Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sankt Petersburg
Sankt Petersburg(russ. Sankt-Peterburg, Kurzform Petersburg, 1914-24 Petrograd, 1924-91 Leningrad), Hptst. des Gebiets Leningrad, Russland, nach Moskau zweitwichtigstes russ. Kultur-, Wirtschafts- und Verkehrszentrum, im Mündungsdelta der Newa am Finn. Meerbusen (Ostsee), durch einen 25,4 km langen Hochwasserdamm mit Schiffsschleusen geschützt, 4,19 Mio. Ew.; Kern der Stadt ist die Peter-und-Pauls-Festung. Das Zentrum liegt links der Newa, aufgelockert durch breite Straßen (Prospekte), große Plätze und Grünanlagen; nach W schließen sich auf der Wassili-Insel das Wissenschaftsviertel, weiterhin Ind.anlagen, nach SW Molen und Hafenviertel, nach S und SO Arbeitervorstädte an. Auf der rechten Newaseite befindet sich heute das Hauptind.gebiet. Zu den Einrichtungen von Wiss., Bildung und Kultur (Kulturhauptstadt Russlands) gehören 35 Inst. der Russ. Akad. der Wiss. (darunter das astronom. Observatorium in Pulkowo), Russ. Akad. der Künste, Forst-Akad., Geistl. Akad., Univ. (gegr. 1819), TU, Pädagog. und Jüd. Univ. sowie rd. 40 weitere Hochschulen, etwa 2 000 Bibliotheken, (bes. Nationalbibliothek [seit 1998] und Bibliothek der Akad. der Wiss.en [älteste Bibliothek des Landes]); rd. 50 Museen (bes. Eremitage, Russ. Museum, Ethnograph. Museum der Völker Russlands) und Galerien; Goethe-Inst., etwa 20 Theater, Großer Konzertsaal, Philharmonien, Planetarium, zoolog. Garten. Neben dem Bau von Schiffen, Werkzeugmaschinen, Traktoren und Turbinen haben die elektrotechnisch-elektron., Textil-, chem., opt., Nahrungsmittel- und graf. Ind. die größte Bedeutung; westlich von S. P. Kernkraftwerk (Sosnowy Bor). S. P. ist der wichtigste russ. Ostseehafen, am Endpunkt des Wolga-Ostsee-Wasserwegs, sowie ein bed. Binnen-, Fährhafen (nach Kiel, Oxelösund südlich von Stockholm und Sassnitz) und Eisenbahnknotenpunkt. Im innerstädt. Verkehr hat die U-Bahn größte Bedeutung; im S der Stadt internat. Flughafen.
Stadtbild: Drei Bauepochen verleihen der Stadt ihr unverwechselbares Erscheinungsbild: Bis 1725 entstanden erste einfache Barockbauten unter niederländisch-dt. Einfluss (Architekt D. Trezzini), bis 1760 die italien.-barocken Großbauten (Architekt B. F. Rastrelli) und 1760-1850 klassizist. Bauwerke. Als erstes größeres Bauensemble entstand seit 1703 die Peter-und-Pauls-Festung mit der Peter-und-Pauls-Kathedrale (1712-32, Umbau 1787; Turm 1751); Trezzini erbaute den Sommerpalast Peters d. Gr. (1714), ungefähr gleichzeitig mit dem Menschikow-Palast (D. Fontana und G. Schädel; um 1740 umgebaut) und der Kunstkammer (1718-34) auf der Wassili-Insel. Rastrelli schuf auf dem Südufer der Newa neben der Admiralität (1704 ff., 1806-23 von A. D. Sacharow umgestaltet) den sog. Vierten Winterpalast (1754-63; das Innere klassizistisch erneuert). Er erbaute u. a. auch das Smolny-Kloster mit Kathedrale (1748-54; klassizist. Innenausbau 1832-35). Bauten des Klassizismus sind weiterhin die Kleine Eremitage (1764-67), die Akademie der Schönen Künste (1764-88; beide J.-B. M. Vallin de la Mothe), die Akademie der Wiss. (1783-89 von G. Quarenghi), die Eremitage (1775-84 von J. M. Velten), die Alexander-Newski-Kathedrale (1776-90 von I. E. Starow) im Alexander-Newski-Kloster, die Kasaner Kathedrale (1802-12 von A. N. Woronichin und I. J. Starow) sowie die Isaak-Kathedrale (1817-57 von A. Monferrand) und die Neue Eremitage (1839-52 von L. von Klenze, Ausführung W. P. Stassow). Unter K. I. Rossi entstanden: Platz der Künste mit dem Palast des Großfürsten Michael (heute Russ. Museum; 1819-25), Anlage um das heutige Puschkin-Theater (1829-32), Generalstabsgebäude und Triumphbogen am Schlossplatz und Petersplatz (Dekabristenplatz) mit Gebäude des Senats und des Synods (1829-34). Das histor. Zentrum von S. P. wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. - In der Umgebung von S. P. die Schlösser Pawlowsk, Petrodworez, Puschkin.
Geschichte: Unter Peter I., d. Gr., begann 1703 auf einer Insel im Newamündungsdelta der Bau der Peter-und-Pauls-Festung, in deren Schutz sich ein Hafenplatz und ab 1706 die Stadt entwickelte. 1712 wurde S. P. die Hptst. des Russ. Reiches, jedoch blieb Moskau die Krönungsstadt des Zaren. Die unter Heranziehung ausländ. Baumeister planmäßig und großzügig angelegte Residenz wurde bald zum Kultur- und Wissenschaftszentrum des Landes (1724/25 Gründung der Akademie der Wiss., 1757 der Akademie der Schönen Künste); sie nahm einen raschen wirtsch. Aufschwung. 1837 wurde als erste Eisenbahnstrecke in Russland die Linie Petersburg-Zarskoje Selo eröffnet. In S. P. fand 1825 der Aufstand der Dekabristen statt. Die Stadt war Zentrum der Revolution von 1905, der Februar- und der Oktoberrevolution von 1917; mit der Übersiedlung der Sowjetreg. nach Moskau (März 1918) verlor sie ihre Vorrangstellung. Im Zweiten Weltkrieg widerstand sie trotz enormer Opfer ihrer Bev. einer fast 900-tägigen Blockade durch dt. Truppen (Anfang Sept. 1941 bis 27. 1. 1944).
Literatur:
Topf, S.: Leningrad. Zürich 1983.
Leningrad, bearb. v. R. Meisel u. a. Hamburg 1989.
Bechtolsheim, H. von: St. Petersburg. Biographie einer Stadt. München u. a. 41994.
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