1544 und 1581 gab es in S.-H. zwei Landesherren aus dem Haus Oldenburg: die Nachkommen König Friedrichs II. (* 1543, ✝ 1588) im »königl. Anteil« und die Nachkommen Herzog Adolfs (* 1526, ✝ 1586) im »herzogl. Anteil« (Gottorp). Die Gottorper Linie musste ihren Anteil an Schleswig infolge der schwed. Niederlage im 2. Nord. Krieg 1720 an den König-Herzog abtreten. Die 1762 mit Peter III. auf den russ. Kaiserthron gelangte ältere Gottorper Linie verzichtete 1773 auch auf ihren holstein. Anteil zugunsten Dänemarks, das dafür Oldenburg und Delmenhorst an die jüngere Gottorper Linie abtrat. Da um die gleiche Zeit auch andere Splitterterritorien an die königl. Linie fielen, waren die Herzogtümer nun wieder unter einer Krone vereint als Teil des dän. Gesamtstaates. Die Regierungsorgane von S.-H. unterstanden der Dt. Kanzlei in Kopenhagen. Nach dem Untergang des Hl. Röm. Reiches 1806 verfügte der dän. König die Einverleibung des herrenlosen Holstein; doch trat er 1815 (Wiener Kongress) als Herzog von Holstein und Lauenburg dem Dt. Bund bei, Schleswig wurde jedoch nicht zum Glied des Dt. Bundes erklärt. - Das Aufkommen nat. und liberaler Ideen führte zu verstärkten Spannungen. In den 1832 geschaffenen beratenden Ständeversammlungen wurde u. a. die Erbfolge (Thronnachfolge in S.-H. auch der Augustenburger Nebenlinie des Hauses Oldenburg) und die Sprachenfrage heftig diskutiert: Die »Schleswig-Holsteiner« verfochten unter Berufung auf die Verträge von 1460 die Einheit und Eigenständigkeit des Herzogtums und erstrebten darüber hinaus den ersehnten Anschluss an den Dt. Bund; die »Eiderdänen« (dän. Nationalliberale) wollten ganz Schleswig fest mit Dänemark verbinden. Als Friedrich VII. am 22. 3. 1848 nach der Ernennung eines eiderdän. Ministeriums die Einverleibung Schleswigs in Dänemark anerkannte, erfolgte am 23./24. 3. die schleswig-holstein. Erhebung in Kiel: Der »Herzog« wurde für unfrei erklärt und eine provisor. Regierung eingesetzt. Mit Unterstützung v. a. preuß. Bundestruppen konnte sich S.-H. im Deutsch-Dän. Krieg (1848-50) behaupten, geriet aber politisch ebenso wie Preußen unter den Druck der Großmächte Russland und Großbritannien. Preußen zog sich daraufhin im Sommer 1850 zurück. Unter dem Einfluss Österreichs griff Anfang 1851 der Dt. Bund ein: Er erzwang die Entwaffnung der Schleswig-Holsteiner und lieferte zunächst Schleswig, Anfang 1852 auch Holstein den Dänen aus. Die Elbherzogtümer wurden zu einem europ. Problem (Londoner Protokoll, 8. 5. 1852); erneute Versuche der Einverleibung Schleswigs in Dänemark führten zum Deutsch-Dän. Krieg von 1864 (Erstürmung der Düppeler Schanzen, 18. 4.). Im Frieden von Wien (30. 10. 1864) musste Dänemark ganz S.-H. und Lauenburg an Preußen und Österreich (Kondominium bis 1866) abtreten. Die Spannungen zw. beiden Großmächten (vorübergehende Verständigung in der Gasteiner Konvention) führten zum Dt. Krieg 1866, der mit der Einverleibung von S.-H. als preuß. Provinz (Prager Frieden, 23. 8. 1866; ab 1876 mit dem Herzogtum Lauenburg, ab 1890 mit Helgoland) endete. 1920 kam durch Volksabstimmung Nordschleswig an Dänemark. - 1946 bildete die brit. Militärreg. aus der preuß. Provinz das Land S.-H. und ernannte T. Steltzer (CDU) zum MinPräs. Nach den ersten Landtagswahlen 1947 konnte die SPD unter H. Lüdemann (1947-49) sowie B. Diekmann (1949/50) mit absoluter Mehrheit regieren; 1950-87 war die CDU die stärkste Partei und stellte (seit 1971 in absoluter Mehrheit) die MinPräs.: W. Bartram (1950/51), F.-W. Lübke (1951-54), K.-U. von Hassel (1954-63), H. Lemke (1963-71), G. Stoltenberg (1971-82), U. Barschel (1982-87). Trotz seines Wahlsieges 1987 trat Barschel im Okt. 1987 zurück (»Barschel-Affäre«). Nach den Wahlen vom Mai 1988 konnte die SPD eine Alleinreg. unter B. Engholm bilden (im April 1992 knapp bestätigt). Nach Bekanntwerden seiner Falschaussage im Zusammenhang mit der »Barschel-Affäre« trat Engholm im Mai 1993 von allen Ämtern zurück. Bei den Landtagswahlen von 1996 verlor die SPD ihre absolute Mehrheit. Die Nachfolgerin Engholms als Ministerpräsidentin (ab Mai 1993), H. Simonis (SPD), bildete eine Koalitionsreg. aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Literatur:
H. Schlenger S.-H. Ein geographisch-landeskundl. Exkursionsführer, hg. v. u. a. Kiel 21970.
Stewig, R.: Landeskunde von S.-H. Stuttgart 21982.
S.-H., hg. v. J. Bähr u. a. Berlin u. a. 1987.
Stadtlandschaften in S.-H., hg. v. Manfred J. Müller u. a. Neumünster 1990.
Scharff, A.: Geschichte S.-H.s. Freiburg im Breisgau u. a. 51991.
Opitz, E.: S.-H. Das Land u. seine Geschichte in Bildern, Texten u. Dokumenten. Hamburg 1997.
Rheinheimer, M.: Bibliographie zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte S.-H.s. Neumünster 1997.
Demokratie in S.-H. Historische Aspekte u. aktuelle Fragen, hg. v. G. Wewer. Opladen 1998.
Jürgensen, K.: Die Gründung des Landes S.-H. nach dem Zweiten Weltkrieg. Neumünster 21998.
Volkskunst in S.-H., hg. v. H. Mehl. Heide 1998.
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