Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Satire
Satire[von lat. satira »mit verschiedenen Früchten gefüllte Schüssel«] die, Literaturgattung, die durch Spott, Ironie, Übertreibung bestimmte Personen, Anschauungen, Ereignisse oder Zustände kritisieren oder verächtlich machen will. Sie kann sich mit allen literar. Formen verbinden (Epigramm, Dialog, dramat. Spiel, Roman). Komisch-satir. Darstellungsarten sind auch Parodie und Travestie.
Die S. ist, nach Ansätzen in der grch. Dichtung (Aristophanes), wesentlich römisch-lat. Ursprungs. Sie erscheint zuerst bei Lucilius (2. Jh. v. Chr.). Erneuerer der S. war Horaz; ihm folgten Persius und Juvenal. Gemeinsam ist diesen S. die metr. Form. Von anderer Art sind die menippeischen S. mit ihrer lässigen Mischung von Poesie und Prosa (Varro). In Senecas polit. Pamphlet, der »Apocolocyntosis« (»Verkürbissung«) des Kaisers Claudius, in Petronius' Sittenroman »Saturae« ist diese Kunstform fortgesetzt, in Lukians Dialogen erneuert. Satir. Sittenschilderung zeigt auch das lat. Epigramm (Martial). Das MA. kennt v. a. die gereimte Moral-S. (Rügedichtung, Stände-S.; auch Tierdichtung). Im 16. Jh. wird die S. zu einer beherrschenden Gattung: zeitsatir. Narrendichtungen (Narr), S. als Kampfmittel in der religiösen Auseinandersetzung (U. von Hutten, T. Murner, J. Fischart u. a.). Während der Renaissance entstanden in allen europ. Nationen bedeutende S.: in Spanien S. von M. de Cervantes Saavedra (»Don Quijote« als S. auf die Ritterromane) und F. G. de Quevedo y Villegas, in Italien von G. Parini, in Frankreich von F. Rabelais, P. Scarron, N. Boileau-Despréaux, in England von J. Marston, J. Donne, J. Dryden; ihnen entsprechen im dt. Barock J. M. Moscherosch, F. von Logau, J. W. Lauremberg und der Prediger Abraham a Sancta Clara. In Frankreich gelangte die S. durch Voltaire zu einem Höhepunkt, in England durch A. Pope, D. Defoe, S. Johnson, J. Swift, H. Fielding. Im 19. und 20. Jh. wurde die soziale und polit. S. wieder stärker belebt, im Vormärz durch K. Immermann, H. Heine, in dramat. Form durch J. N. Nestroy; ferner durch S. Butler, G. B. Shaw, N. W. Gogol, M. J. Saltykow-Schtschedrin, M. M. Soschtschenko. Satir. Elemente finden sich bei W. Busch, F. Wedekind, C. Sternheim, H. Mann, K. Kraus, L. Thoma, B. Brecht, K. Tucholsky, E. Kästner, M. Frisch, F. Dürrenmatt, M. Walser, H. M. Enzensberger, G. Grass u. a. Die S. ist auch Bestandteil des Kabaretts. A. Huxley, G. Orwell, E. Waugh schrieben satir. Utopien.
Die Literatur-S. als Waffe im Kampf gegen bestimmte Schriftsteller erreichte Höhepunkte in der S. der Dunkelmännerbriefe und als eigenständige Gattung in der Goethezeit. Wort- und Bild-S. (Karikatur) verbinden sich in den im 19. Jh. aufkommenden satir. Witzblättern (Fliegende Blätter, Kladderadatsch, Simplicissimus, Punch).
▣ Literatur:
W. Weiß. Die engl. S., hg. v. Darmstadt 1982.
⃟ Knoche, U.: Die röm. S. Göttingen 41982.
⃟ Arntzen, H.: S. in der dt. Literatur. Geschichte u. Theorie, auf 2 Bde. ber. Darmstadt 1989 ff.
⃟ Tauscher, R.: Literar. S. des Exils gegen Nationalsozialismus u. Hitlerdeutschland. Von F. G. Alexan bis Paul Westheim. Hamburg 1992.
