Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Schiller
Schịller,1) Friedrich von (seit 1802), Dichter, * Marbach am Neckar 10. 11. 1759, ✝ Weimar 9. 5. 1805. Sein Vater (Johann Kaspar S., * 1723, ✝ 1796) absolvierte die militär. Laufbahn und war seit 1775 Verwalter der Hofgärten auf der Solitude bei Stuttgart; seine Mutter war Elisabeth Dorothea, geb. Kodweis(* 1732, ✝ 1802).Der junge Schiller: S. trat auf Befehl des Herzogs Karl Eugen in die »Militär-Pflanzschule« (seit 1775 »Hohe Karlsschule« in Stuttgart; Karlsschule) ein, studierte die Rechte, seit 1775 Medizin, wurde 1780 Regimentsmedikus in Stuttgart. Daneben schrieb er Gedichte und das Sturm-und-Drang-Drama »Die Räuber«, dessen Uraufführung (13. 1. 1782) am Mannheimer Hof- und Nationaltheater ein überwältigender Erfolg wurde. Für eine unerlaubte Reise nach Mannheim (ins kurpfälz. »Ausland«) erhielt S. zweiwöchigen Arrest und das herzogl. Verbot jeder weiteren poet. Betätigung. Er floh im Sept. 1782 mithilfe seines Freundes J. A. Streicher aus Stuttgart, hielt sich in Frankfurt am Main, dann in Oggersheim (heute zu Ludwigshafen am Rhein) auf. Aus sehr schwieriger materieller Lage half ihm Karoline von Wolzogen, die ihm auf ihrem Gut Bauerbach bei Meiningen Zuflucht gewährte. 1783/84 hatte er eine Anstellung als Theaterdichter in Mannheim (Aufführung von »Die Verschwörung des Fiesco zu Genua«, 1783; »Kabale und Liebe«, 1784). Vergeblich suchte er durch Gründung einer Zeitschrift (»Rhein. Thalia«, 1785/86, bis 1791 als »Thalia« fortgesetzt) seine wirtsch. Lage zu bessern, nachdem sein Vertrag in Mannheim nicht verlängert worden war.In Sachsen, Weimar und Jena: Im April 1785 kam er auf Einladung von C. G. Körner nach Leipzig, wo u. a. die Ode »An die Freude« (gedruckt 1803) entstand. Im gleichen Jahr folgte er Körner nach Dresden. Dort arbeitete er am »Don Carlos« (zunächst u. d. T. »Dom Karlos, Infant von Spanien«, Dr., 1787) und an dem Fragment gebliebenen Roman »Der Geisterseher« (2 Bde., 1787-89). 1787 übersiedelte er nach Weimar (bereits 1784 hatte Herzog Karl August ihn zum »Fürstl. Rat« ernannt), wo er Kontakte zu J. G. Herder und C. M. Wieland bekam. Die erste - zunächst folgenlose - Begegnung mit Goethe hatte er 1788. Erste Frucht seiner histor. Studien war die »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der span. Regierung« (1788). 1789 erhielt S. auf Goethes Vorschlag eine nicht fest besoldete Geschichtsprofessur in Jena (Antrittsvorlesung »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?«). 1790 heiratete er Charlotte von Lengefeld (* 1766, ✝ 1826) und zog nach Jena. Dort setzte er seine histor. Arbeiten fort (»Geschichte des Dreißigjährigen Krieges«, 3 Bde., 1790-92) und beschäftigte sich, an J. J. Winckelmann anknüpfend, mit der Antike (»Die Götter Griechenlands«, Ged., 1788). Da sich sein Gesundheitszustand verschlechterte, musste er die Professur 1791 aufgeben. Im gleichen Jahr ermöglichte ihm ein dreijähriges (später um zwei Jahre verlängertes) Ehrengehalt des Herzogs Friedrich Christian II. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und des dän. Finanzministers Ernst Heinrich Graf von Schimmelmann, sich philosoph. Studien zu widmen, v. a. der Auseinandersetzung mit der Ethik und Ästhetik I. Kants, so in den ästhet. Schriften »Über Anmut und Würde« (1793), in den Briefen »Über die ästhet. Erziehung des Menschen« (1795) und in »Über naive und sentimental. Dichtung«; diese Abhandlung erschien 1795-96 in der literar. Zeitschrift »Die Horen«, die S. unter Mitwirkung von W. von Humboldt und J. G. Fichte bei J. G. Cotta 1795-97 herausgab und die die sittl. Verbesserung der Gesellschaft durch die Verbindung von Wahrheit und Schönheit bewirken sollte.Die Freundschaft mit Goethe: Mit S.s Einladung an Goethe, an den »Horen« mitzuarbeiten, begann der intensive geistige Austausch der beiden Dichter. Er brachte ein Höchstmaß einander ergänzender und korrigierender künstler. Produktivität, die im »Briefwechsel« (hg. zuerst von Goethe 1828-29) dokumentiert ist. Unmittelbare poet. Frucht dieser Zusammenarbeit sind die Xenien und das »Balladenjahr« 1797-98 (von S. u. a.: »Der Taucher«, »Die Kraniche des Ibykus«, »Der Kampf mit dem Drachen«, »Die Bürgschaft«, »Der Handschuh«, »Der Gang nach dem Eisenhammer«, »Ritter Toggenburg«). Die Balladen erschienen sämtlich im »Musenalmanach«, den S. 1795-99 jährlich herausgab. Dafür und für die »Horen« verfasste er auch seine großen philosoph. Gedichte (»Das Ideal und das Leben«, 1795; »Der Spaziergang«, 1795; »Das Lied