Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sartre
Sartre[sartr], Jean-Paul, frz. Philosoph und Schriftsteller, * Paris 21. 6. 1905, ✝ ebd. 15. 4. 1980; 1931-45 Gymnasialprof., seit dieser Zeit eng verbunden mit S. de Beauvoir. 1940/41 in dt. Kriegsgefangenschaft, 1942-44 Mitgl. der Résistance. 1945 begann sein vielseitiges publizist. und polit. Wirken: Er gründete die Zeitschrift »Les temps modernes«, sympathisierte mit dem Kommunismus, kritisierte jedoch scharf die sowjet. Interventionen in Ungarn (1956) und in der Tschechoslowakei (1968); er engagierte sich für die Beendigung des Algerienkriegs und war Vors. des »Russell-Tribunals« gegen den Vietnamkrieg. - S. ist der Hauptvertreter des frz. Existenzialismus (Existenzphilosophie). Die frühen Schriften (u. a. »Das Imaginäre«, 1940) sind von E. Husserls Phänomenologie beeinflusst. In seinem philosoph. Hauptwerk »Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenolog. Ontologie« (1943) stellt S. dem nichtmenschl. Sein (»An-sich-Sein«), das, mit sich identisch, einfach ist, was es ist, das Bewusstsein als eigene Seinsweise gegenüber, das nicht mit sich identisch ist (»Für-sich-Sein«). Seiner selbst bewusst, wird sich der Mensch zum Problem und ist gezwungen, aus dieser »Freiheit« heraus sein Leben erst zu schaffen, Werte und Sinn zu »wählen«, sich zu »entwerfen«. Dieser Ungewissheit entspringen die Gefühle der »Verlassenheit« und »Angst« und die Flucht in die Seinsweise des »An-sich«. - Dem Marxismus näherte S. sich mit »Kritik der dialekt. Vernunft« (2 Bde., 1960-85). Die existenzialist. Problematik prägt auch S.s belletrist. Werke: »Der Ekel« (R., 1938). Sein Konzept der »Littérature engagée«, Literatur als Beitrag zur Weltveränderung (»Was ist Literatur?«, 1947), ist bes. in den Dramen verwirklicht: »Die Fliegen«, eine Bearbeitung des Orest-Stoffes, uraufgeführt 1943 im besetzten Paris, »Bei geschlossenen Türen« (1945), »Die schmutzigen Hände« (1948), »Die Eingeschlossenen« (1960). Das dreibändige Romanwerk »Die Wege der Freiheit« (1945-51, 4. Bd. Fragment »Die letzte Chance«, 1981) zeigt vor dem Hintergrund von Span. Bürgerkrieg und Zweiten Weltkrieg Möglichkeiten menschl. Verhaltensweisen. S. wandte die existenzialist. Sichtweise auch in Künstlerbiographien an, u. a. »Saint Genet, Komödiant und Märtyrer« (1952) und »Der Idiot der Familie. Gustave Flaubert 1821-1857« (3 Bde., 1971/72). Seine Kindheit reflektiert er in »Die Wörter« (1964). Den Nobelpreis für Literatur (1964) lehnte er ab.
Literatur:
Lapointe, F.: J.-P. S. and his critics. An international bibliography 1938-75. Bowling Green (Oh.) 21981.
Hartmann, K.: Die Philosophie J.-P. S.s. Berlin u. a. 21983.
Hengelbrock, J.: J.-P. S. Freiheit als Notwendigkeit. Einf. in das philosoph. Werk. Freiburg im Breisgau u. a. 1989.
Cohen-Solal, A.: S. 1905-80. A. d. Frz. Neuausg. Reinbek 1991.
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