Satire[von lat. satira »mit verschiedenen Früchten gefüllte Schüssel«] die, Literaturgattung, die durch Spott, Ironie, Übertreibung bestimmte Personen, Anschauungen, Ereignisse oder Zustände kritisieren oder verächtlich machen will. Sie kann sich mit allen literar. Formen verbinden (Epigramm, Dialog, dramat. Spiel, Roman). Komisch-satir. Darstellungsarten sind auch Parodie und Travestie.
Die S. ist, nach Ansätzen in der grch. Dichtung (Aristophanes), wesentlich römisch-lat. Ursprungs. Sie erscheint zuerst bei Lucilius (2. Jh. v. Chr.). Erneuerer der S. war Horaz; ihm folgten Persius und Juvenal. Gemeinsam ist diesen S. die metr. Form. Von anderer Art sind die menippeischen S. mit ihrer lässigen Mischung von Poesie und Prosa (Varro). In Senecas polit. Pamphlet, der »Apocolocyntosis« (»Verkürbissung«) des Kaisers Claudius, in Petronius' Sittenroman »Saturae« ist diese Kunstform fortgesetzt, in Lukians Dialogen erneuert. Satir. Sittenschilderung zeigt auch das lat. Epigramm (Martial). Das MA. kennt v. a. die gereimte Moral-S. (Rügedichtung, Stände-S.; auch Tierdichtung). Im 16. Jh. wird die S. zu einer beherrschenden Gattung: zeitsatir. Narrendichtungen (Narr), S. als Kampfmittel in der religiösen Auseinandersetzung (U. von Hutten, T. Murner, J. Fischart u. a.). Während der Renaissance entstanden in allen europ. Nationen bedeutende S.: in Spanien S. von M. de Cervantes Saavedra (»Don Quijote« als S. auf die Ritterromane) und F. G. de Quevedo y Villegas, in Italien von G. Parini, in Frankreich von F. Rabelais, P. Scarron, N. Boileau-Despréaux, in England von J. Marston, J. Donne, J. Dryden; ihnen entsprechen im dt. Barock J. M. Moscherosch, F. von Logau, J. W. Lauremberg und der Prediger Abraham a Sancta Clara. In Frankreich gelangte die S. durch Voltaire zu einem Höhepunkt, in England durch A. Pope, D. Defoe, S. Johnson, J. Swift, H. Fielding. Im 19. und 20. Jh. wurde die soziale und polit. S. wieder stärker belebt, im Vormärz durch K. Immermann, H. Heine, in dramat. Form durch J. N. Nestroy; ferner durch S. Butler, G. B. Shaw, N. W. Gogol, M. J. Saltykow-Schtschedrin, M. M. Soschtschenko. Satir. Elemente finden sich bei W. Busch, F. Wedekind, C. Sternheim, H. Mann, K. Kraus, L. Thoma, B. Brecht, K. Tucholsky, E. Kästner, M. Frisch, F. Dürrenmatt, M. Walser, H. M. Enzensberger, G. Grass u. a. Die S. ist auch Bestandteil des Kabaretts. A. Huxley, G. Orwell, E. Waugh schrieben satir. Utopien.
Die Literatur-S. als Waffe im Kampf gegen bestimmte Schriftsteller erreichte Höhepunkte in der S. der Dunkelmännerbriefe und als eigenständige Gattung in der Goethezeit. Wort- und Bild-S. (Karikatur) verbinden sich in den im 19. Jh. aufkommenden satir. Witzblättern (Fliegende Blätter, Kladderadatsch, Simplicissimus, Punch).
▣ Literatur:
W. Weiß. Die engl. S., hg. v. Darmstadt 1982.
⃟ Knoche, U.: Die röm. S. Göttingen 41982.
⃟ Arntzen, H.: S. in der dt. Literatur. Geschichte u. Theorie, auf 2 Bde. ber. Darmstadt 1989 ff.
⃟ Tauscher, R.: Literar. S. des Exils gegen Nationalsozialismus u. Hitlerdeutschland. Von F. G. Alexan bis Paul Westheim. Hamburg 1992.