von der Glocke«, 1799), in denen er seine ästhet. Theorien dichterisch umsetzte. Letzte Jahre in Weimar (1799-1805): 1799 siedelte S. nach Weimar über und wandte sich nun ganz dem dramat. Schaffen zu. Nach dem Abschluss der langjährigen Arbeit an der »Wallenstein«-Trilogie (»Wallensteins Lager«, »Die Piccolomini«, »Wallensteins Tod«, zus. gedruckt 1800) vollendete er in rascher Folge seine reifen Dramen, zunehmend gegen Krankheit ankämpfend: »Maria Stuart« (1801), »Die Jungfrau von Orléans« (1802), »Die Braut von Messina« (1803), »Wilhelm Tell« (1804). Das letzte Drama, »Demetrius« (hg. 1815), blieb unvollendet. Daneben schuf er für das von Goethe geleitete Weimarer Nationaltheater Übersetzungen und Bearbeitungen von Shakespeare, Gozzi und Racine. Außer für »Die Braut von Messina«, verwendete S. histor. Stoffe.Schiller als Dichter und Philosoph: Schon früh kam S. der Konflikt von Trieb und Geist, Natur und Freiheit zum Bewusstsein. Die Jugendlyrik steht stark unter Klopstocks Einfluss, sie ist pathetisch und spekulativ. Von Anfang an wird die Freiheitsidee leidenschaftlich verfochten und in versch. Varianten dramatisch behandelt: so schon in den »Räubern«, wo der Held aus Weltverbesserungswillen zum Verbrecher wird, so in dem bürgerl. Trauerspiel »Kabale und Liebe«, worin der Idealismus des unbedingten Gefühls sich gegen die absolutist. Machtmechanismen auflehnt. Entscheidend wurde für S. die Auseinandersetzung mit Kants Philosophie, die er selbstständig weiterentwickelte: Für S. ist vollendete Sittlichkeit - Würde - allein in der Versöhnung von Pflicht und Neigung möglich, während Kant das Primat der Pflicht betont. In der Anmut erscheint geistige und leibl. Schönheit als ästhet. Harmonie vereint (»Über Anmut und Würde«). Das Drama »Don Carlos« spiegelt den Übergang vom frühen, subjektiven Ansatz zum philosoph. Ideendrama, worin weltgeschichtlich-sittl. Entscheidungen ausgetragen werden; in der Figur des Marquis Posa verkörpert sich das Ideal einer kommenden höheren und freien Menschheit. Die klass. Dramen mit ihrem Sinn für dramat. Steigerung kennzeichnet der trag. Konflikt des zw. den Zwang der phys. Notwendigkeiten und die Berufung zu moral. Freiheit, zw. Wirklichkeit und Idee, Schicksal und Selbstrealisierung gestellten Menschen. Für S. besitzt der Mensch die unverlierbare Fähigkeit, seine metaphys. Freiheit, auch um den Preis des Lebens, zu behaupten oder die preisgegebene wieder zu ergreifen. - S.s Lyrik ist Ausdruck des Gedankens von der Teilhabe des Menschen an der idealen Wertwelt. Als Erzähler ist S. nur in der Zeit der Herausgabe der »Thalia« sowie mit dem Romanfragment »Der Geisterseher« hervorgetreten. Er erwies sich hier als illusionsloser Psychologe, der sich auch von kriminalist. Stoffen angezogen fühlte. Den künstler. Höhepunkt fand S.s Prosa in seinen philosophisch-ästhet. Schriften. - S. ist im 19. Jh. der eigtl. dt. Nationaldichter geworden. Rezeption und Deutung des Werkes spiegeln die wechselnden polit. und ideolog. Positionen dt. Geisteslebens. V. a. durch die Dramen und Balladen wurde er zum volkstümlichsten Klassiker der dt. Literatur.
Ausgaben:Werke. Nationalausgabe, hg. v. J. Petersen u. a., auf zahlreiche Bde. ber. Weimar 1943 ff. Werke u. Briefe, hg. v. O. Dann u. a., auf 12 Bde. ber. Frankfurt am Main 1988 ff. Sämtliche Werke, bearb. v. J. Perfahl u. a., 5 Bde. München 1-61990-97.
Literatur:
Middell, E.: F. S. Leben u. Werk. Leipzig 21982.
Koopmann, H.: S. Eine Einführung. München u. a. 1988.
Guthke, K. S.: S.s Dramen. Idealismus u. Skepsis. Tübingen u. a. 1994.
Burschell, F.: F. S.Reinbek 195.-199. Tsd. 1995.
Oellers, N.: F. S. Zur Modernität eines Klassikers. Frankfurt am Main 1996.
Hinderer, W.: Von der Idee des Menschen. Über F. S. Würzburg 1998.
S.-Handbuch, hg. v. H. Koopmann. Stuttgart 1998.
Schafarschik, W.: F. S. Stuttgart 1999.
2) Karl, Volkswirtschaftler und Politiker (SPD), * Breslau 24. 4. 1911, ✝ Hamburg 26. 12. 1994; Verfechter des Keynesianismus; 1947-72 Prof. in Hamburg und Leiter des Inst. für Außenhandel und Überseewirtschaft; 1948-53 Wirtschaftssenator in Hamburg, 1961-65 in Berlin; 1966-72 Bundeswirtschafts-, 1971/72 zugleich Bundesfinanzmin.; war maßgeblich am Stabilitätsgesetz (1967) beteiligt und suchte durch die »Konzertierte Aktion« die Zusammenarbeit der Sozialpartner zu fördern. 1972 wegen Kritik an seiner wirtschaftspolit. Konzeption Rücktritt als Min. und Parteiaustritt (1980 Wiedereintritt), seitdem wirtschaftspolit. Berater.
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